Vom Lautsprecher zum

Andreas Scheuer sitzt jetzt am Steuer, heißt es seit Anfang des Monats im Bundesverkehrsministerium, als bekannt wurde, dass der 43-jährige CSU-Politiker der neue Dobrindt wird. Die flapsig-freundliche Bemerkung lässt darauf schließen, dass die Ministerialbeamten ihrem neuen Chef mit einem gewissen Wohlwollen begegnen. Schließlich sitzt mit Scheuer seit Langem wieder ein Politiker im Ministerzimmer mit Blick auf die Berliner Invalidenstraße, der etwas von Verkehrspolitik versteht. Denn Scheuer war während der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 Staatssekretär unter Ressortchef Peter Ramsauer (CSU). Bald nach seinem Amtsantritt, also Anfang 2010, fiel der "PSt", wie parlamentarische Staatssekretäre im Politjargon genannt werden, durch eine für Berliner Verhältnisse außergewöhnliche Zusammensetzung eines journalistischen Hintergrundgesprächs auf: Der bayerische Dialekt dominierte die Runde, viele Kollegen aus dem Freistaat, insbesondere aus Scheuers Wahlkreis Passau, lauschten ihrem direkt gewählten Abgeordneten. Die Hauptstadtkorrespondenten rieben sich die Augen. "Ernste Gespräche" mit Autobauern Acht Jahre später haben sich die Verhältnisse grundlegend verändert. Scheuer ist frisch gebackener Bundesminister und damit gefragter Gesprächspartner der überregionalen Medien mit hoher Reichweite. So steht er den Medien zur Verfügung, um erste Akzente zu setzen und wohl auch um sich von seinem Vorgänger Alexander Dobrindt abzusetzen. Diesel-Fahrverbote will er verhindern, eine blaue Plakette lehnt er ab, den Berliner Pannenflughafen BER will er weiterbauen, die Millionen-Abfindung für Ex-Bahnchef Rüdiger Grube missbilligt er ebenso wie die hohen Gehälter im VW-Konzern, die für Dieselbesitzer ein "Schlag ins Gesicht" seien. "Sehr ernste Gespräche" will er mit den Autobauern führen, zu Nachrüstungen der Pkw mit Schummel-Software zwingen, will er sie allerdings nicht. Mit anderen Worten: Der neue Minister bedient zunächst Themen von großer öffentlicher Wirkung. Es war Scheuers erster medialer Aufschlag nach seiner Amtseinführung, andere Themen wie die Entwicklung der Lkw-Maut, insbesondere die Erweiterung der Abgabe ab Mitte Juli auf alle Bundesstraßen, standen nicht zur Diskussion. Die Mautsätze bleiben abhängig vom Ergebnis des neuen Wegekostengutachtens 2018 - 2022, so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Ein dicker Brocken ist für Scheuer die bereits beschlossene Pkw-Maut. Es ist still geworden um das Prestigeprojekt der CSU, vielleicht auch weil sich der Koalitionsvertrag über den Zankapfel ausschweigt. Derzeit sieht sich das Verkehrsministerium nicht in der Lage, einen Termin für die Einführung der "Infrastrukturabgabe" zu nennen. Die Vergabeverfahren seien noch nicht abgeschlossen. Erst im nächsten Jahr wird der europäische Gerichtshof über die Klagen von Österreich und den Niederlanden gegen die Pkw-Maut entscheiden. Er wolle nicht der "Buddy der Autobosse" sein, verspricht Scheuer in bewusster Abgrenzung zu Dobrindt, der allzu oft wie ein medienscheuer Zögling am Gängelband der Konzernlenker gewirkt hat. Aufstieg trotz Niederlage Scheuer hingegen ist alles andere als scheu. Er geht auf Menschen zu, versucht diese für sich einzunehmen ("Hallo, ich bin der Andi"), was mitunter auch etwas aufgesetzt wirkt. Meist freundlich und jovial gibt er sich, der Eindruck eines "Aktenfressers" kommt nicht auf. In den vergangenen vier Jahren hat das CSU-Mitglied (seit 1994) als