Stuttgart. Die Schonzeit für die grün-rote Landesregierung im Konflikt um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist vorbei. Von kommender Woche an lässt die Bahn die Bagger wieder rollen. Der Bau- und Vergabestopp für das Milliardenvorhaben werde nach mehr als zwei Monaten Stillstand aufgehoben, kündigte der bundeseigene Konzern am Freitag nach einer Sitzung des Lenkungskreises der Projektträger in Stuttgart an.
Land und Bahn konnten sich bei dem Treffen auf kein gemeinsames Vorgehen einigen. „Wir wollen nächste Woche die Bautätigkeiten hochfahren“, kündigte Bahntechnikvorstand Volker Kefer an. Es solle aber vermieden werden, dass die Bagger „martialisch“ vorfahren. „Wir wollen nicht bewusst auf der Baustelle eskalieren“, fügte der Bahnmanager mit Blick auf die zurückliegenden heftigen Proteste gegen Stuttgart 21 hinzu. Der Konzern werde am kommenden Montag über Details informieren.
Die Landesregierung bedauerte die Entscheidung der Bahn. „Wir verstehen nicht, dass man nicht auf das Ergebnis des Stresstests wartet“, sagte der Stuttgart-21-Gegner und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Er kritisierte die Bahn scharf: Ihre mangelhafte Transparenz bei der Kalkulation der Baustoppkosten habe eine Einigung unmöglich gemacht. Weil keine glaubwürdigen und nachvollziehbaren Zahlen des Bauträgers vorgelegen hätten, habe das Land keinen Baustopp beantragt.
Erwartet wird, dass die Bahn zunächst das 17 Kilometer lange Rohrleitungssystem im Stuttgarter Talkessel installiert, mit dem das Grundwasser bei den Tiefbauarbeiten im Gleichgewicht gehalten werden soll. Kefer betonte, vor dem Ende des Stresstests würden keine unumkehrbaren Fakten geschaffen. Auch mit der Vergabe von zwei Tunnelbau-Aufträgen in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro werde bis zur Offenlegung der Testergebnisse gewartet. Am 14. Juli sollen die Resultate der Computersimulation für den geplanten unterirdischen Durchgangsbahnhof im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhofes in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und diskutiert werden.
Hätte das Land einen formalen Antrag auf weiteren Bau- und Vergabestopp gestellt, hätte es sich auch an den dadurch entstehenden Kosten beteiligen müssen: laut Bahn 50 bis 60 Millionen Euro für einen Baustopp bis zur Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse, 410 Millionen Euro bis zur geplanten Volksabstimmung im Oktober.
Hermann widersprach dem Eindruck, nun sei Stuttgart 21 unumkehrbar: „Der Volksentscheid ist der Ort, wo über das Projekt endgültig entschieden wird, und nicht am heutigen Tag.“ Das Land lege großen Wert darauf, dass der Protest gegen den Weiterbau zivilisiert und gewaltfrei ablaufe. (dpa)
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