Berlin. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hat angesichts der Turbulenzen an den Börsen schärfere Reglementierungen für die Kapitalmärkte gefordert. „Zwingend notwendig ist es, die Staaten aus der Geiselhaft der Finanzmärkte zu befreien und entschiedener zu re-regulieren", sagte Bsirske in einem Gespräch mit der „Deutschen Presseagentur" in Berlin. Die Regierungen müssten zur Beruhigung der Märkte „starke Akzente" setzen, auch gegen „viele Widerstände und Vorbehalte".
Um Länder wie Portugal, Spanien oder Italien angesichts der „Spekulationsattacken" zu stabilisieren, sind nach Bsirskes Überzeugung Hilfen nach Art eines Marshallplans erforderlich. „Wenn jetzt die Eurokrise auch auf Spanien oder gar Italien übergreifen würde, wäre alles, was wir in Griechenland erlebt haben, ein Fliegenschiss."
Nach der Finanzkrise von 2008 warf er den Regierungen halbherziges Handeln gegen die Spekulanten vor: „Nichts dazugelernt, das Kasino nicht geschlossen, die Re-Regulierung nicht in dem erforderlichen Maße vorangebracht. Und das in einer Situation, in der sich zeigt, dass die Krise nicht vorbei ist, sondern nur in eine neue Etappe eingetreten ist."
Die Stabilisierung der Euro-Zone ist nach seinen Worten für Deutschland von elementarer Bedeutung. „Wenn es in der Eurozone kracht, ist das für die deutsche Volkswirtschaft hochgefährlich." „Es macht sehr viel Sinn, dass Eurobonds ausgegeben werden und der Euro stabilisiert wird."
Verschärft worden seien die aktuellen Verwerfungen vom zögerlichen Handeln der Politiker nach dem - vor allem von der Bundesregierung propagierten - Motto, es könne sich „jeder Staat selbst aus der Finanzkrise heraussparen". Es sei offenkundig, dass Volkswirtschaften wie Griechenland „mit einer Politik des Strafens statt Helfens in die Krise nur weiter hineingetrieben werden", sagte Bsirske.
Eine Verschärfung des Stabilitätspaktes oder gar einen Export der deutschen Schuldenbremse lehnte er entschieden ab. „Was da als Schuldenkrise von Staaten erscheint, stellt sich bei näherem Hinsehen als Krise des Steuerstaates dar." Selbst Deutschland leiste sich „den Luxus, seine Vermögenden steuerlich zu privilegieren, um sich dann das, was zur Bewältigung der staatlichen Aufgaben fehlt, von diesen gegen teure Zinsen zu leihen", kritisierte der Verdi-Chef.
Bsirske warb für „mehr Europa, aber anders". Man müsse wegkommen von immer mehr Deregulierung und einer EU, in der Staaten über Lohn-, Steuer- und Sozialdumping gegeneinander konkurrieren. „Wir brauchen zwingend den Schritt von der Währungs- zur Fiskalunion in die politische Union. Aber die muss anders ausgerichtet sein, als unter den Vorzeichen des Neoliberalismus", sagte der Chef der zweitgrößten deutschen Einzelgewerkschaft. Er hofft, dass dabei die aktuell „dramatische Entwicklung als Katalysator wirkt". (dpa)