Weiterbildung in der digitalen Welt

Seit April 2016 arbeiten 24plus und Online Systemlogistik an einem Konzept zur Fusion. Als Erstes haben die beiden Stückgutkooperationen ihre Bildungswerke zur 24plusOnline-Academy zusammengeschlossen. "Wir werden ein Schulungsprogramm entwickeln, das die insgesamt 146 Partner auf das Zusammenwachsen vorbereitet", versichert 24plus-Geschäftsführer Peter Baumann. Wenn möglich soll die neue Akademie online weiterbilden. Heute bereits können sich interessierte Mitarbeiter zu wichtigen Themen wie Zollrecht, Preisanpassungen oder Zeitmanagement per Electronic Learning (E-Learning) weiterbilden und müssen nicht mehr zu Präsenzveranstaltungen anreisen. Für Baumann bietet dieses Lernen am PC zahlreiche Vorteile. "Die Teilnehmer können unter Berücksichtigung ihrer Arbeitszeiten, Lebensgewohnheiten oder dem des eigenen Biorhythmus selbst entscheiden, wann sie die Lektionen eines Lernprogramms abrufen", sagt er. Da zudem keine Reisekosten an- und weniger Arbeitszeiten ausfallen, haben die Partnerbetriebe laut Baumann einen zusätzlichen Anreiz, ihre Mitarbeiter "permanent" weiterzubilden. An Präsenzseminaren, zum Beispiel Umgang mit Kundenreklamationen und telefonische Akquisition von Neukunden, will der 24plus-Geschäftsführer aber auch in Zukunft festhalten. "Auf solchen Veranstaltungen können Teilnehmer anhand von Fallbeispielen lernen, vor allem aber gemeinsam Lösungen entwickeln." Erst im Kommen: digitaler Lehrstoff Mit diesem Weiterbildungsangebot gehört 24plus im Speditionsgewerbe zu den wenigen Vorreitern beim E-Learning. Denn im Gegensatz zu manchen anderen Branchen ist Weiterbildung über elektronische und digitale Medien in der Logistikwelt noch wenig verbreitet. Mit Lernangeboten sind hier lediglich vor allem Hochschulen aufgefallen. So lernen Logistikstudenten in Dortmund, Magdeburg und anderen Uni-Städten wichtige Inhalte auf elektronischen Plattformen. Die Deutsche Außenhandels- und Verkehrsakademie DAV, die Bildungswerke des DSLV und viele andere branchenbekannte Weiterbildungsinstitute halten sich mit solchen Lösungen dagegen noch zurück. Bislang bieten sie ausschließlich Seminare und Kurse mit Präsenzunterricht. "Unsere Kunden haben noch nicht nach digitalem Lehrstoff nachgefragt", heißt es etwa bei der DAV. Allenfalls für einzelne Themen und Abschlüsse gibt es bislang E-Learning-Angebote: Auf der neuen Plattform Semigator können sich Mitarbeiter zum Fachwirt für Güterverkehr und Logistik (früher Verkehrsfachwirt) qualifizieren. Die TÜV Akademien Rheinland und Süd bilden Logistiker online in Qualitätsmanagement und Arbeitssicherheit weiter. Die Dekra Akademie bietet seit Herbst 2015 eine Weiterbildung zum Logistikmeister IHK im elektronischen Selbststudium an. Auch für die Ausbildungsberufe Fachlagerist und Fachkraft für Lagerlogistik hat die Akademie E-Learning-Module konzipiert. Manches Branchenunternehmen investiert sogar in eigene elektronische Lehrstoffe. Außer den Branchengrößen wie DB Schenker, Dachser und Kühne + Nagel haben dies Mittelständler wie Hoyer Group und Meyer Logistik getan. Meyer Logistik schult zum Beispiel seit 2014 seine Lkw-Fahrer mit einem elektronischen Programm, das wie ein Computer-Spiel konzipiert ist (siehe Kasten Seite 32). Hoyer in Hamburg hatte ebenfalls in 2014 mit webgestützter Weiterbildung für Gefahrgut begonnen. Heute schult die Spedition ihre Mitarbeiter zudem in Ladungssicherung, Zielvereinbarungen und sechs weiteren Themen online. "Für Stoff, der immer wieder gelernt werden muss, ist E- Learning die bessere Alternative", sagt Judith Berner, Personalleiterin von Hoyer. Die Mitarbeiter sollen sich dann weiterbilden, wann immer sie dies für nötig halten und Zeit haben. Sie wählen sich über ihre Zugangsdaten in