So haben Sie das richtige WMS auf Lager

Das Warehouse-Management-System (WMS) ist das Herz und Hirn der Prozesssteuerung im Lager. Es soll nicht nur den Bestand verwalten, sondern Lagerprozesse optimieren, Abläufe transparenter machen und nicht zuletzt Kosten reduzieren. Die Funktionalitäten eines WMS reichen heutzutage weit über die Ein- und Auslagerung oder die Bestandsverwaltung hinaus. Dies grenzt sie von reiner Lagerverwaltungssoftware (LVS) ab. Neben Steuerungs- und Verwaltungsfunktionen optimiert das WMS etwa das Retourenmanagement, hilft Lagerleitern und Personalern bei der Erstellung der Schichtpläne, bindet das Auftragsmanagement ein und ist unter Umständen sogar in der Lage, die Bewegungen auf dem Hof (Yard-Management) abzubilden und zu steuern. Kennzahlen aus Business-Intelligence-Anwendungen können mit dem Geschehen im Lager verknüpft und in Form von Dashboards ausgespielt werden. So wandelt sich eine Software, die ursprünglich lediglich intralogistische Prozesse abbildete und steuerte, dank immer engerer Verzahnung mit weiteren IT-Systemen zur Logistiksoftware. Die Motivation, warum Unternehmen ein WMS brauchen, ist denn auch so heterogen wie die Logistik selbst. An erster Stelle der Top-5-Wachstumsfaktoren für den WMS-Markt, die das Fraunhofer IML in ihrem WMS-Marktreport 2018 ermittelte, steht die Automatisierung, gefolgt von E-Commerce/Mobile-Commerce. Faktor Automatisierungsgrad Welches WMS das passende ist, hängt davon ab, wie komplex die abzubildenden Prozesse sind. Ein Logistiker, der vornehmlich im E-Commerce unterwegs ist, dürfte aufgrund der hohen Zahl an unterschiedlichen Artikeln und immer knapperen Lieferfenstern bis hin zur Same-Day-Delivery andere Ansprüche an ein WMS haben als ein Lagerbetreiber, der von Papierlisten auf eine systemgeführte Kommissionierung umstellt. Ein weiteres zentrales Kriterium ist der Automatisierungsgrad. Müssen ein automatisches Kleinteilelager, ein Shuttle-Lager, Fördertechnik oder Kommissionier-Systeme wie Pick-by-Voice, Pick-by-Light oder Pick-by-Vision angebunden werden? Die schönsten Funktionalitäten eines WMS bringen dem Anwender wenig, wenn es nicht passgenau auf die individuelle Systemlandschaft, in das es eingebettet werden soll, abgestimmt ist. Suite-Lösungen auf dem Vormarsch Der Trend zur Verzahnung des WMS mit nach- und nebenstehenden Systemen spiegelt sich auch in der Struktur der Anbieterlandschaft wider. Hier muss zwischen "puren" WMS-Anbietern, Anbietern von modular aufgebauten Logistik-Suites, die beispielsweise neben einem WMS auch eine Transport-Management-Software bieten, und schließlich den Lagertechnik-Anbietern unterschieden werden. Laut Fraunhofer IML geht der Trend eindeutig zu den Suite-Anbietern: Deren Marktanteil stieg von 2010 bis 2018 von 37 auf 51 Prozent. Der Anteil der reinen WMS-Anbieter dagegen schrumpfte im gleichen Zeitraum von 43 Prozent auf nur noch 26 Prozent. Gerade bei heterogenen IT-Landschaften setzten Anwender mittlerweile vermehrt auf Suite-Anbieter, um Schnittstellenproblematiken zu reduzieren, heißt es seitens der Dortmunder Forscher. Genaue Prozessanalyse erforderlich Lagerbetreiber haben also die Qual der Wahl. Wie wichtig eine ausführliche Anbieterrecherche ist, weiß Christoph Groß, Digitalisierungsberater beim SCC-Center aus München, aus erster Hand: "Viele Anwender machen den Fehler, auf Anbieter zurückzugreifen, die man von befreundeten Unternehmen, von Messen oder aus der Presse kennt." Dabei sei fraglich, ob zu dieser Gruppe tatsächlich der Anbieter gehört, der die beste Lösung für die