UPS: „Wir haben im B2C Riesen-Ziele“

Herr Jørgensen, Sie sind seit März 2021 Präsident von UPS Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH). Sie treten damit in große Fußstapfen, die Ihr Vorgänger Frank Sportolari hinterlassen hat, der bis 2021 zehn Jahre lang die Geschäfte von UPS Deutschland verantwortet hat und im Juli 2021 verstorben ist. Was haben Sie von ihm gelernt? Frank war eine phantastische Persönlichkeit – als UPS-Manager, aber auch als Mensch. Für mich, ja für uns alle, war er eine Inspiration. Wir konnten immer zu ihm kommen, seine Tür war stets offen. Beruflich war ich sechs Monate mit ihm zusammen, diese Zeit hat mich sehr beeindruckt. Ich habe gerade menschlich viel von ihm gelernt. Zwei Wochen vor seinem Tod besuchte ich ihn noch einmal. Selbst da haderte er nicht mit seiner Krankheit. Er wünschte sich nur noch die Zeit zu haben, um ein Buch zu schreiben, mit dem er anderen Menschen in ähnlicher Situation helfen wollte. Sie haben Ihre Aufgabe als Chef der UPSRegion DACH in einer sehr schweren Zeit übernommen. Sie mussten fast die Hälfte Ihrer Mitarbeiter in der UPS-DeutschlandZentrale in Neuss und Monheim abbauen. Was waren die Gründe für diesen Cut? Das war für uns eine schwarze Zeit, so formuliere ich es. Denn es war für UPS das erste Mal, dass wir in Deutschland so Mitarbeiter abbauen mussten. Alles Mitarbeiter, die einen guten Job gemacht, nichts Verwerfliches getan haben. Das war eine sehr schwierige, aber notwendige Entscheidung. Jeder spricht im Moment von der Großen Transformation. Das ist ein Buzzwort. Für UPS heißt das, wenn wir auch in Zukunft konkurrenzfähig sein wollen, müssen wir solche Schritte aber immer wieder tun. Wir müssen unsere Prozesse permanent hinterfragen und prüfen, wie wir sie noch schneller und effizienter gestalten können. Nur dann bleiben wir wettbewerbsfähig. Diese schwarze Zeit liegt aber hinter uns, und glücklicherweise mussten wir nicht so viele Mitarbeiter abbauen, sondern konnten sie fallweise auch an anderen Standorten weiter beschäftigen. Verdi spricht von über 500 Mitarbeitern, die gehen mussten. Ist diese Zahl korrekt? Nein, das waren deutlich weniger! Deutlich unter 400. Wir konnten ja allein durch den Brexit und die neuen Umsatzsteuerregeln im E-Commerce in 2021 doch einige Mitarbeiter in den Brokerage-Bereichen einsetzen. Etliche Mitarbeiter wurden auch, wie man hört, in die UPS-Zentrale nach Brüssel transferiert. Hat das strategische Gründe, weil Deutschland für UPS an Bedeutung verliert? Nein, nein! Ganz bestimmt nicht! Ich weiß nicht, von wem Sie die Information zu Brüssel haben. Richtig ist: Deutschland ist nach wie vor für UPS der größte Markt außerhalb der USA. Außerdem haben wir diesen Transformationsprozess nicht nur in Deutschland, sondern in allen unseren Landesorganisationen aufgelegt. Diese Transformation hat auch nichts mit unseren Zahlen oder Ergebnissen in den einzelnen Ländern zu tun. Wir transformieren UPS aus der Position der Stärke heraus und wollen uns damit zukunftsfit machen. Das ist der strategische Hintergrund für unsere Maßnahmen. Einen solchen Prozess kann man nur aus der Stärke heraus gestalten, nicht, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. Was waren da für Sie in Deutschland die wichtigsten Maßnahmen? Es ging darum, Prozesse effizienter und schlanker zu gestalten. Dabei ist Digitalisierung von zentraler Bedeutung. Das war eine Kraftanstrengung, die soweit abgeschlossen ist. Aber ich kann hier nicht in Details gehen. Diese Transformation steigert unsere Wettbewerbsfähigkeit, und es wäre für manche unserer Wettbewerber sehr spannend, zu verstehen, wie wir unsere Prozesse gestalten. Wir möchten es diesen aber nicht zu einfach machen, da ich davon ausgehe, dass sie auch die VerkehrsRundschau lesen. Wie hat sich alles das in Ihren Zahlen in der Region DACH und in Deutschland niedergeschlagen? UPS weltweit schrieb ja im vergangenen Jahr glänzende Zahlen. Tut mir leid, dazu äußern wir uns nicht. So viel kann ich sagen: Auch für unsere DACH-Region und auch Deutschland war 2021 ein gutes Jahr, wir haben deutlich mehr Volumen befördert. Und in Deutschland beschäftigen wir trotz und wegen des Transformationsprozesses mittlerweile über 21.000 Mitarbeiter und werden diese Zahl noch steigern. Was ist Ihre Strategie, um UPS in Deutschland weiter nach vorne zu bringen? Der Fokus auf B2C hat für mich höchste Priorität in Deutschland. Noch vor zwei Jahren haben wir größtenteils B2B-Pakete befördert. Heute ist das nicht mehr so. Der B2C-Anteil nimmt rasant zu, wir liefern immer mehr an Privatkunden. Treiber sind da natürlich die Coronapandemie und die damit verbundenen Lockdowns. Mag also sein, dass B2C nach der Pandemie wieder leicht sinkt; mittel- und langfristig wird B2C aber stark zulegen, auch weil E-Commerce für unsere KMU-Kunden immer wichtiger wird – auch international. Für uns heißt das: Wir