Sinnvolles Projekt wird torpediert

Interview Sinnvolles Projekt wird torpediert Voigt Logistik zählt zu den führenden Logistikbetrieben in Norddeutschland und ist einer der Pioniere beim Einsatz von Lang-LKW. Im Interview erläutert Unternehmenschef Henning Voigt seine Erfahrungen mit dem Feldversuch und sagt, welche Themen Mittelständler derzeit bewegen. Herr Voigt, auf Ihrer Internetseite kann ein jeder fünf Webcams steuern, die Ihre Lagerhallen filmen, und sich so ein Livebild vom Unternehmen machen. Technische Spielerei, oder hat es einen tieferen Sinn? Das ist eher eine technische Spielerei. Wie wichtig ist IT-Kompetenz für ein mittelständisches Speditionsunternehmen wie Voigt Logistik? War schon immer wichtig, wird aber immer wichtiger. Es fließen mittlerweile hohe Investitionen in diesen Bereich. In welchen IT-Bereich haben Sie besonders investiert? Zum einen in unsere Speditionssoftware für die Abläufe in unserer Stückgutkooperation DHL-Unitrans. Außerdem haben wir eine neue Finanzbuchhaltung eingeführt. Das Highlight war sicherlich die Einführung eines neuen Logistik- und Warehousing-Programms in den vergangenen drei Jahren. Durch diese neue Software mit vielen individuellen Programmierungen sind wir nun in der Lage, mit allen Kunden vernünftig Daten auszutauschen. Wie viel haben Sie in das System investiert? 350.000 Euro. Sie haben sich für den mittelständischen Softwareanbieter Godesys entschieden, warum nicht für den Fast-Standard SAP? Godesys ist für mittelständische Unternehmen eine sehr gute Software, über SAP haben wir auch nachgedacht. Ich halte unser Unternehmen für eine SAP-Lösung aber noch für zu klein. Weg von der IT. Über welches Thema machen Sie sich als Speditionsgeschäftsführer gerade am meisten Gedanken? Die Verkehrsinfrastruktur. Konkret der Ausbau der Straße und der Schiene, hier wird derzeit nicht genug investiert. Ich sehe große Probleme durch die prognostizierten Zuwächse im Güterverkehr von etwa 70 Prozent bis 2025 auf uns zukommen. Ich befürchte, dass unser deutsches, aber auch das europäische Straßennetz dieses Wachstum nicht mehr aufnehmen kann. Und auch die Schiene ist ja heute schon auf einigen Strecken ausgebucht. Spüren Sie die Engpässe schon heute? Ja, uns im Norden von Deutschland betrifft das ganz besonders. Durch das Nadelöhr Hamburger Elbtunnel verlieren wir jeden Tag bei jeder Tour zwischen 15 und 30 Minuten durch Staus. Und unseren Hof verlassen jeden Abend 80 bis 100 LKW-Züge. Da kommt einiges an Zeit pro Jahr zusammen. Deshalb hoffen wir sehr, dass die neue schleswig-holsteinische Landesregierung die neue A 20 mit der westlichen Elbquerung zügig weiterbaut. Das wäre eine wirkliche Entlastung für den Raum Hamburg. Ist die Bahn eine Alternative? Wir investieren schon seit einiger Zeit in KV-fähige Trailer. Zusammen mit anderen Speditionen aus Norddeutschland haben wir außerdem eine Eisenbahngesellschaft gegründet. Mit dieser wollen wir Schienenverkehre mit Herne und Frankfurt am Main aufnehmen. Leider konnten wir diese Transporte noch nicht starten, weil wir keine wirtschaftliche Auslastung für diese Ganzzüge erreichen können. Wir müssen warten, bis der wirtschaftliche Druck weiter steigt, um den Zug füllen zu können. Sie gehen also davon aus, dass dieser Tag kommen wird? Eigentlich rechnen wir schon seit zwanzig Jahren damit und nehmen immer wieder neue Anläufe. Ich bin aber sicher, dass dieser Zug früher oder später fahren wird. Warum warten die Kunden ab? Die