Weniger ist mehr

Es ist noch nicht lange her, da drohte einigen Containerreedereien Schiffbruch. Ursache waren die Überkapazitäten im Markt. Die Reedereien hatten sich gegenseitig überboten mit dem Zukauf von Kapazitäten. Fast alle glaubten, nur die Großen im Markt überleben. Daher orderten sie fleißig Schiffe. Daraufhin fielen die Seefrachtraten in den Keller und nahezu alle Reedereien hatten große Probleme, zu auskömmlichen Preisen die Boxen über die Meere zu transportieren. Als Folge ging beispielsweise 2017 die damals weltweit siebtgrößte Containerreederei, die Hanjin Shipping, pleite. Musterschüler in der Branche Und jetzt, 2020, mitten in der Corona-Krise? Stehen die Containerreedereien auf einmal als Musterschüler in der Transportbranche da. Keine Frage, auch sie spüren die Krise und haben mit geringeren Mengen zu kämpfen. Aber im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern und vor allem im Vergleich zur Gesamtwirtschaft geht es ihnen richtig gut. Ein Beispiel dafür ist Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Containerreederei. Im weltweiten Wettbewerb belegen die Hamburger derzeit laut dem Ranking von Alphaliner Rang fünf, wenn es nach der verfügbaren Transportkapazität in TEU (20-Fuß-Container) geht. Ihr Marktanteil: 7,1 Prozent. Die noch vorläufigen Ergebnisse der Reederei bis zum dritten Quartal 2020 kommentierte der Vorstandsvorsitzende von Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, mit den Worten: "Wir erwarten ein Geschäftsjahr mit Ergebnissen, die deutlich über unserer bisherigen Prognose liegen." Das Transportvolumen lag im dritten Quartal wie auch in den ersten neun Monaten lediglich drei Prozent unter dem Vorjahr (siehe auch Interview). Noch besser hat sich die Ertragslage entwickelt: Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) betrug im dritten Quartal 2020 trotz Corona 350 Millionen Euro - vor einem Jahr waren es "nur" 253 Millionen Euro. Maersk korrigiert Prognose nach oben Hapag-Lloyd ist kein Einzelfall. Auch Maersk - mit einem Marktanteil von 17,1 Prozent weltweit die Nummer eins unter den Containerreedereien - hat seine Prognosen nach oben korrigiert. "Das Volumen hat sich schneller als erwartet erholt, unsere Kosten sind gut unter Kontrolle geblieben, die Frachtraten sind aufgrund der starken Nachfrage gestiegen und wir steigern das Ergebnis in Logistics & Services schnell", teilte Søren Skou, CEO von A.P. Möller-Maersk, mit. Das Transportvolumen war im dritten Quartal 2020 wie bei Hapag-Lloyd um drei Prozent rückläufig im Vergleich zum Vorjahresquartal - und damit gleichfalls besser als erwartet. Statt einem Ebitda von 6,0 bis 7,0 Milliarden US-Dollar für 2020 erwarten die Dänen nun ein Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 7,5 bis 8,0 Milliarden US-Dollar. Als Grund für die Verbesserung der Ergebnisse nennen vielen Reedereien auch einen strikteren Sparkurs. Bei Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen heißt das "ein rigoroses Kosten- und Ertragsmanagement". Dahinter verbirgt sich auch, dass die Seefrachtraten seit Mai 2020 nur eine Richtung kennen: die nach oben. Je nach Fahrtgebiet waren die Zahlen unterschiedlich. Der World Container Index von Drewry als ein Indikator für verschiedene Fahrtgebiete kletterte von knapp 1500 US-Dollar für einen 40-Fuß-Container Mitte Mai bis Ende Oktober auf über 2600 US-Dollar: ein Anstieg von mehr als 70 Prozent. Bei einer solchen Steigerung der Frachtraten verwundert es nicht, dass die Ergebnisse der Reedereien trotz Krise besser ausfallen. Doch wie ist dieser Anstieg zu erklären? Ein wichtiger Grund ist die Verknappung der Kapazitäten. Die Zahl der Blank Sailings, also der gestrichenen Schiffsabfahrten, hatte mit Einsetzen der Krise stark zugenommen. Außerdem hatten die Reedereien verschiedene Dienste zusammengelegt: Aus zwei mach eins. Ende Mai war laut dem Branchendienst Alphaliner die Kapazität von 2,7 Millionen TEU ausgelegt - das entsprach 11,6 Prozent der Weltflotte und bedeutete den Höchststand. Mitte Oktober waren es dann nur noch mehr 430.000 TEU, die von den Containerreedereien nicht auf dem Markt