Frankfurt/Darmstadt/Wiesbaden. Mit Blick auf drohende Diesel-Fahrverbote verlangen fünf hessische Großstädte von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Einführung einer blauen Plakette anstelle „digitaler Checkpoints”. „Wir werden es nicht akzeptieren, dass unter dem Deckmantel des Umwelt- und Gesundheitsschutzes derart tief in Grundrechte eingegriffen wird”, heißt es in einem am Dienstag bekannt gewordenen Brief an den Minister zu dessen Plänen einer automatisierten Nummernschild-Erfassung. „Unsere Städte werden sich nicht an dieser verfassungsrechtlich fragwürdigen Datensammlung beteiligen.” Die Unterzeichner sind die Umwelt-Dezernenten von Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Kassel und Gießen.
DUH: Frankfurt wird um Fahrverbote nicht herumkommen
Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, lobt die neuen Vorschläge der hessischen Landesregierung gegen das drohende Dieselfahrverbot in Frankfurt, hält sie aber nicht für ausreichend. «Frankfurt wird um die Diesel-Fahrverbote nicht herumkommen», sagte Resch der dpa. Ziel sei es, den europäischen Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft noch 2019 zu erreichen. Er appellierte jedoch an Land und Städte: „Macht, was ihr könnt!” Denn Maßnahmen wie die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, teure Parkplätze und die Leitung von Verkehrsströmen mit Hilfe der Ampelschaltung könnten Fahrverbote abmildern oder schneller aufheben.
Zu den Aussichten der Verhandlung über Diesel-Fahrverbote für die Landeshauptstadt Wiesbaden am 19. Dezember wollte sich Resch noch nicht äußern. „Dies hängt davon ab, was wir von Wiesbaden noch kriegen.” Gelinge es mit den Maßnahmen den Grenzwert zu unterschreiten, „freuen wir uns”.
Für Darmstadt soll es - ebenfalls bis zum 19. Dezember - zu einer außergerichtlichen Einigung kommen. Das Land hat bereits ein Fahrverbot für den City-Tunnel vorgeschlagen. Die Verhandlungen mit der Umwelthilfe beginnen am 7. Dezember. Wenn es keine Einigung gibt, verkündet das Verwaltungsgericht ein Urteil. „Uns geht es nicht darum, jemanden zu triezen, sondern wir wollen saubere Luft”, sagte Resch. „Deshalb kämpfen wir ja auch so erbittert für die Diesel-Nachrüstung.”
Das Umweltministerium hatte für Frankfurt die Einrichtung zusätzlicher Busspuren im Innenstadtbereich, die Ausweitung und Optimierung von Park & Ride-Flächen rund um das Stadtgebiet und die Einrichtung sogenannter Pförtnerampeln vorgeschlagen, die den Verkehrszufluss in die Stadt effektiver und effizienter regulieren sollen. Damit soll das drohende Fahrverbot für Frankfurt noch verhindert werden. Die Entscheidung liegt beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel.
Kritik an der Nummernschild-Erfassung
Die fünf Großstädte kritisieren, statt einer günstigen, praktikablen und leicht verständlichen Regelung setze Scheuer bei der Kontrolle von Diesel-Fahrverboten auf eine Nummernschild-Erfassung, „die jede einzelne Fahrt unbescholtener Bürger in unseren Städten in bestimmten Straßenabschnitte aufzeichnen”. Für diese „skandalöse Datensammlung” sollten die Bürger auch noch bezahlen, denn die Kosten für die Installation der Videoerfassung sollten die Städte übernehmen.
„Wir können nur an Sie appellieren, endlich das Fachwissen und die jahrelangen Erfahrungen der Kommunen in der Gesetzgebung zu nutzen, anstatt sich die Luftreinhaltepolitik (...) von der Automobilindustrie diktieren zu lassen”, heißt es in dem Brief an Scheuer. Die drohenden Fahrverbote seien Folge des Diesel-Betrugsskandals und fehlender Unterstützung der Bundesregierung im Kampf gegen gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2).
Scheuer weist Kritik zurück
Der Verkehrsminister wies die Kritik zurück. „Der Bund will absolut keine Massenüberwachung der Autofahrer.” Es gehe um nachhaltige Lösungen, die die Luft besser machten und die Mobilität der Bürger erhielten. „Dazu werden keine Daten der Autofahrer gesammelt, wie es die fünf grünen hessischen Umweltdezernenten fälschlicherweise behaupten.” Auch die Bundes-Datenschutzbeauftragte habe dem Gesetzentwurf zugestimmt. Eine blaue Plakette lehnte Scheuer erneut ab. Sie sei „der Einstieg in eine flächendeckende Verbotspolitik”. (dpa)