den Online-Kurs ein und rufen die gewünschten Inhalte ab. "Für Online-Trainings spricht zudem die Reichweite", ergänzt sie. Alle Mitarbeiter in den weltweit 115 Ländern mit Hoyer-Präsenz können auf die Inhalte zugreifen, die Spedition spart sich so enorme Kosten für Präsenzseminare und Reisespesen. Der Königsweg in der Weiterbildung Für alle Themen, die weiterhin nur einmal gelernt werden, will Hoyer auch in Zukunft Präsenzseminare organisieren. Andere Logistikbetriebe gehen da weiter. So bietet Dachser 30 E-Trainings für unterschiedliche Themen an. Das Spektrum reicht von Kontraktlogistikprozessen aller Art über neue gesetzliche Vorgaben für Good Distribution Practice GDP und Gefahrgut bis zu Spezialthemen wie Temperatur- und Hygienemanagement, Lagertopografie und Artikelstammverwaltung. Viele Inhalte werden im sogenannten Blended Learning-Verfahren unterrichtet, das E-Learning mit Präsenzunterricht verknüpft. Für Matthias Büttner ist dieser integrierte Ansatz der "Königsweg" in der künftigen Weiterbildung. "Vor allem für die Vermittlung von komplexen Inhalten etwa in der Kontraktlogistik ist Blended Learning hervorragend geeignet", betont der Leiter der Dachser Akademie. Mit E-Learning bringen sich die Teilnehmer einer Weiterbildung auf einen einheitlichen Wissensstand. Anschließend trainieren sie auf Präsenzterminen das Gelernte in der Praxis und tauschen sich mit Kollegen über deren Erfahrungen aus. "Für viele Kurse setzen wir außerdem Tutoren ein", sagt Büttner. Sie begleiten den Mitarbeiter beim digitalen Lernen und stehen jederzeit für Rückfragen per E-Mail, SMS oder Messenger zur Verfügung. Auch bei den Präsenzterminen sind die Tutoren anwesend. Häufig handelt es sich um Kollegen mit mehrjähriger Berufserfahrung und guten Online-Kenntnissen. Für die Weiterbildung von gewerblichen Mitarbeitern setzt Dachser gerne die Qualitätsbeauftragten der jeweiligen Niederlassungen ein. Nach wie vor nötig: Präsenzunterricht Marktkenner bescheinigen Dachser, mit diesem Angebot den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. "Mit reinem E-Learning allein können viele Inhalte nicht nachhaltig vermittelt werden", räumt E-Learning-Expertin Nina Moeller von GlobalGate ein (siehe Kasten Seite 30). "Viele Mitarbeiter wollen wissen, wie sie das gerade Gelernte in der Praxis umsetzen können." An einem ergänzenden Präsenzunterricht führt daher oft kein Weg vorbei. Wenn aber für Blended-Learning meist unternehmenskundige Tutoren benötigt werden, sind solche Konzepte nur als Inhouse-Weiterbildung zu realisieren. Experten raten daher, möglichst viel Stoff fürs E-Learning aufzubereiten. An branchenkundigen Dienstleistern wie GlobalGate, Core Competence oder Net-Dimensions herrscht kein Mangel. Sie werben damit, dass sie trockenen Lehrstoff effizient aufbereiten. "In 90 Minuten E-Learning kann ein Mitarbeiter genauso viel lernen wie in einem Tag Präsenzunterricht", versichert Christian Müller, stellvertretender Vorstandschef von Core Competence. Allerdings kostet ein einzelnes E-Learning-Programm mindestens einen hohen fünfstelligen Euro-Betrag. Kein Wunder, dass bislang vor allem Branchenfirmen mit vielen Mitarbeitern in die digitale Weiterbildung investiert haben. Mittlerweile gibt es aber erste standardisierte Weiterbildungsangebote, die jedes Unternehmen nutzen kann. Ein gutes Beispiel ist das Online-Seminar "Logistik für Nichtlogistiker", das GlobalGate auf dem vergangenen Deutschen Logistikkongress in Berlin vorgestellt hat. In fünf Modulen führt dieses Online-Seminar neue Mitarbeiter in ihre künftige Berufswelt ein. Jedes Modul enthält rund zehn Kapitel, die jeweils zehn Minuten dauern. "Der Kollege kann die Inhalte im Arbeitsplatz-PC oder unterwegs im Tablet oder Smartphone aufrufen und immer