Treffsicherheit

Ausschreibungsrunden will die ZF Friedrichshafen AG möglichst schnell abschließen. Auch deswegen nutzt der Automotive-Zulieferer Plattformen wie Ticontract. Als er im März 2019 neue Jahreskontrakte für Luftfracht bis 2,5 Tonnen vergeben wollte, lud er fünf Logistikdienstleister, die nach zwei Verhandlungsrunden in der engsten Wahl standen, zum Schlusstermin in die Unternehmenszentrale ein. Hier konnten sie ihre Angebote nochmals nachbessern und die Änderungen auf Ticontract eintragen. Die ZF-Einkäufer verglichen die Ergebnisse und stimmten sich vor der endgültigen Vergabe mit internen Entscheidern ab. Am Ende des Tages waren die erfolgreichen Angebote unterschrieben, und ZF hatte sein Ziel erreicht. Große Zeitersparnis für Verlader "Früher waren für diesen Prozess mehrere Tage nötig", blickt Petra Spiegel, bei ZF verantwortlich für den interkontinentalen Transporteinkauf, zurück. "Heute können wir durch schnellere Kalkulationen und Transparenz durch Szenarienbildungen den Entscheidungs- und Verhandlungsprozess wesentlich beschleunigen." Ende 2019 steht die nächste Runde an. Der Konzern will dann Kontrakte für Seefracht ausschreiben. Wie viele Verlader profitiert auch ZF von Produkt-Updates und Weiterentwicklungen, welche Cargoclix, Timocom, Transporeon (Ticontract) und andere Betreiber von Tender-Management-Plattformen während der letzten Jahre vorgenommen haben. Mit der skandinavischen Plattform Easytender, welche unlängst von der belgischen Alpega Group ("Teleroute") übernommen wurde, ist ein weiterer Anbieter hinzugekommen. Auch wegen des steigenden Wettbewerbsdrucks sind zuletzt viele Tenderprozesse digitalisiert und standardisiert worden. Ausdrücklich versichern die Betreiber, dass von den hierdurch erzielten Zeit- und Kosteneinsparungen auch die Dienstleister profitieren. "Wir stimmen die Anforderungen von Verladern und Dienstleistern auf Feedback-Veranstaltungen ab", versichert Thomas Einsiedler, Chief Product Officer (CPO) von Transporeon. So ist heute längst Standard, dass die Dienstleister auf den Plattformen ihre Stammdaten hinterlegen. Auch von neuen Vollständigkeits- und Plausibilitätstools profitieren sie. Im Fokus stehen jedoch die ausschreibenden Unternehmen, die möglichst jeden neuen Kontrakt auf den Portalen platzieren wollen. "In der Vergangenheit waren die Plattformen entweder einfach zu bedienen, aber für anspruchsvolle Ausschreibungen ungeeignet", urteilt Victor Meier, Gesellschafter von Cargoclix. "Oder aber die Plattformen waren flexibel, dafür aber nur von erfahrenen Nutzern mit großem Aufwand zu bedienen." Die Freiburger Softwareschmiede hatte auf der Messe Transport Logistic 2019 eine vollständig überarbeitete Version ihres 20 Jahre alten Tender-Klassikers präsentiert. Die neue Software fällt durch eine einfache Benutzerführung mit zahlreichen Dokumentvorlagen auf. Auch sehr große und komplexe Kontrakte können jetzt auf der Plattform ausgeschrieben werden. Plattformen werben mit neuen Services Die Antwort der Wettbewerber ließ nicht lange auf sich warten. Transporeon entwickelte unter anderem ein Tender-Benchmarking-Tool, welches Angebote für ausgeschriebene Relationen mit anderen für die gleiche Branche vergleicht. Die ausschreibenden Unternehmen können Bewerbern mitteilen, wo Letztere im Markt wirklich stehen, und überarbeitete Preise empfehlen. Zudem hatte der Ticontract-Betreiber seinem Gutschriftenverfahren eine Frachtrechnungsprüfung vorgeschaltet, welche die Zahlen und