Umweltschäden

UmweltschädenKleine Ursache, verheerende WirkungWenn bei einem Unfall gefährliche Stoffe in die Umwelt gelangen, sind die Folgen oft verheerend. Doch wer haftet für die entstandenen Umweltschäden, und vor allem in welcher Höhe?Krailling im Juli 2012: Auf der Kreisstraße von Germering nach Planegg herrscht wie immer viel Verkehr, als kurz nach acht Uhr ein Sattelzug mit einem Kunststofftank voll ätzender Säure von der Fahrbahn abkommt. Der Fahrer trägt zwar nur leichte Verletzungen davon. Doch der Tank seiner Zugmaschine ist leckgeschlagen, sodass Diesel ins Erdreich sickert. Zudem laufen aus einem 1000-Liter-Container 100 Liter Dibutylphosphat aus – eine Flüssigkeit, die Augen, Haut und Atemwege reizt. Allein aus Planegg sind 28 Feuerwehrleute im Einsatz, hinzu kommen Rettungskräfte aus Gräfelfing und München. Ein Bergungsunternehmen muss den Sattelschlepper mit einem Autokran aus dem Wald ziehen. Am nächsten Morgen gehen die Aufräum-arbeiten weiter. Dabei muss auch kontaminiertes Erdreich abgetragen werden.Unfälle wie dieser sind nicht nur der Albtraum eines jeden Fahrers, sondern auch eines jeden Unternehmers. Denn zum Totalausfall des Sattelzuges, dem verletzten Mitarbeiter und der Haftung für das Transportgut des Auftraggebers kommen Flurschäden, die für Unternehmer kaum zu überblicken sind und sich auf mehrere Zehntausend Euro belaufen können.Der Fahrzeughalter muss geradestehenBei einem Umweltschaden haftet zunächst der Fahrzeughalter. Er hat nach Paragraf 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) dem Verletzten, also demjenigen, dessen Eigentum beschädigt wurde, den Schaden zu ersetzen, der beim Betrieb des Fahrzeugs entstanden ist – und zwar verschuldensunabhängig. „Die Höchstgrenze der Ersatzpflicht für Sachschäden nach dem StVG liegt bei einer Million Euro, bei Gefahrgütern sind es zehn Millionen Euro“, erklärt Michael Nugel, Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Essener Kanzlei Zuhorn & Partner. „Allerdings kommt es nach Paragraf 7 des StVG darauf an, ob sich die dem Kraftfahrzeug innewohnende Betriebsgefahr, die aus dem Einsatz des Fahrzeugs als Beförderungsmittel herrührt, verwirklicht hat“, sagt der Anwalt. Zu diesem Betriebsvorgang zählten etwa das Be- und Entladen. Werden dabei Behälter mit umweltgefährdenden Stoffen beschädigt und laufen aus, haftet der Halter. „Davon abzugrenzen sind Schäden, die entstehen, wenn das Kraftfahrzeug als reine Arbeitsmaschine eingesetzt wird, etwa dann, wenn ein Tankwagen außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums lediglich als Maschine zum Abpumpen verwendet wird und dabei Öl austritt“, sagt der Experte. Sie sind in dem besagten Paragrafen nicht erfasst. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Halter aus der Verantwortung stehlen kann. Er haftet lediglich nicht nach dem StVG.Schon diese Reglungen machen deutlich: Bei der Frage, wer haftet, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So kann bei einem Fahrzeugbrand Rauch entweichen, der sich irgendwo niederschlägt, flüssige Gefahrstoffe können ins Erdreich sickern, ebenso wie Dieselkraftstoff oder Löschwasser. Diese können wiederum in die Kanalisation oder in einen Flusslauf gelangen und von dort aus weitere Schäden verursachen. Es muss auch nicht immer der klassische Verkehrsunfall sein. Auch beim Rangieren kann es zu Umweltschäden kommen, wenn Behältnisse beschädigt werden, ebenso beim Be- und Entladen.BGB nimmt auch Fahrer in die HaftungZu den klassischen Haftungsnormen zählt neben dem StVG auch Paragraf 823 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“, heißt es dort in Absatz 1. „Diese Norm nimmt insbesondere den Fahrer in die Haftung“, erklärt Nugel. Absatz 2 regelt, dass die gleiche Verpflichtung denjenigen trifft, der gegen ein Schutzgesetz verstößt. „Solche Schutzgesetze können im Bereich von Umweltschäden etwa die Gefahrgutverordnung Straße und Schiene (GGVSE) oder auch Ländergesetze im Bereich des Umweltschutzes sein“, erklärt der Anwalt. „Eine Haftungshöchstgrenze gibt es bei dieser Haftung, welche ein Verschulden voraussetzt, nicht.“Doch auch der Unternehmer steht nach dem BGB mit in der Verantwortung. Er haftet nämlich nach Paragraf 831 BGB für Verrichtungsgehilfen, etwa für den Fahrer, der bei seiner Arbeit einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt. „Der Arbeitgeber kann sich bei dieser Haftung, die auf sein eigenes vermutetes Verschulden abstellt, allerdings entlasten“, weiß Nugel. Dazu müsse er nachweisen können, dass er seinen Fahrer ordnungsgemäß ausgewählt und auch überwacht hat. „Diese Maßnahmen sollten ordentlich dokumentiert werden.