über die Dauer seines E-Learnings bestimmen", sagt Nina Moeller von GlobalGate. Innerhalb einer Woche weiß er über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Logistik, ihre wichtigsten Arbeitsfelder und kommende Herausforderungen wie Digitalisierung Bescheid. Eine Moderatorin informiert darüber mit Videos, Infografiken, Audiodateien und anderen Formaten und stellt Fragen. "Der Nutzer kann die Weiterbildung nur mit einer Antwort fortsetzen", sagt Moeller. "Er lernt dann am meisten, wenn er sich aktiv beteiligt". Rund ein halbes Dutzend Logistikunternehmen weisen mit diesen knapp sechseinhalb Stunden langen Inhalten neue Mitarbeiter ein. Zudem haben einzelne Personen, die in der Logistikbranche einen neuen Arbeitsplatz angetreten haben, das Global Gate-Produkt bestellt. Mehr zum Thema im Dossier Aus- und Weiterbildung www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Tipps E-Learning So klappt die Weiterbildung via E-Learning Prinzipiell kann jeder Lehrstoff per E-Learning vermittelt werden. Für Inhalte, die vom Erfahrungsaustausch mit Dozenten und anderen Teilnehmern leben, sind Blended Learning-Konzepte sinnvoll. Hier wird E-Learning mit Präsenzterminen kombiniert. Auch bei Studiengängen, die sich über mehrere Wochen oder Monate hinziehen, hat sich ein abschließender Präsenzunterricht zur Vertiefung bewährt.- Prüfen Sie die betrieblichen Voraussetzungen. E-Learning rechnet sich vor allem für Unternehmen, welche viele Standorte mit hohen Mitarbeiterzahlen haben. Am meisten motiviert sind erfahrungsgemäß Beschäftigte mit Kindern.- E-Learning ist nur mit selbstständigen Mitarbeitern möglich, die sich aus eigenem Antrieb weiterbilden. Bereiten Sie die Beschäftigten mit persönlichen Ansprachen auf die Umstellung vor. Prüfen Sie Bonussysteme für die Motivation.- Setzen Sie erfahrene Mitarbeiter mit guten Online-Kenntnissen als Tutoren ein. Viele Mitarbeiter freuen sich über ständige Ansprechpartner während ihres E-Learnings.- Sorgen Sie vor allem im gewerblichen Bereich für ausreichend PC, möglichst aufgestellt in abgetrennten Räumen. Die Mitarbeiter können sich dann auch während Leerzeiten weiterbilden. bot Praxislösung Meyer Logistik "E-Learning braucht einen Schuss Entertainment" Stolz spricht Meyer Logistik von "Adventure-Based-Learning". Rund 650 der insgesamt 1600 Fahrer haben mit dem E-Learning-Angebot des Lebensmittellogistikers ihr fahrerisches Können bereits verbessert, Tendenz weiter steigend. Für neu eingestellte Mitarbeiter ist die Teilnahme Pflicht. "Wir locken unsere Mitarbeiter mit einem Punktesystem", sagt Fuhrparkchef Björn Gersch. Wer teilnimmt, erhält schneller Sonderzahlungen und andere Vergünstigungen. "Berufskraftfahrer sind nicht sonderlich IT-affin", fährt Gersch fort. "Unser E-Learning-Produkt nimmt deshalb Anleihen bei Computer-Spielen."Die Fahrer selbst werden immer zum Mitmachen aufgefordert. So müssen sie am Bildschirm einen digitalen Tacho einrichten oder einen Kühlkoffer effizient beladen. "Ein virtueller Coach teilt sofort mit, ob die Lösung richtig oder falsch ist", sagt Christian Müller von Core Competence. Der Unterföhringer Weiterbildungsspezialist hat dieses E-Training mit "einfachen Erklärfilmen" (Müller) konzipiert. "Wir vermitteln ernste Inhalte mit einem Augenzwinkern", sagt er. Wenn der Nutzer beispielsweise Sicherheitsaufgaben erfolgreich gelöst hat, darf er sich mit einem virtuellen Sheriff-Stern schmücken. "E-Learning braucht einen Schuss Entertainment", sagt Müller. Das sehen offenbar auch einige Lieferanten von Meyer Logistik so. Rohr Nutzfahrzeuge und Bär Cargolift ließen jetzt zwei Zusatzmodule produzieren, in denen der optimale Umgang mit ihren Produkten erläutert wird. bot

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