Brüssel. Der Streit zwischen der EU und großen Teilen der internationalen Gemeinschaft um das 2012 von der EU eingeführte Emissionshandelssystem (ETS) zur Senkung des CO2-Ausstoßes geht in eine entscheidende Phase. Die alle drei Jahre stattfindende Generalversammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) beginnt am heutigen Dienstag im kanadischen Montreal. Bei der Veranstaltung soll unter anderem über einen Text verhandelt wird, der für 2020 die Einführung eines weltweit gültigen marktbasierten Systems zur Senkung der CO2-Emissionen im Flugsektor vorsieht. Sollte der Kompromiss-Text in seiner bisherigen Form angenommen werden, würde ETS bis zum Start des internationalen Systems 2020 nur auf innereuropäische Flüge angewendet. Beim ETS-Start 2012 waren auch interkontinentale Flüge von ETS erfasst worden.
Einige EU-Abgeordnete, die sich in führenden Positionen mit dem Thema ETS auseinandersetzen, fürchten jedoch eine weitere Verwässerung des Kompromiss-Textes. In einem offenen Brief an den ICAO-Präsidenten Roberto Kobeh Gonzalez warnen sie vor einer Klausel, die die USA gerne noch in den Text aufnehmen würden. Nach dieser Klausel würden die meisten Länder - darunter auch industrialisierte - nicht von einem internationalen markbasierten Mechanismus ähnlich ETS betroffen sein. „Dann könnte man kaum noch von einer globalen Lösung sprechen“, sagte Peter Liese (CDU) heute bei einem Pressegespräch in Brüssel.
In dem Brief weisen die EU-Abgeordneten darauf hin, dass ETS bereits geltendes EU-Gesetz sei. Jegliche Änderungen müssten vom EU-Parlament gebilligt werden. Zurzeit sei nur die Aussetzung von ETS, das so genannte „Anhalten der Uhr“, für ein Jahr bewilligt. Sollte das ICAO-Ergebnis hinter den EU-Erwartungen zurückbleiben, könnte es sein, dass sich das EU-Parlament für eine Beibehaltung von ETS ausspreche, auch für den interkontinentalen Flugverkehr.
„Wir haben immer erklärt, dass wir als EU-Parlament zu Kompromissen bereit sind und unsere Gesetzgebung anpassen würden, sofern ICAO Ergebnisse liefert. Aber wir können nicht alles akzeptieren. Wir brauchen schließlich eine tragfähige Übergangslösung, bis ein internationales System angelaufen ist. Darum geht es jetzt. Wir werden den Prozess deshalb sehr genau beobachten“, so Liese. Die ICAO-Vollversammlung dauert bis zum 4. Oktober. (kw)