Suche Fahrer, biete Zukunft

Die deutschen Transportunternehmen müssen mehr Berufskraftfahrer ausbilden, das Image dieses Berufes verbessern, neue Arbeitszeitmodelle entwickeln und die Fahrer besser bezahlen, wenn sie sich gegen die Konkurrenz behaupten wollen. Zu diesem Ergebnis kommt die zweite "Zukunftsstudie Fernfahrer", die ZF Friedrichshafen, Dekra und das Magazin Fernfahrer vergangene Woche in Brüssel vorgestellt haben. Grundlage der Untersuchung, die von Professor Dirk Lohre (Hochschule Heilbronn) durchgeführt wurde, sind Interviews, die Lohre mit Logistikexperten, aktiven Fernfahrern und Auszubildenden in Deutschland geführt hat. Studie unterscheidet vier Fahrer-Typen Die meisten Experten gehen davon aus, dass es schon heute einen latenten Mangel an Berufskraftfahrern gibt, der sich in Zukunft verschärfen dürfte (siehe Kasten Seite 25). Die größten Probleme, Fahrpersonal zu finden, gibt es im internationalen Fernverkehr. Immer weniger Personen sind bereit, sich regelmäßig und über längere Zeiträume von ihrem familiären und sozialen Umfeld zu trennen. Im Trampverkehr kommt die geringe Planbarkeit der Einsätze hinzu. Die deutschen Fahrer würden zudem, gemessen an den deutschen Verhältnissen, laut Studie nicht besonders gut bezahlt. Obwohl ein deutscher Fahrer wesentlich mehr koste als ein osteuropäischer. Osteuropäer würden dagegen, gemessen am Lohnniveau ihrer Heimatländer, wesentlich besser bezahlt. "Je weiter die Strecken sind und je länger die Fahrer nicht zu Hause sind, desto schwieriger wird sich also die Fahrerrekrutierung künftig darstellen", resümiert die Studie. Im Umkehrschluss: Je planbarer Einsätze und Arbeitszeiten sind, desto leichter finden Betriebe Fahrer. Keinen Fahrermangel erwarten die Experten bei Spezialtransporten, wo Fahrer besser bezahlt werden und ein attraktives Umfeld vorhanden ist. Bei alledem unterscheidet die Untersuchung vier Typen von Berufskraftfahrern, die unterschiedliche Erwartungen an ihren Beruf haben: Den "berufenen" oder passionierten Fernfahrer, der sein Hobby zum Beruf macht, den "überzeugten" Fernfahrer mit emotionaler Bindung zum Fahren, den "rationalen" Fernfahrer, der zwar "keine ausgeprägt emotionale Bindung" hat, sich aber bewusst für den Beruf entscheidet, und den "zufälligen" Verlegenheitsfahrer, der nichts Besseres gefunden hat. Die Befragung der Fahrer und der Auszubildenden ergab, dass vor allem der "berufene" Fahrer, der lange Abwesenheiten und schwierige Rahmenbedingungen am ehesten akzeptiert, immer seltener wird. Nur eine Minderheit der Befragten ist bereit, auf regelmäßiges Familienleben und Kontakt zu Freunden zu verzichten, was mit den Arbeitszeiten im internationalen Fernverkehr nicht vereinbar ist. Vor allem Azubis erwarten eine angemessene "Work-Life-Balance". Die meisten aktiven Fahrer gehören zu den "Überzeugten", die zwar Spaß am Fahren haben, aber geregelte Arbeitszeiten erwarten. Das wichtigste Motiv der Auszubildenden, Fernfahrer zu werden, ist der Spaß am Fahren, gefolgt von der sicheren Berufsperspektive, der Lust auf fremde Länder und der Autonomie im Arbeitsalltag. Allerdings streben viele Azubis (54 Prozent) einen Einsatz im Güternahverkehr an. Vereinbarkeit von Beruf und Familie Als größtes Rekrutierungshindernis erweist sich neben der Bezahlung das schlechte Image der Transportbranche, insbesondere ihr Ruf, familienfeindlich zu sein. Daran müsse die Branche nach Meinung der allermeisten Befragten arbeiten. Industrialisierung und Standardisierung der Betriebsabläufe könnten dazu einen Beitrag leisten. Sie entsprechen dem "überzeugten" und dem "rationalen" Fahrertyp, die flexibel und "systemfähig" sind. Vor allem der "Rationale" eignet sich gut für industrialisierte Systemverkehre. Diese erlauben es, etwa durch Taktverkehre oder Fahrerrotation, die Abwesenheit vom Wohnort des Fahrers zu reduzieren. Der "Berufene" ist dagegen überall dort nicht einsetzbar, wo er sein Fahrzeug mit anderen Fahrern teilen muss. Arbeitnehmerfreundlichere Arbeitszeiten seien nach Ansicht vieler Experten auch durch eine "Flexibilisierung" der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten möglich. Um "Überzeugte", "Rationale" und vor allem "Zufällige" zu rekrutieren, müssen Firmen den Zugang zum Beruf also erleichtern - Stichwort LKW-Führerschein. Während "Berufene" bereit sind, diese Investition selbst zu tätigen, erwarten die anderen Fahrertypen, dass der Arbeitgeber diese Kosten übernimmt. Zudem sollten die Unternehmen, fordert die Studie, Azubis in punkto Telematik noch besser schulen. Erstens lassen sich dank Telematik komplexere Arbeitszeitmodelle leichter umsetzen, die den Erwartungen der Fahrer in punkto Vereinbarkeit Beruf und Familie entsprechen. Zweitens könne mehr Technik im Fahrzeug dazu beitragen, dass sich Fahrer stärker auf das Fahren konzentrieren können. Fahrermangel in Zahlen Jeder vierte Fahrer ist älter als 55 Jahre Unter den 534.000 Berufskraftfahrern in Deutschland vollzieht sich in den nächsten Jahren ein Generationswechsel. Jeder vierte ist heute älter als 55 Jahre und scheidet damit in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben aus. In den jüngeren Jahrgängen ist die Berufsgruppe dagegen unterbesetzt: Nur zwei Prozent der Berufskraftfahrer sind unter 25 und der Anteil der 25- bis 35-Jährigen ist in den letzten Jahren von 20 auf 12 Prozent gesunken. Den 11.000 unbesetzten Stellen stehen zwar 22.000 arbeitslose Berufskraftfahrer gegenüber. Die meisten davon sind aber nicht bereit, längere Zeit von ihrer Familie getrennt zu leben.Und über die Ausbildung rückt nur wenig Fahrernachwuchs nach. Pro Jahr entscheiden sich 3300 bis 3500 junge Leute für eine Berufskraftfahrer-Ausbildung. Bei einer Abbrecherquote von 40 Prozent ergreifen letztlich aber nur 2000 pro Jahr diesen Beruf. Rund 15.000 Besitzer eines LKW-Führerscheins durchlaufen pro Jahr eine "beschleunigte Grundqualifikation", um Berufskraftfahrer zu werden. tw

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