Akribie im Detail

Das Motto "Das Beste oder nichts" setzt der Daimler-Konzern beim Lkw immer noch am konsequentesten um: Zur IAA wurden die schweren Baureihen akribisch aufgefrischt und sollen in Sachen Sparsamkeit, Sicherheit und Konnektivität weiter ganz vorn bleiben. Am augenscheinlichsten sind die Fortschritte bei der Sicherheit, wie man live auf einem Vorführgelände demonstrierte: Dort überquert ein Fußgänger die Teststrecke vor dem heranrauschenden Actros, der wie geplant warnt und einen Bremsimpuls gibt: Der neue Active Brake Assist der vierten Generation, kurz "Aba 4", hat funktioniert. Diese automatischen Warn- und Bremsreaktionen der Fußgängererkennung erfolgen bis 50 km/h. Die weiteren Aktionen obliegen dann dem Fahrer, der den Assistenten jederzeit übersteuern kann. Entscheidet er sich jedoch für eine Vollbremsung und steigt zu zaghaft ins Pedal, "überbremst" ihn der Aba 4. Dahinter steckt Radartechnik: Ein Fernbereichsradar kann in direkter Linie Lkw und Hindernisse bis zu 250 Meter weit voraussehen bei einem Winkel von 18 Grad. Der Nahbereichsradar bis 70 Meter Entfernung öffnet dann auf 120 Grad und kann auch Fahrzeuge oder bewegte Fußgänger seitlich vor dem Fahrzeug wahrnehmen. Bis 160 Meter Entfernung sollen auch Zweiräder sicher erkannt werden, ab 80 Meter auch Fußgänger, wobei die Erkennungsqualität leider noch nicht ganz frei von Witterungseinflüssen ist. Angeboten wird das System ab Dezember 2016 zuerst für die linksgelenkten Actros 4x2 und 6x2. Längst überfällig: der Abbiegeassistent Außerdem bringt Daimler endlich den lang erwarteten Abbiegeassistenten in Serie, der Objekte im toten Winkel erkennen und damit die oft tödlichen Rechtsabbiegeunfälle vermeiden helfen kann. Dazu überwacht ein Radar den Raum rechts des Lkw bis auf 3,75 Meter Breite und warnt den Fahrer, sollte sich dort ein Hindernis befinden. Dazu kommt (bis 36 km/h) die Schleppkurvenerkennung des Trailers: Sollte der zu eng einlaufen und so eine Ampel oder ein Schild "mitnehmen", warnt das System ebenfalls, leitet aber im Gegensatz zum Active Brake Assist keine Notbremsung ein. Bei höheren Geschwindigkeiten kann er auch als Spurwechselassistent arbeiten. Zwar ist die Erkennung bis auf 40 Meter Länge und damit theoretisch auch Eurocombis ausgelegt, zum Start gibt man bei Daimler aber nur die Standard-Sattel- und Gliederzuglängen frei, sprich 18,75 Meter plus zwei Meter vor und einen Meter hinter dem Anhängerende. Bei der Parametrierung werden verschiedene Lkw-Radstände ebenso berücksichtigt wie Satteloder Deichselanhänger und deren Nachlauf. Außerdem agiert das System selbstlernend: Wenn zum Beispiel beim Abbiegen der Trailer in den Sichtbereich des Radars läuft, kann der Abbiegeassistent sich an ein geändertes Knickverhalten anpassen, das beispielsweise durch einen Trailertausch erfolgt ist. Am besten funktioniert das mit Trailern, die eine Canbus-Schnittstelle haben, prinzipiell erkennt das System aber auch die Schleppkurven anderer Anhänger. Über die Radarsensorik wird auch das Knickverhalten eines Gliederzuges erkannt. Etwas zurückhaltend äußert sich Daimler zu den Preisen und möglichen Boni bei den Versicherungen: In der Tat sei man mit Assekuranzen von acht EU-Märkten im Gespräch, die auch Rabatte einräumten - eindeutige Aussagen dazu machte man jedoch nicht. Die Kosten für die Sicherheitshelfer starten bei rund 5500 Euro, wer das komplette Paket mit Retarder und Airbag ordert, kommt auf 12.000 bis 15.000 Euro. Eine komplett neue Zahnradfertigung Deutlich mehr Arbeit erforderte die Effizienz: Nach dem OM 471 nahm man sich den OM 470 vor, der jetzt in einer neuen Topversion bis zu 456 PS leistet, wodurch Daimler jetzt auch in der populären 460-PS-Klasse mit dem "kleinen" 10,7-Liter antritt. Er stellt 2200 Newtonmeter zwischen 900 und 1400 Touren bereit. Für mehr Effizienz sorgen neben dem neuen Getriebesetup eine von 17,5 auf 18,5 erhöhte Verdichtung und ebenso erhöhte Einspritzdrücke, die im Rail von 900 auf 1100 bar stiegen, sodass am Injektor jetzt 2700 bar anliegen. Dazu kommt eine neue Brennraumform samt omegaförmiger Mulde. Auch den eigenen Turbo "made in Mannheim" entschlackte man und nahm ihm sämtliche Steuerelemente ab. Stattdessen wird der Motor komplett elektronisch vorgesteuert betrieben. Ebenso akribisch fielen die Modifikationen an Powershift 3 aus. Man investierte in eine komplett neue Zahnradfertigungslinie, um die Reibverluste an den Zahnrädern der Vorschaltgruppe, die immer im Eingriff sind, weiter zu reduzieren. Die optimierten Flanken kann man sogar fühlen. Und weil man schon dabei war, änderte man auch gleich die Ölbohrungen und Leitrippen. Wie Iveco zuletzt beim Eurocargo stellte man auf ein neues synthetisches Getriebeöl um, von dem man jetzt nur noch acht statt elf Liter braucht, was auch Gewicht und Panschverluste reduziert. Bei der Nachschaltgruppe stellte man von Synchronisierung auf Klauen um, was ebenfalls die Effizienz erhöht. Den beim Schalten nötigen Zwischengasstoß regelt die Elektronik. So will Daimler die Reibungsverluste um weitere 50 Prozent reduziert haben, die Getriebeölwechselintervalle blieben bei 600.000 Kilometern. Auch die Programmierung ging man noch mal an, verlegte Schaltpunkte und verlängerte Rollmodi im PPC. Außerdem reduzierten die Ingenieure den Kraftbedarf der elektronisch geregelten Lenkhilfspumpe von einst 700 auf jetzt noch 70 Watt und lassen den Generator jetzt bedarfsabhängig 24 bis 30 Volt bereitstellen, wo früher stur 28,3 Volt geliefert wurden. Außerdem kommuniziert er mit dem Neigungswinkelsensor, der die Batterie nach Möglichkeit bergauf "liefern" und bergab laden lässt. Auch die Designer legten noch mal nach: Sie holten mit neuen vorderen Spoilerecken ein paar Zehntel Sprit. Gelungener Test mit Turboladerschaden Reine Software ist das Upgrade von Fleet-Board zu Uptime: Hier agiert der Lkw als Datensender und kann Servicebedarf, kleinere Macken oder einen drohenden Ausfall selbst an die Werkstatt melden. Die ruft dann beim Unternehmer an und bereitet auf dessen Wunsch alle nötigen Maßnahmen vor. Im Feld testete das System unter anderem Bay-Logistik. Geschäftsführer Michael Schaaf durfte das Funktionieren des Services an einem Turboladerschaden "erfahren" und musste feststellen, dass Uptime vor allem Fahrer und Dispo massiv entspannt! Mehr zum Thema finden Sie unter "Mercedes-Benz" www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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