Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen vorläufigen Schlusspunkt unter einen jahrelangen Streit zwischen Amazon und Verdi um Sonntagsarbeit im Advent gesetzt. Das Gericht in Leipzig bestätigte am Mittwoch ein vorheriges Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster, das eine Bewilligung der Sonntagsarbeit gekippt hatte. (Az.: BVerwG 8 C 3.20) In der juristischen Auseinandersetzung ging es um das Logistikzentrum in Rheinberg in Nordrhein-Westfalen.
Amazon hatte 2015 für mehrere seiner Versandlager Sonntagsarbeit im Advent beantragt - und das mit den erhöhten Bestellungen im Weihnachtsgeschäft begründet. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die Arbeit an zwei Sonntagen in Rheinberg genehmigt. Dagegen hatte Verdi geklagt.
Verdi: „Amazon ist nicht die Feuerwehr oder das Krankenhaus“
Die Gewerkschaft kämpft für den Erhalt des vom Grundgesetz besonders geschützten arbeitsfreien Sonntags. „Es kann nicht sein, dass der Versandhändler seinen Kunden Lieferversprechen macht, die er nur erfüllen kann, wenn er die Beschäftigten zur Arbeit am Sonntag zwingt. Amazon ist nicht die Feuerwehr oder das Krankenhaus, auf die man auch am Sonntag nicht verzichten kann“, hatte Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel, erklärt.
Sonntagsarbeit kann laut Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise bewilligt werden, wenn „besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens“ dies erfordern. „Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein“, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht.
Letzteres sei bei Amazon aber der Fall gewesen. Das OVG in Münster hatte festgestellt, der der Versandhändler die Bestellungen mit kurzfristigen Lieferversprechen („Same Day Delivery“) selbst angekurbelt hatte. Damit hätten nicht „besondere Verhältnisse von außen“ auf das Unternehmen eingewirkt.
Online-Riese will Entscheidung prüfen
Amazon teilte mit, die Entscheidung der Bundesverwaltungsrichter sorgfältig prüfen zu wollen. Das Urteil habe keinen Einfluss auf den aktuellen Betriebsablauf. Während der mündlichen Verhandlung hatte der Amazon-Anwalt allerdings gesagt, dass das Unternehmen durchaus weiter ein Bedürfnis für Anträge auf Sonntagsarbeit sehe: „Wir haben in den vergangenen Jahren keine Anträge mehr gestellt, weil wir den Ausgang der Verfahren abwarten wollten.“
Tatsächlich bleibt nach der Leipziger Entscheidung offen, ob auch schon das Weihnachtsgeschäft an sich mit einem erhöhten Auftragseingang eine Sondersituation sein kann, die eine Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen würde. Das sei im konkreten Fall nicht zu entscheiden gewesen, erklärte das Gericht.
Verdi zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. „Amazon hat vor deutschen Gerichten eine weitere verdiente Klatsche einkassiert. Der Konzern sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass das Grundgesetz auch für US-Unternehmen gilt“, erklärte Akman. Die Gewerkschaft werde zusammen mit ihren kirchlichen Bündnispartnern den freien Sonntag auch gegen weitere Angriffe verteidigen. (dpa/sn)