wollen für Endkunden die „Customer Convenience“ verbessern und die richtigen Lösungen bieten. Das heißt nicht, dass wir uns nun von B2B-Kunden abwenden. Für uns werden die Kunden unserer Kunden, also die Endkunden, aber zunehmend wichtiger. Wir haben im B2C riesige Ziele. Wir gehen in dieses Segment sehr entschlossen rein. Welchen prozentualen Anteil hat B2C heute bei UPS, was ist mittelfristig Ihr Ziel? Zu diesen Zahlen äußern wir uns nicht. Nur so viel: Noch befördern wir im B2B mehr Pakete als im B2C. Wie gesagt, das verändert sich. B2B wächst bei uns jedes Jahr im einstelligen Prozentbereich, während B2C jährlich im zweistelligen Prozentbereich zulegt. Wenn dieses Wachstumstempo im B2C-Segment anhält, ist es nur eine Frage der Zeit, dass bei uns die B2C-Mengen die B2B-Mengen sehr bald überholen. Deutsche Endverbraucher lassen sich ihre Pakete allerdings lieber von Ihren Wettbewerbern Deutsche Post DHL, DPD und Hermes ausliefern. Wie wollen Sie das ändern? Wie gesagt, wir müssen für diese Kunden die Customer Convenience erhöhen. Das ist aktuell unser wichtigstes Ziel. Dafür tun wir gerade sehr viel. Wir gestalten zum Beispiel unsere Website übersichtlicher. Zudem arbeiten wir an neuen Services. Vor allem wollen wir auf der Letzten Meile noch viel besser werden. Da sehen wir noch viel Potenzial und investieren in den Ausbau unserer Infrastruktur sehr viel Geld. Entscheidend für uns ist, dass der Endkunde selbst auswählen kann, wann und wie er von uns beliefert werden will. An welchen Service-Neuerungen im B2C arbeitet UPS dafür konkret? Um Endkunden gut zu bedienen, reizen wir längst noch nicht alles aus. Daran arbeiten wir im Moment mit Hochdruck. Konkretes Beispiel: Heute stellen unsere Fahrzeuge von 9.00 bis 18.00 Uhr zu; von 18.00 bis 9.00 Uhr stehen sie dagegen. Diese Ressourcen könnten wir besser, auch länger im Sinne der Endkunden nutzen, etwa über eine Abendzustellung. In einigen Städten machen wir das schon, aber meist nur in Peak-Zeiten. Auch die E-Mobilität eröffnet uns da neue Service-Optionen. Ich denke da an Nachtzustellung, die in Deutschland bislang lärmbedingt verboten war. E-Fahrzeuge sind aber leise. Und wenn der Kunde Same Day Delivery oder auch die Zustellung binnen 30 Minuten will – warum nicht? Selbst Samstag-, ja auch Sonntagszustellung – alles könnten wir, sofern es der Kunde will, als UPS bieten. Diese Flexibilität müssen wir als UPS künftig haben. Klingt gut, aber wie wollen Sie im B2C Geld verdienen? Die Margen sind da ja erfahrungsgemäß extrem niedrig. Entscheidend ist, dass wir dem Endkunden unsere Preisgestaltung transparent machen. Er muss wissen, dass unsere Zustellung an die Haustür zum Beispiel mehr kostet als an dem UPS Access Point Standort oder der Paketstation. Denn pro Access Point können wir bis zu 100 Pakete ausliefern, an die Haustür dagegen oft nur ein einziges Paket. Sprich: Der Endkunde bekommt das, für das er auch bereit ist zu bezahlen. Wie wollen Sie die Probleme auf der Letzten Meile lösen? In Deutschland haben wir derzeit zwischen 3600 und 3700 UPS Access Point Standorte, an denen Privatkunden ihre Pakete abholen oder für Retouren abgeben können. Plan ist, dass wir diese in 2022 auf 5000 Standorte aufstocken und mittelfristig auf 7000 – durch weitere Kooperationen, etwa mit Tankstellen und Restaurantketten. Zudem bauen wir unser Angebot an Paketstationen aus. Was ich sagen kann: Es werden neue Anbieter aus dem Ausland auf den Markt kommen, die in Deutschland ein flächendeckendes Netz aufziehen wollen. Mit diesen sprechen wir gerade. Das ist für uns strategisch sehr wichtig. UPS hat soeben angekündigt, weltweit insgesamt 5,5 Milliarden Dollar zu investieren. Wie viel Euro davon fließen in Ihren Ausbau hier in Deutschland? Wir haben für Deutschland schon jetzt über 20 Projekte geplant, in die wir investieren werden. Das meiste davon soll in den Bau und Ausbau unserer Gebäudeund damit Netzwerk-Infrastruktur fließen. Wir eröffnen zum Beispiel im März offiziell ein neues Paketumschlagzentrum in Hannover. Nicht alle diese Projekte werden in diesem Jahr abgeschlossen sein, wir fangen aber damit an. Viel wird auch in mehr Nachhaltigkeit fließen. UPS will weltweit bis 2050 CO2-neutral sein. Welche Umsatz- und Mengen-Ziele streben Sie hierzulande also in 2022 an? UPS hat in 2021 über 97 Milliarden Dollar Umsatz gemacht, und in diesem Jahr wollen wir die 100 Milliarden-Dollar knacken. Auch für die Landesorganisation, die ich verantworte, erwarten wir also noch bessere Zahlen als in 2021. Maßgebliche Wachstumstreiber sind der internationale E-Commerce für Privatkunden, unsere Zusammenarbeit mit KMU, die das internationale UPS-Netz nutzen, und unser HealthcareSegment, das sehr stark wächst. In Gießen haben wir soeben unseren ersten Healthcare-Standort in Deutschland eröffnet, und das ist erst der Anfang.

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