“ Auch hier ist die Haftungssumme nach oben offen.Da Gefahrstoffe leicht versickern und in den Wasserkreislauf gelangen können, kann sich eine Haftung auch aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ergeben. „Nach Paragraf 89 Absatz 1 WHG haftet derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet, für den daraus entstandenen Schaden, und zwar unabhängig vom Verschulden“, erklärt Martin Düwel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Zenk Rechtsanwälte in Berlin. „Fahrzeugaufbauten mit Transportbehältern können außerdem Anlagen im Sinn von Paragraf 89 Absatz 2 WHG sein“, sagt der Experte. „Gelangen aus diesen Stoffe in ein Gewässer, haftet der Verursacher ebenfalls.“ Haftungshöchstgrenzen gibt es nach dem WHG nicht.Eine weitere Vorschrift macht das Umwelthaftungsgesetz: „Wird durch eine Umwelteinwirkung, die von einer im Anhang 1 genannten Anlage ausgeht, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen“, heißt es dort in Paragraf 1. „Auch Fahrzeuge können zu einer der im Gesetz genannten Anlagen gehören, wenn sie in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang zur Anlage stehen und für das Entstehen von Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein können“, sagt der Anwalt. Das könne etwa der Fall sein, wenn Werksfahrzeuge auf dem Betriebsgelände zum Transport von Produktionsstoffen eingesetzt würden. Laut Düwel liegt die Haftungshöchstgrenze für Schäden bei einer einheitlichen Umwelteinwirkung bei 85 Millionen Euro.Haftung nach Umweltschadensgesetz2007 trat zudem das Umweltschadensgesetz (USchadG) in Kraft. Es setzt eine EG-Richtlinie in nationales Recht um und legt fest, inwiefern Ökoschäden von Behörden ersatzpflichtig gemacht werden können. Es regelt, dass bei einem Umweltschaden der Verantwortliche Schadensbegrenzung betreiben und Sanierungsmaßnahmen durchführen muss. „Damit wurde erstmals eine Haftung für reine Umweltschäden geschaffen, bei denen es keinen Anspruchsberechtigten nach geltendem Recht gibt, etwa weil die Artenvielfallt in Mitleidenschaft gezogen wurde“, betont Düwel. „Verantwortlicher nach diesem Gesetz ist jede natürliche oder juristische Person, die in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einen solchen Schaden verursacht“, sagt er. Bei einem Verkehrsunfall könne das, abhängig vom konkreten Fall, der Fahrer, aber auch der Arbeitgeber sein. Wertmäßig begrenzt ist die Haftung nicht und auch auf ein Verschulden kommt es nicht an. Allerdings, fügt Düwel an, sei ihm bisher aus der Praxis kein Fall bekannt, bei dem nach einem Unfall mit einem Fahrzeug nach dem Umweltschadensgesetz vorgegangen worden sei.Angesichts der komplizierten Gesetzeslage und der weitreichenden Haftungsfolgen raten Nugel und Düwel den an gewerblichen Gütertransport Beteiligten, Umweltschäden möglichst zu vermeiden. „Kommt es tatsächlich zu einem Umweltschaden, ist dieser aber in der Regel von der KFZ-Haftpflichtversicherung abgedeckt“, erklärt Fachanwalt Nugel. „Betroffene sollten dann möglichst schnell eine Schadensanzeige machen. Denn sie selbst sind gar nicht regulierungsbefugt“, sagt der Experte. Ist der Unfall mit eigenen Ersatzansprüchen verbunden oder kann der Unternehmer den Schaden seinerseits bei einem Vertragspartner geltend machen, empfiehlt er, sich einen eigenen Anwalt zu nehmen. ❙❚■ Ina Reinsch, freie JournalistinDie Schadenregulierung bei verunglückten Gefahrguttransporten ist nicht nur aufwendig, sondern auch teuerUmweltschädenUmweltschädenVersicherung zahlt bei Umweltschäden Die KFZ-Haftpflichtversicherung deckt Ansprüche unfallgeschädigter Dritter privatrechtlichen Inhalts ab. Dazu zählen etwa die Haftungsnormen des Paragrafen 7 des Straßenverkehrsgesetzes, der Paragrafen 823 und 831 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, aber auch das Wasserhaushaltsgesetz und das Umwelthaftungsgesetz. Typische Umweltschäden sind diejenigen, die entstehen, weil während der Fahrt Ladung oder Kraftstoff in die Umwelt gelangt oder Schäden, die beim Be- und Entladen verursacht werden. Nicht abgedeckt sind hingegen Umweltschäden an eigenen Sachen oder Grundstücken. Besteht kein privatrechtlicher Anspruch, sondern nur ein öffentlich rechtlicher wie aus dem Umweltschadensgesetz, zahlt der Versicherer nicht. Durch Zusatzversicherungen lassen sich aber auch solche Schäden absichern. ir

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