Kunden sind ja auch andere Spediteure und Transportunternehmen. Die Schiene ist derzeit noch nicht günstiger als der LKW, darum warten die meisten noch ab. An Zuverlässigkeit und Schnelligkeit liegt es nicht, da wir einen planbaren Nachtsprung anbieten können. Den Slot auf dem Netz hätten wir. Es ist in diesem Fall eine Kostensache. Aber wenn Maut und Diesel weiter steigen, wird die Verbindung attraktiv werden. Sie gehören zu den Pionieren des Lang-LKW. Kritiker sagen, durch die Fahrzeuge kommt es zu Verlagerungen von der Schiene auf die Straße. Sehen Sie das auch so? Nein, Güter, die sich für Lang-LKW eignen, werden zum überwiegenden Teil auch heute schon über die Straße versendet. Das sind vor allem Systemgüter wie Pakete und Stückgut. Dieses Argument kann ich nicht nachvollziehen. Die Kritiker des Lang-LKW führen auch ins Feld: Überlange Fahrzeuge gefährden den Straßenverkehr. Sie lassen jeden Tag Lang-LKW rollen, häufen sich hier die Unfälle? Wir konnten bisher keine Probleme feststellen. Es läuft alles wunderbar. Der Lang-LKW ist sogar sicherer als ein normaler LKW, da dieser die 40 Tonnen Gesamtgewicht auf acht statt fünf Achsen verteilt. Durch die sechs Reifen mehr auf der Straße verkürzt sich der Bremsweg deutlich. Viele rot-grüne Bundesländer blockieren den Feldversuch des Bundes mit Lang-LKW. Ärgert Sie das? Ja, denn hier wird ein sinnvolles Projekt, das wissenschaftlich untersucht werden soll, unnütz torpediert. Nach dem Feldversuch, wenn die Ergebnisse auf dem Tisch liegen, können die Parlamente ja eine Entscheidung dafür oder dagegen treffen. Mit der Blockade schon des Feldversuchs berauben wir uns aber einer guten Möglichkeit, Umwelt- und Verkehrsprobleme kostengünstig und schnell zu lösen. Denn statt drei normaler LKW fahren auf unseren Touren nun nur zwei Lang-LKW. Schleswig-Holstein hat vor Kurzem eine rot-grüne Landesregierung bekommen, die aus dem Feldversuch aussteigen will. Sind Ihre Lang-LKW-Fahrten in Gefahr? Wirtschaftsminister Reinhard Meyer hat uns in einem sehr konstruktiven Gespräch zugesichert, dass unsere LKW im Rahmen des Feldversuchs weiterfahren dürfen. Würden Sie auch neue Lang-LKW-Verkehre in Schleswig-Holstein genehmigt bekommen? Ich könnte mir es vorstellen. Es ist aber derzeit nichts geplant. Viele Spediteure berichten, dass gerade bei der Erteilung der Genehmigung für die Zufahrt zum Lager des Empfängers Probleme auftreten. Konnten Sie dies auch feststellen? Ja, bei der letzten Meile gibt es die größten Probleme. Die zuständigen kommunalen Behörden und Oberbürgermeister verweigern uns oftmals die Zufahrt zum Ziellager. Die Zufahrten sind zwar genehmigungsfähig, aber die zuständigen Verantwortlichen trauen sich nicht, ihre Unterschrift unter die Genehmigung zu setzen. Hierfür habe ich wenig Verständnis. Was sollte die Politik tun? Die Politik sollte die Polemik aus der Diskussion nehmen und die Fakten sachlich betrachten. Denn ich kann die Bedenken von SPD und Grünen nicht nachvollziehen. Bei meinen Gesprächen stelle ich auch immer wieder fest, dass die Politiker oftmals nicht richtig informiert sind. Dies liegt vielleicht an der starken Lobby gegen den Lang-LKW, die Angst und Falschinformationen verbreitet. Wird der Feldversuch ein Erfolg werden und macht er Ihnen noch Spaß? Ich bin nicht mehr so euphorisch wie noch vor zwei Jahren, würde es aber noch mal starten. Und der Feldversuch wird erfolgreich sein, wenn die ersten Lang-LKW erst einmal rollen. Dann werden wir ein