Generalsekretär seiner Partei gedient und oft deutliche Worte gefunden. Im Windschatten seines Vorsitzenden Horst Seehofer war er stets zur Stelle, um das Profil seiner CSU zu schärfen. Notfalls auch gegen die Schwesterpartei CDU und deren Vorsitzende Angela Merkel. Man kann nicht behaupten, dass Scheuers unermüdliches Wirken von Erfolg gekrönt war. Bei der Bundestagswahl im vergangenen September kam die erfolgsverwöhnte CSU nur auf 38,8 Prozent, ein Absturz von 10,5 Prozent. Schockstarre in der Münchener Parteizentrale. Scheuers Aufstieg stand das niederschmetternde Ergebnis nicht im Weg. In diesen CSU-intern turbulenten Wochen hat Scheuer immer Kurs, das heißt zu Seehofer gehalten. Zu seinem Vorteil, zu Dorothee Bärs Nachteil. Die 39-jährige CSU-Frau blickt auch auf eine vierjährige Lehrzeit als Verkehrs-Staatssekretärin zurück, hatte im parteiinternen Machtkampf aber die schlechteren Karten. Jetzt darf Bär sich mit dem Titel einer "Staatsministerin für Digitalisierung" schmücken - angesiedelt ist sie zwar im Kanzleramt, doch ohne nennenswerten Apparat. Skandal um Doktorarbeit Unbeschadet hat Scheuer vor einigen Jahren auch seine "Doktor-Affäre" überstanden. Als "Doktor Dünnbrettbohrer" musste sich der studierte Politologe 2014 verspotten lassen, als sich herausstellte, dass seine an der Prager Karls Universität vorgelegte Arbeit über "Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns" hiesigen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügte. Er verzichtete danach auf seinen Doktortitel, Seehofer erklärte die Angelegenheit ebenso schnell für erledigt. Wer Scheuer jedoch als politisches Leichtgewicht einstuft, liegt falsch. Seit Ende 2002 gehört er mittlerweile dem Bundestag an, kennt also die Mechanismen der Macht in Regierung und Partei. Die Güterkraftverkehrs- und Logistikbranche ist zufrieden, dass sie künftig mit einem Fachmann verhandeln kann. Denn Scheuer war in seiner Zeit als "PSt" zugleich "Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik"-- so der offizielle Titel. Die neuen Staatssekretäre Unterstützung im Verkehrsministerium Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Führungsriege seines Hauses kurz nach seinem Amtsantritt neu geordnet. Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär seit Oktober 2009, behält seinen Posten. Neu in die Leitungsebene aufgerückt ist Steffen Bilger (CDU), der dem Bundestag und dem Verkehrsausschuss seit 2009 angehört. Dort war er für die Themen Elektromobilität und alternative Antriebe sowie andere Zukunftsfragen wie autonomes Fahren zuständig. Der 39-jährige Jurist ersetzt Norbert Barthle (CDU), der in gleicher Funktion in das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gewechselt ist. Die Stelle der bisherigen Staatssekretärin Dorothee Bär wird nicht wieder besetzt.Zu neuen beamteten Staatssekretären hat Scheuer den bisherigen Leiter der Grundsatzabteilung, Gerhard Schulz, sowie Guido Beermann (beide CDU) berufen, der bereits im Bundesgesundheitsministerium und im Kanzleramt in leitender Funktion tätig war. Der beamtete Staatssekretär Rainer Bomba (CDU) gab nach rund acht Amtsjahren sein Ausscheiden aus dem Ministerium bekannt. Was aus dem bisherigen beamteten Staatssekretär Michael Odenwald wird, ist noch nicht bekannt geworden. Gerüchteweise heißt es, das CDU-Mitglied könne Utz-Hellmuth Felcht als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn nachfolgen.jök

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