individuellen Ansprüche darstellt. Anstatt sich auf Annahmen zu verlassen, empfiehlt der Experte, Anforderungen im Lasten- und Pflichtenheft genau zu definieren und sich nicht von Alternativfunktionen ablenken zu lassen, die am Ende den eigenen Anforderungen nicht gerecht werden (siehe auch Checkliste). Orientierung im Anbieterdschungel Um eine erste Orientierung in der unübersichtlichen Anbieterlandschaft zu schaffen, hat LOGISTIK INSIDE in Kooperation mit Daten der Trovarit AG aus dem IT-Matchmaker und dem SCC-Center auf den folgenden Seiten die Marktübersicht WMS/LVS erstellt. Von der Anzahl der Installationen über Zielgruppe und Branche bis hin zum Preismodell und zu den einzelnen Funktionen, die die Systeme mitbringen - hier finden Sie die Key Facts zu über 40 Marktteilnehmern, die dem Portal Speditionssoftware-Vergleich. de entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt haben. Auch zu den unterstützten Server-Betriebssystemen und -datenbanken, Clients, Apps und zur Standard-Integration zu ERP-Systemen gibt die Übersicht Auskunft. Auf dem Profiportal VR-Plus finden Verkehrs-Rundschau-Abonnenten die Marktübersicht in erweiterter Form. Welches WMS zu den eigenen Anforderungen passt, lässt sich zudem auf der Webseite Speditionssoftware-Vergleich.de in der Unterkategorie Lagerverwaltung (LVS/ WMS) recherchieren. Checkliste für die Projektarbeit Strukturieren Sie Ihren Auswahlprozess. Kombinieren Sie für Ihre Marktrecherche verschiedene Quellen, um den potenziell besten Anbieter zu finden.Definieren Sie Anforderungen (Lastenheft, Pflichtenheft) und Ziele genau, und lassen Sie sich nicht vom Anbieter mit Alternativfunktionen ablenken, die aber Ihren Anforderungen nicht gerecht werden.Wählen Sie nicht automatisch einen altbekannten Anbieter oder Marktführer. Recherchieren Sie, ob es nicht Alternativen gibt, die einen Mehrwert für genau Ihr Unternehmen und Ihre individuellen Anforderungen liefern.Ersetzen Sie Annahmen durch Fakten, und treffen Sie erst dann Ihre Entscheidung. Ansonsten könnte es sein, dass einiges im Projekt schiefläuft, von dem Sie angenommen haben, dass es schon passen würde.Glauben Sie dem Anbieter nur das, was er auch bewiesen hat.Beziehen Sie ausreichend Mitarbeiter mit entsprechenden Qualifikationen aus allen Bereichen und Verantwortungsebenen in die Projektarbeit ein und beteiligen Sie diese am Erfolg.Legen Sie großen Wert auf Dokumentation, Schulung der Mitarbeiter und ständiges Üben, damit am Go-live-Tag alles möglichst reibungslos läuft.Ihre Kernkompetenz liegt nicht bei der Auswahl und Einführung von IT-Lösungen? Dann holen Sie sich für die Auswahl Ihres Warehouse-Management-Systems qualifizierte externe Hilfe. BUCHTIPP Das Buch "Digitalisierung in Industrie, Handel und Logistik" von Digitalisierungsberater Christoph Groß und Roland Pfennig, Professor für Wirtschaftsinformatik im Studiengang Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik an der Hochschule Heilbronn, beschreibt ausführlich alle Aspekte der Digitalisierung in Industrie, Handel und Logistik - von der Prozessanalyse bis zur Einsatzoptimierung. Der Leitfaden zeigt auf, wie wichtig es dabei ist, sämtliche Funktionen, Daten und Prozesse für die entsprechenden Bereiche abzubilden und deren Relevanz für das eigene Unternehmen zu prüfen. Zahlreiche Beispiele und Expertentipps helfen dem Leser auf dem Weg zum "mündigen" Softwareanwender.Digitalisierung in Industrie, Handel und LogistikAutoren: Christoph Groß, Roland Pfennig Verlag: Springer Gabler 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2019