Moskau. An der weißrussisch-russischen Grenze werden Lastwagen erneut vom Zoll überprüft – drei Jahre, nachdem im Rahmen der Zollunion die Kontrollen abgeschafft wurden. Ursache ist ein eskalierender Streit um die Umgehung der russischen Lebensmittel-Importsanktionen.
Der weißrussische Zoll hat Ende letzter Woche die Kontrollen an der Grenze wieder aufgenommen – und zwar sowohl von PKW wie auch von LKW. Anfangs war von einem „Monitoring“ die Rede, inzwischen berichten russische Medien jedoch von einer Kontrolle aller Fahrzeuge in beiden Richtungen und vermelden „kilometerlange Rückstaus“. Nach Darstellung weißrussischer Offizieller würden die Überprüfungen nur zehn Minuten pro Fahrzeug in Anspruch nehmen. Auch würden sämtliche Lastwagen, die beladen aus dem russischen Gebiet Kaliningrad kommen und Weißrussland im Transit durchqueren wollen, auf einem Sammelparkplatz für drei bis vier Tage festgehalten, berichtet die Zeitung „Wedomosti“.
Auch auf russischer Seite wird kontrolliert
Auch auf russischer Seite wird zumindest stichprobenartig wieder kontrolliert – auch wenn der russische Zoll am Montag beteuerte, keine Kontrollen vorzunehmen. Russlands Landwirtschafts- und Veterinärbehörde RosSelChosNadsor teilte jedoch bereits am 2. Dezember mit, mehrfach den Import von Obst mit gefälschten Herkunftsnachweisen aus Weißrussland „verhindert“ zu haben. Wie die Moskauer Zeitung „Kommersant“ heute berichtet, verfügt die Agrarbehörde aber eigentlich nicht über die Vollmacht, an der Grenze Fahrzeuge stoppen zu dürfen. Faktisch müsse deshalb auch auf russischer Seite zumindest von einer stichprobenhaften Wiederaufnahme der Kontrollen ausgegangen werden.
Der Zeitung zufolge ist durch den erneuten Aufzug der Kontrollorgane beiderseits der Grenze „die größte Errungenschaft der eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft in Frage gestellt“: Im Herbst 2010 wurden die Zollkontrollen an der russisch-weißrussischen Grenze abgeschafft, im Sommer 2011 jene an der Grenze zwischen Russland und Kasachstan. Die faktische Wiedereinführung von Kontrollen trifft die Zollunion just vor einer zum Jahreswechsel anstehenden Erweiterung um Armenien und Kirgistan.
Ursache ist Streit um Lebensmittelimporte
Die Probleme sind die Folge der Eskalation eines Streites um die von Russland im Ukraine-Konflikt als Gegensanktion verhängten Importverbote für zahlreiche Lebensmittel aus den EU-Staaten, den USA, Kanada, Australien und Norwegen: Russland wirft Weißrussland vor, entgegen seiner Zusagen das Embargo zu unterlaufen, indem große Mengen westlicher Lebensmittel als eigene Produktion oder Waren aus nicht betroffenen Drittländern deklariert würden. So ist in russischen Geschäften jetzt sehr viel angeblich aus Weißrussland kommender Lachs im Angebot.
Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko beteuert hingegen, sein Land würde nur verstärkt Lebensmittel-Grundstoffe importieren, um diese nach ihrer Verarbeitung legal nach Russland zu verkaufen. Ein zweiter Streitpunkt ist nach russischer Darstellung der Missbrauch von Transitfrachten, vor allem von Weißrussland nach Kasachstan: Viele eigentlich dem Embargo unterliegenden EU-Lebensmittel, die auf diese Weise dennoch nach Russland eingeführt werden, kämen in Kasachstan nicht an. Zehn Prozent der weißrussischen Exporte in Richtung Russland seien auf diese Weise illegal, so RosSelChosNadsor.
Russland reagierte darauf bereits Ende November mit einem Transitverbot für weißrussische Versender sowie einem Importverbot für die Waren von 22 weißrussischen Fleischproduzenten: Angeblich seien in deren Waren Krankheitserreger und sogar das Genom des Erregers der afrikanischen Schweinepest gefunden worden. Weißrussland verliert damit einen Markt von etwa 300 Mio. Dollar im Jahr.
Lukaschenko kritisierte daraufhin das russische Vorgehen in aller Öffentlichkeit als „unanständig“ – und ordnete die Wiedereinführung der Kontrollen auf seiner Seite der Grenze an. Offenbar als Rechtfertigung für das heimische Publikum sind nun die ersten Erfolgsmeldungen des Zolls gedacht: Es seien Versuche der illegalen Einfuhr von Zigaretten, reinem Alkohol, Schmuck und „20 Tonnen russischer Bananen“ verhindert worden, hieß es in Minsk. (ld)