Erstarkender Süden

Die Adriahäfen Koper und Triest haben ihre Bemühungen Richtung Mitteleuropa intensiviert und treten dort zunehmend als Konkurrenten der Nordrangehäfen auf. Das zeigt die im August erschienene Studie "Aktualisierung der Analyse und Prognose des See- und Hinterlandverkehrs der bremischen Häfen", die das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) im Auftrag von Bremenports erstellt hat. Graz-Verkehre gehen über Koper Im Terminal der steiermärkischen Hauptstadt Graz etwa machen Verkehre mit Koper demnach bereits drei Viertel des Umschlags aus. Die Adriahäfen wickeln zudem die Mehrheit der Transporte von und nach Slowenien, Ungarn und der Slowakei ab. In diesen Ländern verzeichnete Bremerhaven in den letzten Jahren starke Rückgänge, wenngleich von einem niedrigen Ausgangsniveau, stellt die Studie fest. Dennoch habe Bremerhaven sein Hinterlandvolumen im Bahnverkehr mit Österreich seit 2013 erheblich steigern können. "Auch in Bayern sind die Verlader noch pro Nordrangehäfen eingestellt, es mangelt an den Infrastrukturanbindungen zu den Südhäfen. Das kann sich aber ändern, wenn die Gotthard- und Brennerbasistunnel fertig sind", erklärt Studienleiter Burkhard Lemper, Vorsitzender der ISL-Geschäftsführung und Professor im internationalen Studiengang Shipping and Chartering der Hochschule Bremen. Allerdings seien die Südhäfen, anders als ihre großen Geschwister im Norden, nicht ausgelegt auf die ganz großen Containerschiffe. Dennoch: Auch Deutschlands größter Containerhafen Hamburg spürt die Konkurrenz aus dem Süden. "Aber die sehen wir nicht als bedrohlich für uns an, allein schon angesichts der dort verfügbaren Kapazitäten", erklärt Ingo Egloff, Vorstandsmitglied von Hafen Hamburg Marketing (HHM). Zwar verfüge etwa der Hafen Koper noch über Ausbaureserven, diese seien aber begrenzt, weil der Standort von Bergen umgeben ist. Aus diesem Grund gebe es auch keine landseitige Verbindung zum nur 18 Kilometer Luftlinie entfernten Hafen Triest in Italien. Nord- und Südhäfen im Austausch Zu den Hafenkollegen in Koper, Triest und Venedig pflegen die Hamburger grundsätzlich gute Kontakte. Man treffe sich alle zwei Jahre zum Austausch. Marktstrategische Überschneidungen sieht Egloff in Österreich und Ungarn: "Koper ist hier einfach näher dran. Durch Österreich geht daher schon heute eine Linie: Ein Teil der Container geht über die Nordhäfen, ein anderer über Slowenien", berichtet der HHM-Vorstand. Hamburg bleibe aber der größte Containerhafen für Österreich, ist er überzeugt. Als wichtigsten Wettbewerbsvorteil sieht Egloff, dass der norddeutsche Hafen 95 Prozent der Containerverkehre in dem Alpenland über die Schiene abwickle - das sei ein zunehmend wichtiges Argument für die Kunden, vor allem im Hinblick auf Umweltaspekte. Trotzdem hat inzwischen auch ein bekanntes Hamburger Logistikunternehmen die Chancen gewittert, die sich an den Südhäfen bieten: Im September verkündete die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), per Januar 2021 die Mehrheit am Multifunktions-Terminal "Piattaforma Logistica Trieste" (PLT) im Seehafen Triest zu übernehmen. "Die Adria-Region hat sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt. Als nördlichster Hafen im Mittelmeer ist Triest das südliche Tor für Zentral- und Osteuropa", erklärt HHLA-Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath. "Der Terminal eröffnet uns die Möglichkeit, an sich verändernden Ladungsströmen zu partizipieren und diese mitzugestalten", so die Managerin. Francesco Parisi, Vorstandsvorsitzender der PLT, ergänzt: "Unsere Strategie in Richtung Mittel- und Osteuropa passt zur Ausrichtung der