Frankfurt/Main. „Wir sehen hier gerade Fluggesellschaften, die schon lange nicht mehr hier waren.“ Der Leiter des Frachtbereichs am Frankfurter Flughafen, Max Philipp Conrady, und seine Leute haben im Moment alle Hände voll zu tun. Denn während die Corona-Krise den weltweiten Passagierverkehr nahezu zum Erliegen gebracht hat, bricht die reine Frachtfliegerei derzeit Rekorde. Die transportierten Güter werden dringend gebraucht, um Menschen vor den Viren zu schützen und die unterbrochenen Produktionsketten der Industrie wieder in Schwung zu bringen.
Allerdings fehlen der Branche die Transportkapazitäten der Passagierflugzeuge, die zu normalen Zeiten rund 40 Prozent der Frachtmenge schlucken und auch in entlegenere Winkel der Weltwirtschaft fliegen. Weil in Corona-Zeiten im Luftverkehr aber nichts normal ist, zählte Frankfurt in der Woche vor Ostern 610 reine Frachtflüge, rund 200 mehr als im Jahresschnitt 2019. Unter ihnen waren Exoten wie eine Boeing 767 der US-Gesellschaft Amerijet aus Miami sowie jede Menge Passagierjets, die flugs zu Frachtern umfunktioniert worden sind. „20 Tonnen Melonen aus Martinique - das haben wir bislang auch noch nicht geflogen“, berichtet beispielsweise Condor-Sprecherin Magdalena Hauser.
Deutlich höhere Preise wegen knapperem Frachtraum
Ganz ausgeglichen ist die Frachtraumbilanz aber nicht, sodass die aktuell in Frankfurt registrierte Frachtmenge im März 17,4 Prozent unter dem Vorjahreswert lag. Zum Vergleich: Die Passagierzahl ist um 62 Prozent gesunken und aktuell nahe am Nullpunkt. Laut Fraport-Mann Conrady hat die Verknappung des Frachtraums zu deutlich höheren Preisen geführt, die üblicherweise nach Volumengewicht abgerechnet werden und aktuell auf nachgefragten Verbindungen das Drei- bis Vierfache des Vorkrisen-Niveaus erreicht haben.
Das rechnet sich auch für den Fraport-Hauptkunden Lufthansa Cargo AG. Die Logistiktochter des um Staatshilfe bangenden Konzerns hat ihre eigenen Frachtflüge nach Festland-China wieder auf Vorkrisen-Niveau aufgestockt und setzt zusätzlich noch einmal fast die gleiche Kapazität mit derzeit nicht ausgelasteten Passagiermaschinen ein. Diese fliegen auch nach München, während in Wien mehrere Boeings der Tochter Austrian Airlines auf die Frachtreise nach China gehen. Auch am zweitwichtigsten Frachtflughafen Deutschlands in Leipzig/Halle mit dem DHL-Stern sowie in Köln und am Hunsrück-Flughafen Hahn brummt das Geschäft.
Mehr IT-Hardware und weniger Modeartikel
Sehr viel häufiger als sonst haben die in Europa landenden Maschinen Schutzmasken und anderes medizinisches Material sowie Pharmazeutika an Bord, berichtet Fraport. Wegen des Homeoffice-Booms ist zudem die Nachfrage nach IT-Hardware deutlich gestiegen, ganze Charter-Maschinen aus China voll mit Tablets, Handys und anderen Arbeitsmaterialien landen derzeit am umschlagstärksten Frachtflughafen Europas.
Rückgänge gibt es hingegen bei Modeartikeln, die wegen der ohnehin verlorenen Saison aus Asien gar nicht mehr oder nur noch langsam per Schiff verschickt werden. In der Gegenrichtung fehlen laut Frachtbereichsleiter Conrady Maschinenteile und hochwertige Autoteile aus europäischer Produktion, die schon vor der Krise nicht mehr zu den Frachtrennern gehörten.
22 Gesellschaften verwenden Passagierjets für Cargo-Flüge
Die hohen Frachtraten und die globale Flaute im Passagiergeschäft haben dazu geführt, dass aktuell 22 Gesellschaften in Frankfurt ihre Passagierjets für Cargo-Flüge einsetzen. Während bei einigen die Kabine tabu ist, bauen andere wie die Lufthansa gleich die Sitze aus oder stapeln die Kartons auf den mit Schutzfolien ausgelegten Passagierbänken. Das wiederum erfordert schwere Handarbeit, für die aber genügend professionelle Gepäckabfertiger bereit stehen, wie Conrady erzählt.
Der Frankfurter Flughafen ist auch ein wichtiger Umschlagplatz für zahlreiche hochwertige Lebensmittel wie Fisch, Fleisch oder exotische Früchte. Kurzarbeit ist in der Cargo-City daher auch zu Corona-Zeiten weitgehend ein Fremdwort. Es gibt Zusatzschichten, und die Mitarbeiter sind engen Stamm-Teams zugeordnet, damit sie möglichst wenig Kontakt untereinander haben. Im Krankheitsfall soll so der Betrieb aufrechterhalten werden. (dpa/sn)