Stuttgart. Während der Streit zwischen der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg und der Deutschen Bahn um „Stuttgart 21" andauert, schaltet sich jetzt ein Zusammenschluss von mittelständischen, privaten Eisenbahnen und Privatleuten aus der Eisenbahnbranche in die Diskussion ein. Unter dem Namen „Stuttgarter Netz AG" hat sich ein Bündnis gegründet, das sich „für den Erhalt des oberirdischen Hauptbahnhofes von Stuttgart, für ausreichende Kapazität im Eisenbahnnetz sowie für den Erhalt der Möglichkeit, Züge in Stuttgart zu bilden" einsetzen will. Das teilte die Initiative am Dienstag in Stuttgart mit.
Dem Bündnis zufolge entstehen konkurrierenden Anbietern der Deutschen Bahn durch den Bau des unterirdischen Durchgangsbahnhofs und den damit einhergehenden Veränderungen wirtschaftliche Nachteile. So müssten künftig weit entfernt gelegene Abstellkapazitäten für Züge genutzt werden, da diese nach den Plänen der Deutschen Bahn im Raum Stuttgart nur noch in stark reduziertem Maße vorhanden seien. Dieser Benachteiligung will das Bündnis entgegentreten, indem es einige Gleisanlagen des jetzigen bestehenden Stuttgarter Hauptbahnhofs, der Zuführungsstrecken, sowie Rangiergleise des Bahnhofsvorfeldes zum Weiterbetrieb übernehmen will. Es machte deutlich, dass man sich mit diesem Vorhaben nicht gegen den Bau des geplanten Tiefbahnhofs wende, sondern auch erwartete Verkehrszuwächse auffangen wolle, die nach Ansicht des Bündnisses durch den geplanten Tiefbahnhof nicht gewährleistet seien. Angesichts des politisch unumstrittenen Ziels, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, sei es schwer verständlich, warum der Tiefbahnhof nur mit acht Gleisen geplant wurde.
Als ersten Schritt plant das Bündnis, sich als Gesellschaft ins Handelsregister eintragen und als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zulassen zu lassen. Anschließend will die Initiative eine Feststellungsklage gegen die Deutsche Bahn erheben, um festzustellen, ob die oberirdischen Gleisanlagen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung zurückgebaut werden dürfen, wie es die Deutsche Bahn plant. Das Bündnis bestreitet die Rechtmäßigkeit dieses Vorhabens.
Die Stuttgarter Netz AG bestreitet zudem, dass die neu geplante Infrastruktur mit dem unterirdischen Durchgangsbahnhof einen gleichwertigen Ersatz zur oberirdischen Infrastruktur darstellt. Einerseits sei aufgrund des fehlenden Gleisvorfeldes eine Zugbildung alleine mit dem unterirdischen Bahnhof adäquat nicht möglich. Andererseits gebe es unterirdisch keine ausreichenden Kapazitäten, was insbesondere bei erwarteten Verkehrszuwächsen zum Tragen käme.
Das selbst erklärte Ziel des Bündnisses ist es, die Deutsche Bahn zu zwingen, die oberirdische Streckeninfrastruktur im Bereich des Stuttgarter Hauptbahnhofs zur Abgabe an Dritte auszuschreiben, wenn sie diese tatsächlich nicht mehr weiter betreiben möchte. Die Stuttgarter Netz AG steht nach eigenen Angaben dann zur Übernahme bereit: „Wir möchten die oberirdische Infrastruktur zumindest in Teilen weiter betreiben und sehen hierfür sowohl einen Markt als auch einen Bedarf." (jko)