Viel mehr als Zahnräder

Für die ZF-Neuheiten, die die Friedrichshafener zur IAA 2016 präsentierten, sollte man besser einen Duden zur Hand haben. Denn ZF bemüht diesmal Worte wie "evasiv" oder "Trajektorie", um die Details der Neuheiten zu erklären. Beginnen wir also bei "evasiv", das im ZF "Innovation Truck" zu finden ist. Nicht nur beim Namen, sondern auch beim Inhalt orientierte man sich an Daimler: Denn das Herzstück des "Innovation Truck" ist der "Evasive Maneuver Assist", sprich der "evasive Fahrmanöver-Assistent". Eingedeutscht findet man im Duden für das Wort "evasiv" die Synonyme "ausweichend" oder "unpräzise", wobei ZF hier sicher Ersteres im Sinn hatte. Automatisch: Warnen, bremsen, lenken Denn um ein Hindernis zu erkennen und ausweichen zu können, braucht es exakte Daten von Radar und Kameras, die wiederum präzise verrechnet werden müssen. Zusammen mit Wabco entwickelte ZF nun ein System, dass ähnlich wie Daimlers Active Brake Assist der vierten Generation einen drohenden Aufprall erkennt und entsprechend reagiert. Dazu spannt ZF das Know-how von Wabco (bei den Bremsen), der noch jungen Tochter TRW (bei der Lenkungshardware) und die eigenen Erfahrungen mit Elektronik und ähnlichen Bausteinen aus dem Pkw-Bereich zusammen. Entsprechend konnte man das Manöver auch mit Pkw und Lkw erleben. Ersterer warnt, bremst und weicht mittlerweile tatsächlich vollautomatisch aus. Doch da Gewicht, Größe und Steuerung des Manövers im Lkw ungleich komplexer sind, braucht es hier (noch) die hütende und manchmal impulsgebende Hand am Steuer, die das Ausweichmanöver einleitet. Doch eines Tages soll auch das vollautomatisch gehen und der schwere Auffahrunfall am Stauende Geschichte sein - sofern seitlich eine Lücke zum Ausweichen bleibt! Reeller sind da Abstandstempomat und Spurhalteassistent. Auf Knopfdruck an die Rampe Ebenfalls Zukunftsmusik, aber im Alltag noch sinnvoller, ist die autonome Einparkfunktion, die auf der Tabletlösung aufsetzt, mit der ZF vor zwei Jahren einen Eurocombi per Fingerwischen reversierte. Jetzt geht das Ganze mit einem zarten Druck aufs Tablet, den der "Fahrer" allerdings beibehalten muss, denn sobald man loslässt, stoppt der Vorgang. Dazu muss die Rampe allerdings mit Kamerasystemen aufgerüstet werden und das Fahrzeug zwei (noch sehr große) Erkennungstafeln am Heck haben: Dann "findet" die Kamera den zu parkenden Zug, der dann sicher zur Rampe geleitet wird. Ein ebenfalls am Betriebshof installierter Computer errechnet die nötige Trajektorie - laut Duden "die Kurve, die sämtliche Kurven einer gegebenen Kurvenschar unter gleichbleibendem Winkel schneidet" - kurz: die optimale Rangierkurve. Absolut geräuschlos würde das mit dem im Testwagen verbauten Hybridmodul funktionieren. Feinfühliger Rangieren und Anfahren Aber auch bei den Standardgetrieben haben die Friedrichshafener nachgelegt und Traxon eine verbesserte Rangiersoftware spendiert, die das Rangieren sowie Auf- und Absatteln noch einfacher macht. Iveco hat außerdem noch den neuen "Kriechmodus" verbaut, der per Tritt auf die Bremse aktiviert wird: Dann lässt sich der Lkw aus Madrid ohne Berühren des Gaspedals rangieren. Für schwere Pick-ups und Transporter ist dagegen die neue Achtgang-Wandlerautomatik Powerline gedacht. Neben weiteren Detailoptimierungen an Getrieben und Lenkungen entwickeln die Friedrichshafener auch ihren elektrifizierten Antrieb weiter, der für rein elektrisch oder im Hybridmodus betriebene Stadtbusse, Lkw oder leichte Lieferfahrzeuge avisiert wird. Für Verteiler-Lkw gedacht ist auch der elektrische Zentralantrieb, der seine maximal 200 Kilowatt und 4200 Newtonmeter durch eine wassergekühlte Asynchron- oder permanenterregte Maschine erhält. Mit der Produktion möchte ZF 2018 beginnen. Aus heutiger Sicht mag das noch in weiter Ferne liegen, doch auch bei ZF gilt die Devise, die kürzlich ein großer Logistikdienstleister ausrief: "Die Frage ist nicht, ob die digitalisierte und elektrifizierte Zukunft kommt, sondern wann". In der Hoffnung, dass man sie auch ohne Duden und ewige Einweisungen verstehen wird! Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Getriebe www.verkehrsrundschau.de/dossiers