Umdenken in der Zustelllogistik

Nahezu täglich ploppen derzeit neue Lösungen auf, mit denen die Paket-Auslieferung ökologischer und kosteneffizienter gestaltet werden soll: ob Paketroboter, Paketdrohnen, autonome Vehikel oder ganz aktuell die autonom fahrenden Paketboxen, die Online-Riese Alibaba präsentiert hat. Die letzte Meile wandelt sich also dramatisch. Und dieser Wandel trifft nicht nur die Fahrzeuge, sondern vor allem die Beschäftigten, die Menschen, die in der Zustellung tätig sind. Ob alles dies eher eine Bedrohung für ihren Arbeitsplatz oder auch eine mögliche Chance ist? Über die Frage diskutierte die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) auf dem Branchentreff KEP in Hamburg. Trauriger Spitzenreiter bei Fehlzeiten Tatsache ist: Die rund 570.000 Arbeitnehmer in der KEP-Branche - davon entfallen 70 Prozent auf die Paket- und 30 Prozent auf die Briefzustellung - sind einer hohen körperlichen und psychischen Belastung ausgesetzt. Das machte Bernd Schildge von der Fachgruppe PPT (Post, Postbank, Telekom) der BG Verkehr in seinem Eröffnungsvortrag deutlich: "Die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf der letzten Meile ist momentan nicht befriedigend." Mit der Folge, dass die KEP-Branche trauriger Spitzenreiter sei, was die Anzahl der Fehltage und Arbeitsunfälle angeht, führte er aus. Warum es die vielen Fehltage in der KEP-Branche gibt, liegt insbesondere an der hohen Anzahl der Muskel- und Skeletterkrankungen, unterstrich Katrin Willnecker von der Bundesfachgruppe Postdienste bei Verdi. Und zu diesen Erkrankungen komme es deshalb vermehrt, weil immer schwerere Pakete zugestellt werden müssen und in den Betrieben Waagen zur Gewichtsüberprüfung sowie Hebe- und Tragehilfen fehlen, um Mitarbeiter zu entlasten, kritisierte die Gewerkschafterin. Ein Problem sei auch die steigende psychische Belastung der Zusteller. Einerseits durch den Termindruck, andererseits durch das Mehr an Überfällen und Gewaltandrohungen, sagte Willnecker. Was das Thema neue Zustellformen betrifft, zeigte sich die Verdi-Frau aber skeptisch, dass die heute rund 80.000 bis 100.000 Zusteller von Deutsche Post DHL künftig von Paketrobotern unterstützt werden. Allein aus Kostengründen. So koste ein solcher Paketroboter rund 10.000 Euro. Auch Exoskelette seien zwar aus Mitarbeitersicht in der Kommissionierung eine gute Sache, kosteten aber 1000 Euro. "Ob sich solche Lösungen durchsetzen", so Willnecker, "hängt also davon ab, ob diese preiswerter werden." Wolle man Roboter nutzen, müsste man die Beschäftigten schon bei der Installation ins Boot holen. Innovationen in der Zustellung "Die heftige Veränderung in der KEP-Zustelllogistik von morgen sind nicht die Roboter und die Exoskelette", betonte Andreas Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP). Viel gravierender seien die Veränderungen, die im Hintergrund erfolgen. So würden technologische Neuerungen - Stichwort Internetplattformen - zu neuen Kooperationsformen in der KEP-Branche führen und die Prozesse verändern. "Der Herr der Daten wird künftig die Prozesse steuern", zeigte sich der KEP-Experte überzeugt. "Da wird in den nächsten fünf Jahren viel passieren." Auch die ehemalige Obfrau im Verkehrsausschuss, Valerie Wilms, bezweifelte, dass sich Roboter in der Zustelllogistik flächendeckend durchsetzen: "Wir werden dies im Einzelfall haben. Aber die Menschen werden sie nicht ersetzen." Ganz sicher sei für sie nur eines, betonte die frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete: "Die