angeboten wurden. Mit zur Verknappung des Angebotes beigetragen hat auch die Umrüstung der Containerschiffe mit sogenannten Scrubbern, also Abgasentschwefelungsanlagen, die die Schwefelemissionen in der Schifffahrt senken. Hier sind die Reedereien unterschiedlich weit. Maersk hat laut Alphaliner 30 Prozent seiner Schiffsflotte damit ausgerüstet, Hapag-Lloyd erst zehn Prozent. Somit werden also auch noch im kommenden Jahr immer wieder Schiffe aus dem Markt genommen. China bereits über dem Vorkrisenniveau Aber auch die steigende Nachfrage nach Schiffsraum hat zu dem Anstieg der Frachtraten geführt. Auch deshalb, weil in China die Corona-Pandemie früher überwunden wurde. Das zeigen die Zahlen zum Containerumschlag-Index des RWI (Institut für Wirtschaftsforschung) und des ISL (Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik). Demnach hat der Index für die chinesischen Häfen das Vorkrisenniveau deutlich übertroffen und lag im September bei 129,2 Punkten. Vor der Corona-Krise hatte dieser Wert die 120-Punkte-Marke nicht überschritten. Aber auch in Europa hat die Wirtschaft zuletzt wieder angezogen. Die Menschen reisen weniger, dafür konsumieren sie mehr, weshalb Waren aus Übersee stärker nachgefragt wurden. Davon hat die Seefracht profitiert. Mehr zum Thema finden Sie unter #Seefracht www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Keine auskömmlichen Preise und Überkapazitäten am Markt: eine Situation, die man im Straßengüterverkehr gut kennt und die auch in der Containerschifffahrt lange zu beobachten war. Doch jetzt ist es den Reedereien gelungen, das Blatt zu wenden - und das in der Corona-Krise. Bleiben die Seefrachtraten auf dem hohen Niveau? Wie haben sich die Volumina in diesem Jahr bei Hapag-Lloyd entwickelt? Nach einem ordentlichen Start in das Jahr sind die Transportvolumina im zweiten Quartal durch die COVID-19-Pandemie zunächst deutlich zurückgegangen. Aufgrund fallender Bunkerpreise, Kapazitätsanpassungen und zahlreicher weiterer Kostensenkungsmaßnahmen haben wir das erste Halbjahr jedoch gut abgeschlossen. Im dritten Quartal haben die Transportmengen wieder deutlich zulegen können, insbesondere aufgrund der stärkeren Exporte aus Asien. Zwar lagen die Transportvolumina immer noch um etwa 3 Prozent unter dem Vorjahreswert, und zwar sowohl bezogen auf das dritte Quartal 2020 wie auch auf die ersten neun Monate. Diese Zahlen waren aber dennoch deutlich besser als noch vor einigen Monaten erwartet. Deshalb haben wir unsere Ergebnisprognosen für das Gesamtjahr im Oktober erhöht. Die Frachtraten sind im Laufe des Jahres angestiegen. Bleibt das so? In einigen Fahrtgebieten haben die Frachtraten zugelegt, beispielsweise auf den Transpazifik- oder Fernost-Routen, in anderen hingegen sind sie auf oder unter dem Niveau des Vorjahres. Insgesamt gehen wir bis zum chinesischen Neujahr jedoch zurzeit eher von einer vergleichsweise hohen Nachfrage nach Containertransporten aus, die sich dann auch im Niveau der Frachtraten widerspiegeln sollte. Dazu bei trägt beispielsweise auch der zurzeit starke private Konsum in den USA. Das stimmt uns zunächst vorsichtig optimistisch. Gleichwohl gibt es weiterhin Herausforderungen und nach wie vor viel Unsicherheit für die Logistikbranche mit Blick auf den weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie. Aufgrund der geringeren Nachfrage zu Beginn des Jahres wurden zahlreiche Abfahrten gestrichen. Werden jetzt wieder mehr Schiffe eingesetzt? Grundsätzlich passen wir Kapazitäten regelmäßig an die Nachfrage an. Etwa ein Drittel unserer Transportkapazität und die Hälfte unserer Flotte sind gemietet, wodurch wir hier vergleichsweise flexibel agieren können. Natürlich geben wir bei steigender Nachfrage in einzelnen Fahrtgebieten auch wieder zusätzliche Kapazität in den Markt. Es gilt aber nach wie vor die Devise, dass wir dabei auch profitabel sein möchten und lieber nicht fahren als mit einem halbvollen Containerschiff. Ein konsequentes Kapazitätsmanagement ist und bleibt Teil unserer strategischen Agenda. cdTim Seifert, Sprecher Hapag-Lloyd

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