Paris. Frankreich stöhnt weiter unter den Auswirkungen der Streikwelle gegen die Rentenreform. Autofahrer hatten am Montag erneut mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Spritversorgung zu kämpfen. An jeder dritten Tankstelle gab es wegen der Arbeitsniederlegungen in der Ölindustrie Engpässe oder gar keinen Treibstoff mehr. Bei den Benzindepots hingegen zeichnete sich erstmals leichte Entspannung ab: Bis zum Nachmittag waren nach Angaben des Branchenverbands UFIP alle Blockaden aufgehoben.
Vor den Depots bildeten sich nach Rundfunkangaben daraufhin kilometerlange LKW-Warteschlangen. Allerdings stehen die meisten Raffinerien noch still. Auch Zugverbindungen fielen wieder aus. Die Regierung in Paris schätzt, dass der wirtschaftliche Schaden durch die Proteste mittlerweile bis zu drei Milliarden Euro ausmacht. Experten gingen von Kosten zwischen 200 und 400 Millionen Euro pro Tag aus, sagte Wirtschaftsministerin Christine Lagarde dem Sender Europe 1.
Ein Teil der Streikaktionen dauert bereits seit rund zwei Wochen an - auch die am Wochenende begonnenen Herbstferien haben an der Situation kaum etwas geändert. Um eine Mindestversorgung mit Sprit sicherzustellen, ließen Behörden am Montag erneut die Blockade eines Treibstoffdepots auflösen. Besonders die Chemieindustrie leide unter den Protesten, sagte Lagarde und warnte vor negativen Folgen der Streiks für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Frankreich.
Der endgültige Gesetzestext für die Rentenreform wurde am Montag von einem Vermittlungsausschuss von Nationalversammlung und Senat formuliert. Er wird den Parlamentariern voraussichtlich am Dienstag (Senat) und Mittwoch (Nationalversammlung) zur endgültigen Verabschiedung vorgelegt. Für den ersten Abstimmungstag haben Schüler und Studenten wieder zu Protesten aufgerufen. Am Donnerstag soll es landesweit einen großen Streik- und Demonstrationstag geben.
Kern der französischen Rentenreform ist eine deutliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die volle Rente soll es in Frankreich künftig frühestens mit 62 Jahren statt wie bisher mit 60 Jahren geben. Wer nicht lange genug Beiträge gezahlt hat, wird erst mit 67 in den Ruhestand gehen können. Um das Milliardenloch in der Rentenkasse zu stopfen, ist die stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Kapitaleinkünften geplant. Frankreichs Rentensystem ist derzeit mit rund 32 Milliarden Euro in den roten Zahlen. Bis 2020 wird das Defizit Schätzungen zufolge auf 45 Milliarden Euro steigen. (dpa)