HHLA." Ausbaupläne: HHLA investiert in Triest Derzeit verfügt der PLT-Terminal in der Freihafenzone von Triest über 28 Hektar Fläche. Im Norden werden vorrangig Stückgutverkehre abgefertigt und logistische Dienstleistungen erbracht. Im Süden entsteht ein neues Areal für den Container- und RoRo-Umschlag, das Anfang 2021 in Betrieb gehen soll. Die Kapazität des PLT-Terminals umfasst dann 300.000 TEU (Standardcontainer), 90.000 RoRo-Units und 700.000 Tonnen General Cargo. Durch Flächenerweiterungen lässt sich die Terminalkapazität noch ausbauen. Auch im Hinterlandverkehr sieht die HHLA Entwicklungsmöglichkeiten. Denn der Terminal verfügt über einen Bahnanschluss. Zudem verbindet die HHLA-Bahntochter Metrans den Hafen mit ihrem europäischen Intermodal-Netzwerk. Aus Sicht von Experten liegt genau hier der Hase im Pfeffer: Entscheidend für den Erfolg aller Seehäfen ist demnach immer deren Hinterlandanbindung. Forscher feilen bereits an neuartigen Systemen für die Containerumfuhr und -abfuhr in Seehäfen, die anders als bei der Eisenbahn keine Zugbildung mehr erfordern. Die Rede ist von der kurz vor der Einsatzreife stehenden Magnetschwebebahn "Transport System Bögl" (TSB) des Bauunternehmens Max Bögl. Mit diesem fahrerlosen System lassen sich pro Tag rund 4000 Container bewegen, verspricht der Hersteller. Das TSB schafft demnach eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h und Steigungen bis zu zehn Prozent. Ein Fan dieser Technologie ist Karl Fischer, Geschäftsführer der Unternehmensberatung LKZ Prien mit Sitz am Chiemsee. Er kann sich gut vorstellen, dass solche Innovationen den Südhäfen zusätzliches Wachstum bescheren können. Auch rechnet er durch die Corona-Krise mit einem Rückgang beim globalen Container- und einem Zuwachs beim innereuropäischen RoRo-Verkehr. Dafür entwickelte sein Team im Projekt "Future Trailer for road and rail" neuartige Sattelanhänger, die sich flexibel sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene einsetzen lassen. Plan B für redundante Lieferketten Flexibilität sei angesichts sich stark verändernder Lieferströme ohnehin derzeit das Zauberwort: "Die Dominanz der Nordhäfen ist historisch gewachsen in einer Zeit, in der die USA der wichtigste Handelspartner Europas waren. Inzwischen wurden sie von China abgelöst - schon aufgrund ihrer geografischen Lage sind die Südhäfen als zweites Standbein für Verlader nun interessant", ist Fischer überzeugt. Er ergänzt: "Infolge der Corona-Krise spielen redundante Lieferketten in der Zukunft eine wichtige Rolle." Als Plan B dürften die Südhäfen zumindest im Alpenraum künftig an Bedeutung gewinnen, ist sich der LKZ-Chef sicher. In Kürze Wenn die großen Bahntunnel am Gotthard und am Brenner fertiggestellt sind, könnte ihre Stunde schlagen: Schon heute wächst der Konkurrenzdruck, den die Südhäfen auf ihre großen Verwandten im Norden ausüben. Zwar noch auf niedrigem Niveau, doch Experten erwarten hier durchaus eine Verlagerung im Wettbewerb. Online - Marktanteile im Hinterland Verschiebungen im Wettbewerb unter den europäischen Containerhäfen, auch an der Südrange, zeigt die Studie "Aktualisierung der Analyse und Prognose des See- und Hinterlandverkehrs der bremischen Häfen", die das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) für Bremenports erstellt hat. Erstmals integriert das ISL-Containerverkehrsmodell auch die Häfen Koper und Triest. Eine Karte mit den Marktanteilen aller Häfen für ausgewählte Hinterlandterminals (Basisjahr 2018) finden Sie auf VRplus, dem digitalen Angebot für VerkehrsRundschau-Abonnenten. akw www.verkehrsrundschau.de/plus/seefracht

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