Zusammenarbeit in der KEP-Branche in der letzten Meile kommt. Und wenn diese nicht von den Unternehmen kommt, wird man dafür sorgen. Dann wird es scheppern." Auch die massive Elektrifizierung werde kommen, mit entsprechend steigenden Zustellkosten", prognostizierte Wilms. Maßgeblicher Treiber sei letztlich der Konsument, insbesondere sein Anspruchsdenken im Zeitalter des E-Commerce. Darauf verwies Professor Alex Vastag, Leiter der Verkehrslogistik vom Fraunhofer IML: "Heute bestellen - morgen da, am besten noch am selben Abend an sieben Tagen die Woche". Dieses Anspruchsdenken bringe aber nicht nur die Infrastruktur an Grenzen, warnte Vastag, sondern auch die Betriebe der KEP-Branche. So machen dem Logistikexperten zufolge die Zustellkosten auf der Letzten Meile 50 bis 65 Prozent der gesamten Distributionskosten aus. Denn die letzte Meile sei sehr personalintensiv. Und im Schnitt würden im B2C-Bereich 1,1 Pakete pro Stopp zugestellt - davon 60 Prozent im ersten Zustellversuch, während es im B2B-Bereich im Schnitt 2,6 Pakete pro Stopp sind. "Paketdrohnen und Paketroboter sehen wir aber mittelfristig nicht als die Lösung", betonte Vastag und bezog sich auf eine Studie der Fraunhofer IML. Beides seien zwar schnelle und ökologische Varianten, die aber nur wenig Menge befördern könnten, zudem seien viele rechtliche und versicherungsrechtliche Fragen noch nicht gelöst. "Die letzte Meile wird also den Menschen brauchen, gerade bei der Paketübergabe. Das sind so komplexe Prozesse, dass sich diese mit einem Paketroboter schlecht abbilden lassen", sagte Vastag. Wandel als Chance für mehr Gesundheit "Ganz wegfallen wird die personalisierte Auslieferung auf den letzten Metern - auch in fünf bis zehn Jahren nicht", urteilte auch Wolfgang Laske, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Prävention der BG Verkehr. Die Beschäftigten dürften aber künftig, schätzte er, mehr Unterstützung erhalten, etwa durch verschiedenste neue Arbeitsmittel und -formen sowie künstliche Intelligenz. Eben hier, sicherte der Präventionsexperte zu, könne die BG Verkehr die Unternehmen unterstützen. Aussagen, die Angelika Hauke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), wohl gern gehört hat. Sie hatte für das Risikoobservatorium der DGUV eine Befragung, unter anderem im Bereich Verkehr (inklusive KEP), durchgeführt, wie sich die Arbeitswelt der Beschäftigten wandelt und welche neuen Anforderungen auf den Arbeitsschutz zukommen. "Die Top-Drei-Themen sind die Arbeitsverdichtung, demografischer Wandel und die Digitalisierung", zählte Hauke auf. Hohe Relevanz haben auch die ergonomischen Belastungen mit der Folge steigender Muskel-Skelett-Erkrankungen. Und spezifisch für die KEP-Branche kommen die Verwendung unsicherer Arbeitsmittel, die schlechte Parksituation in Innenstädten und UV-Bestrahlung dazu. Mit wenigen Maßnahmen ließe sich aber, betonte sie, der Arbeitsschutz der Mitarbeiter verbessern, etwa durch Tragehilfen und realistischere Tourenplanung mit kleineren Gebieten. "Um so wichtiger ist es," forderte Jörg Hedtmann, Leiter des Geschäftsbereichs Prävention, "dass man über die Chancen und Risiken für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter, die durch neue Entwicklungen wie E-Mobilität, Automatisierung und Vernetzung entstehen, redet. Die Branchenkonferenz sei da sehr spannend gewesen. Er hoffe, dass es gelinge, diesen offenen Austausch fortzusetzen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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