München. Die ersten Reaktionen zu dem Wegekostengutachten seitens der Transport-, Speditions- und Logistikverbände fielen noch gemäßigt aus. Doch jetzt, zwei Wochen nach Veröffentlichung des Gutachtens und nachdem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den Entwurf zum neuen Mautgesetz den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt hat, zeigen sich die Verbände alles andere als zufrieden. Das geht aus internen Schreiben hervor, die der VerkehrsRundschau vorliegen.
Kabinett will am 23. Mai 2018 über das Mautgesetz entscheiden
Es gibt gleich mehrere Punkte, die bei den Verbänden sauer aufstoßen. Da ist zum einen das Procedere: Der Entwurf des Gesetzes ging den Verbänden am Freitag, 27. April, gegen 18.00 Uhr zu. In dem Begleitschreiben des Bundesverkehrsministeriums (BMVI), das der VerkehrsRundschau genauso vorliegt wie der Gesetzentwurf, heißt es, dass um eine Stellungnahme „bis zum Mittwoch, 2. Mai 2018 Dienstschluss“ gebeten wird. Als Begründung für die enge Terminsetzung wird der vorgesehene Kabinetttermin am 23. Mai 2018 genannt.
Einnahmen aus der Maut steigen um 64 Prozent
In dem Gesetzentwurf des BMVI heißt es weiter, dass „die Aktualisierung der Mautsätze sowie die Anlastung der Lärmbelastungskosten zu einer kostenseitigen Belastung von Unternehmen, die Güterverkehr betreiben, in Höhe von ca. 1,04 Milliarden Euro pro Jahr“ führen. Dazu kommen die Einnahmen aus der Ausweitung der Maut auf alle Bundesstraßen, so dass der Bund ab 2019 drei Milliarden Euro mehr einnimmt. Im Vergleich zu den bisherigen Einnahmen (2017: 4,66 Milliarden Euro) zahlt das Transportgewerbe also ab kommenden Jahr 64 Prozent mehr an Maut.
In der Stellungnahme des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV ) an das BMVI, die der VerkehrsRundschau vorliegt, schreibt der Verband, dass eine Frist von zwei Werktagen (davon ein „Brückentag“) nicht ausreichend sei für eine Erörterung des „bedeutenden Gesetzesvorhaben“ und eine Meinungsbildung in den Gremien. Daher bezeichnet der DSLV seine Ausführungen auch als „vorläufig“.
Hat das Bundesverkehrsministerium kein Interesse an den Stellungnahmen der Verbände?
Für Verdruss sorgt zudem, dass das für den 23. April terminierte Verbändegespräch zur Erläuterung des Wegekostengutachtens vom BMVI abgesagt wurde. Daher kritisiert der DSLV das gesamte Verfahren zur Anhörung „nicht den Anforderungen an eine ordentliche Verbändeanhörung“ entsprechend. Und der Hauptgeschäftsführer des DSLV, Frank Huster, der die Stellungnahme unterzeichnet hat, geht in dem Schreiben noch weiter: „ Das Verfahren erweckt auch nicht den Eindruck, dass das BMVI an einer fundierten Stellungnahme der Verbände tatsächlich interessiert ist.“
Der DSLV steht mit dieser Kritik nicht allein da. Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) wird in einem Rundschreiben an seine Mitglieder ebenfalls deutlich. Darin heißt es, dass eine Frist zur Stellungnahmen von „noch nicht mal zwei Arbeitstagen“ nicht adäquat sei. „Wir werten dies als nicht vorhandenes Interesse an einer fundierten Stellungnahme der Verbände“, zieht der BWVL ähnliche Rückschlüsse aus dem Procedere wie der DSLV.
DSLV fordert, kleine Lkw und Busse noch 2019 in eine Nutzerfinanzierung einzubeziehen
Aber es ist nicht nur das Verfahren, mit dem die Verbände nicht einverstanden sind. Auch an den Inhalten des Gesetzentwurfs lassen sie kein gutes Haar. So bemängelte der DSLV dass auch die sauberste Schadstoffklasse Euro-6 mit einem Teilmautsatz für externe Kosten der Luftverschmutzung in Höhe von 1,1 Cent pro Fahrzeugkilometer belastet werde. Dies sei „völlig ungerechtfertigt“. Scheuers Vorschlag, Elektro-Lkw von der Maut befreien zu lassen, bezeichnet der DSLV als „Symbolpolitik“, weil diese Fahrzeuge nicht mal in Kleinserienmengen zur Verfügung stehen würden.
Der DSLV zeigt ferner kein Verständnis dafür, dass kleine Lkw (3,5 bis 7,49 Tonnen) und Fernbusse von der Maut ausgenommen bleiben. Der Verband fordert, diese Verkehrsteilnehmer bereits ab 2019 in eine Nutzerfinanzierung einzubeziehen.
Auch der BWVL kritisiert den Gesetzentwurf. Die vorgesehene Mehrbelastung der Wirtschaft um rund drei Milliarden Euro jährlich (durch die Mautausweitung auf alle Bundesstraßen zum 1. Juli 2018 und durch die weitere Anhebung der Mautsätze zum 1. Januar 2019) sei „in dieser Form nicht akzeptabel“, „in einem so kurzen Zeitraum nicht tragbar und auch im Hinblick auf die Infrastrukturinvestitionen überzogen“.
BWVL: Zinssatz im Wegekostengutachten "deutlich zu hoch" angesetzt
Zudem erneuerte er seine bereits bei dem vorherigen Wegekostengutachten geäußerte Ansicht, dass ein Ansatz kalkulatorischer Zinsen im Wegekostengutachten von durchschnittlich 3,3 Prozent angesichts des derzeitigen realen Zinsniveaus und der langfristigen Rendite von Anleihen der öffentlichen Hand deutlich zu hoch sei.
Aber die beiden Verbände haben auch Lob für den Gesetzentwurf parat, wenn dieses auch knapp ausfällt: „Positiv zu vermerken ist allein“, schreibt der BWVL in seinem Rundschreiben, „dass auch der Gesetzgeber dem Vorschlag der Gutachter zu einheitlichen Mautsätzen auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen gefolgt ist“.
Auch der DSLV begrüßte diese Entscheidung. Zudem sei es „sachgerecht“, vierachsige Fahrzeuge mit hohen Achslasten und entsprechend hohem Fahrbahnverschleiß jetzt nicht mehr gegenüber Fahrzeugen mit höheren Achszahlen zu begünstigen. Eine Aussage, die von den Unternehmen nicht uneingeschränkt geteilt wird. (cd)