Fit für die Ausschreibung

Jeden Tag ist Stephan Raster zu Kunden unterwegs; jährlich fährt er dafür 25.000 bis 30.000 Kilometer. Der Prokurist und Vertriebsleiter des mittelständischen Speditions- und Logistikunternehmens Schmidt-Gevelsberg in Schwelm weiß deshalb sehr genau, wann welche Ausschreibungen bei seinen Kunden anstehen. "Man kennt uns. Schmidt-Gevelsberg ist hier in der Region der Platzhirsch", sagt Raster. Wenn also Teil- und Komplettladung- und Stückgut-Verkehre oder auch in der Kontraktlogistik ausgeschrieben werden, werden wir angeschrieben." Was Raster dabei derzeit feststellt: Die Zahl der Ausschreibungen liegt leicht unter dem Vorjahresniveau. Zudem würden die Firmen wieder vermehrt ausschreiben, um ihre Qualität im Bereich der Transportlogistik zu verbessern. Die gute Nachricht: "Die Qualität der Daten ist heute deutlich höher als noch vor Jahren. Das ist sehr dezidiert. Mit diesem Zahlenwerk kann man arbeiten", lobt Raster. Zudem stünden die Firmenchefs vieler Mittelstands-Unternehmen dem Thema "Logistik-Outsourcing" heute offener gegenüber. "Sie sind eher bereit loszulassen und logistische Aufgaben fremd zu vergeben. Da stellen wir ein Umdenken fest." Er räumt aber auch ein, dass es fallweise Geduld brauche. "Was wir manchen Kunden schon vor sechs, sieben Jahren geraten haben, machen sie erst jetzt mit uns." Es brauche einfach Zeit, sagt Raster, bis ein Kunde zu seinem Dienstleister dieses Vertrauen aufgebaut habe. Auftraggeber wollen Lösungen Doch bis es überhaupt dazu kommt, ist es ein langer Weg: "Gerade wenn logistische Services in Nischen, etwa in der Pharmalogistik, fremdvergeben werden sollen, wissen viele Verlader gar nicht, welche Speditions- und Logistikbetriebe sie in ihrer Ausschreibung anschreiben können", weiß Jürgen Weber, Geschäftsführer Logistikberatung ITW Innovativ Team Weber in Sinzig/Rhein. Dienstleister sollten deshalb die heutigen oder potenzielle Auftraggeber aktiv ansprechen, wenn sie eine Idee haben, wie dieser bestimmte Dinge in seiner Logistik besser machen könnte. "Gehen Sie proaktiv auf Kunden zu. Der Markt dafür ist da", macht er auch kleineren Transport- und Speditionsbetrieben Mut, die in der Kontraktlogistik schon Know-how gesammelt haben. "Nur das zeigen oder anbieten, was man kann, bringt aber nichts. Ein Auftraggeber will immer Lösungen für sein Problem", mahnt Weber an. Gerade bei komplexeren Logistik-Ausschreibungen empfehle sich aber immer die Gründung eines Projektteams - im Idealfall aus Wirtschaftsingenieur oder Prozessexperte, der die Prozesse und die Prozesskostenrechnung beherrscht, einem Vertriebsexperten und einem Juristen für die vertraglichen Aspekte", weiß Weber, der vor Jahren selbst Manager in der Kontraktlogistik bei Deutsche Post DHL war. Gleichwohl: Die Bearbeitung von Ausschreibungen ist nicht trivial. Vor allem, weil Transporteure und Spediteure mittlerweile von Ausschreibungen nahezu erschlagen werden. "Kunden schreiben heute viel häufiger aus und die Ausschreibungen werden immer komplexer, weil nicht nur der Preis, sondern auch weiche Faktoren von den Dienstleistern abgefragt werden." Darauf verweist Eike van Deest, Geschäftsführer von Frachtrasch in Braunschweig, das sich auf Frachtenprüfung, Tendermanagement und Logistikberatung spezialisiert hat, aber auch die Digitalisierung der Logistikadministration bei Verladern vorantreibt. "Spediteure sollten daher nur Ausschreibungen annehmen, wenn sie wirklich in dieses Geschäft streben, diesen Kunden wirklich wollen. Sonst verzetteln sie sich", mahnt er. Ausschreibungen, die ausschließlich eine Preismatrix abfragen, sollten mit Vorsicht angegangen werden. "Das zeugt von wenig Bindungswilligkeit seitens des Ausschreibenden", weiß er. Verlader fürchten Prozess-Risiko Und in welchen Bereichen sieht van Deest seitens der Dienstleister in puncto Tender-Bearbeitung Nachbesserungsbedarf? "Viele Anforderungen in Ausschreibungen werden nicht berücksichtigt oder nur rudimentär beantwortet, weil die Unterlagen offenbar nur oberflächlich gelesen werden." Der beste Preis nütze einem Dienstleister aber nichts, betont der Tender-Experte, wenn der Verlader ein Prozess-Risiko fürchte. Umso wichtiger sei es, dass Dienstleister Fragen nach zum Beispiel dezidierten Laufzeiten, Schadensquoten, Zertifizierungsnachweisen, Haftungsfragen stets umfassend beantworten. "Die Ausschreibungen gewinnen heute nicht zwingend die Preisgünstigsten, sondern die Dienstleister, die sich am besten über den Kunden, seine Produkte und Prozesse auskennen und das Paket zu einem attraktiven Preis anbieten", weiß van Deest. "Und Rückfragen sind nicht schädlich, sondern über den genannten Kommunikationsweg jederzeit erlaubt", sagt er und lacht. Eine Checkliste zum Thema Ausschreibungen unter www.verkehrsrundschau-plus.de/studies In Kürze Wer als Dienstleister vom Outsourcing-Trend in der Kontraktlogistik profitieren will, muss vor allem das Tender-Management beherrschen und Ausschreibungen qualifiziert beantworten können. Transport- und Speditionsbetriebe sollten aber genau prüfen, ob der Auftrag auch zu ihnen passt. Serie: "Ran an neue Aufträge" Wie man trotz Krise wachsen kann, zeigt die neue Serie.- Teil 1: Ist Outsourcing weiter im Trend? (VR 36)- Teil 2: Do's und Don'ts im Tender-Prozess (VR 37)- Teil 3: Angebotspreise richtig kalkulieren (VR 38)- Teil 4: Das bieten Ausschreibungsplattformen (VR 39)