Positionen der Dienstleister durchcheckt. Timocom öffnet seine Datenbanken mit über 43.000 geprüften Transportunternehmen für Verlader, welche gerne mit neuen Geschäftspartnern in Kontakt treten wollen. Wenn das Leistungsportfolio der Dienstleister mit den Anforderungen der Ausschreibung übereinstimmt, werden diese von Timocom benachrichtigt. Solche Updates machen verladenden Unternehmen den Entschluss, Neukontrakte online auszuschreiben, leichter als noch vor wenigen Jahren. Während der jüngsten Zeit verzeichnen nahezu alle Plattformen zahlreiche Neuzugänge. "Die Nachfrage nach Tender-Management ist zuletzt enorm gestiegen", bestätigt Rainer Hoppe, Geschäftsführer von Apari Consulting in Wiesbaden (siehe Interview Seite 19). Weil jedoch die Vorbereitung von Ausschreibungen immer weniger Aufwand verursacht, ruft dies auch Unternehmen auf den Plan, welche keine neuen Kontrakte planen, sondern lediglich aktuelle Marktpreise und -konditionen sondieren wollen. Allerdings eröffnet diese Veränderung auch den Dienstleistern neue Chancen. So weiß Hoppe von einem österreichischen Branchenunternehmen zu berichten, das den deutschen Markt mit der Teilnahme an möglichst vielen Ausschreibungen erschließen wollte. Mit der Zeit gewann das Unternehmen ein Gespür für hiesige Preise und Konditionen und konnte manchen Tender für sich entscheiden. "Dieser Newcomer hatte mit seiner Strategie letzten Endes Erfolg", bilanziert der Unternehmensberater. Trotzdem stehen Logistikunternehmen vor der Herausforderung, ernst zu nehmende Ausschreibungen möglichst schnell zu identifizieren. Möglicherweise helfen hierbei Softwares wie das Logo Tender-Management-Tool des Starnberger Unternehmens Logo Consult. Die Lösung, die Teil eines CRM-Systems ist, unterstützt Dienstleister nicht nur bei der Teilnahme an einem Tender, sondern gibt auch Hinweise, ob Mitmachen Sinn macht oder nicht. "Das Tool ermittelt aus den gesammelten Kundendaten relevante Kennzahlen und stellt sie dem Entscheider zur Verfügung", erläutert Dorothee Gabor, Vorstand von Logo Consult. Mit dieser Lösung, welche unter anderem Militzer & Münch und Lagermax einsetzen, können allerdings nicht Neukunden gewonnen werden. Hier spielen Transporeon & Co. ihre Stärken aus. "Halten Sie die Serviceleistungen, die auf unseren Datenbanken eingetragen sind, stets aktuell", empfiehlt Einsiedler. Wer bei Ausschreibungen Erfolg wünsche, müsse mit wettbewerbsfähigen Angeboten überzeugen. "Steigern Sie Ihre Anbieterattraktivität durch proaktive Kommunikation mit den Verladern", lautet ein weiterer Rat des Transporeon-Managers. Das ist wohl eine Reaktion auf Dienstleister wie die Sitra-Spedition. Sie bemängeln, dass die Plattformen bislang keine Lösung gefunden haben, Servicequalität überzeugend darzustellen (siehe Kasten Seite 20). Mehr zum Thema im Dossier Tender-Management www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Auch wenn nicht jeder Dienstleister begeistert ist: Ausschreibungsplattformen sind bei der Vergabe von Aufträgen nicht mehr wegzudenken. Die Betreiber dieser Tools wissen um die Bedenken der Dienstleister und versuchen, mit neuen Services die Sorgen zu zerstreuen. Aufträge" - Wie man trotz Krise wachsen kann, zeigt die neue Serie. - Teil 1: Ist Outsourcing weiter im Trend? (VR 36)- Teil 2: Dos und Don'ts im Tender-Prozess (VR 37)- Teil 3: Angebotspreise richtig kalkulieren (VR 38)- Teil 4: Das bieten Ausschreibungsplattformen (VR 39)

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