Schneeballsystem erleben und immer mehr Unternehmen werden sich beteiligen. Sie sind in vielen Logistikmärkten aktiv. Welcher Bereich bereitet Ihnen viel Freude? Unser deutschlandweites Stückgutnetzwerk im Rahmen unserer Beteiligung an Unitrans läuft derzeit sehr gut und entwickelt sich auch sehr schön. Auch internationale LKW-Verkehre haben sich gut entwickelt, wobei hier schon Eintrübungen aufgrund der europäischen Wirtschaftskrise zu beobachten sind. Und sehr viel Spaß machen uns derzeit neue Projekte im Bereich Warehousing und Outsourcing. Hier planen wir gerade wieder den Neubau eines 12.000 Quadratmeter großen Multi-User-Warehouses hier am Standort Neumünster, wo wir schon über 60.000 Quadratmeter Logistikfläche verfügen. Dadurch können wir Bestandsgeschäfte besser abwickeln und haben auch Platz für neue Kunden. Folgen Sie hier der Marktentwicklung? Beim Stückgutnetz ja. Als individuelle Entwicklung würde ich unser Warehousing-Geschäft mit unseren speziellen Logistiklösungen bezeichnen. Hier sind wir im Markt sehr gut aufgestellt. Welcher Markt ist derzeit am schwierigsten? Wir sind ja auch Gesellschafter der Deutschen Möbelspedition. Der Markt ist schwer. Immer mehr Leute nehmen sich einen Leihwagen und machen ihren Umzug selbst. Nicht ganz einfach ist derzeit auch der reine Ladungsverkehr, sowohl national als auch international. Hier finden sich am Markt viele Überkapazitäten sowie Billiganbieter aus Osteuropa. Welche Kundenwünsche haben in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen? Hier will ich zwei nennen: Die Kunden wollen zum einen eine hundertprozentige Transparenz. Sie wollen wissen, wo sich ihre Sendung befindet. Und: Eine Laufzeitzuverlässigkeit von 96 bis 98 Prozent innerhalb von 24 Stunden im nationalen Verkehr ist heutzutage ein Muss. Und das Thema Umwelt? Ja, Großkunden wollen auch Green Logistics und fordern seit Kurzem eine CO2-Bilanz von uns. Also wie viel Kohlendioxid pro Sendung durch Transport und Logistik verursacht wird. Das gab es vor ein paar Jahren noch nicht. Und verlangen die Verlader dies bei ihrer Auftragsvergabe? Ja, umweltfreundliche Prozesse spielen in den Ausschreibungen eine immer wichtigere Rolle. Was wünschen Sie sich von den Verladern? Die Auflösung des Europalettenpools. Den gibt es ja eigentlich nur noch in Deutschland. In anderen Ländern hat der Spediteur mit den Kosten für die Paletten nichts mehr zu tun, hier gehört die Palette einfach mit zur Ware. In Deutschland verursacht das System uns Spediteuren hohe Kosten, ohne dass wir einen Vorteil davon haben. Welche Marktentwicklung erwarten Sie für die kommenden Monate insgesamt? Wir können feststellen, dass wir im Sendungsvolumen schon jetzt drei bis fünf Prozent unter dem Vorjahr liegen. Wir glauben, dass es in diesem Jahr kein Wirtschaftswachstum geben wird und wir in eine kleine Rezession wie vor drei Jahren treiben werden. Davon gehen wir ganz fest aus. Wie sehr bewegt Sie die Euro-Krise? Das beunruhigt mich sehr. Welche Entwicklung würde Sie am meisten beunruhigen? Ich hoffe, dass der Euro hält, er ist wichtig für uns. Die Länder müssen ihre Verschuldung in den Griff bekommen. Welche Maßnahmen ergreifen Sie zur Absicherung von Risiken durch die Euro-Krise? Was kann man tun? Eigentlich können wir nur hoffen. Risiko Kraftstoffpreise: Mit wie vielen Kunden haben Sie eine Dieselgleitklausel vereinbart? Mit allen! Seit 2004 haben wir in unseren Tarifen eine Anpassung an einen Dieselindex eingebaut. Wir sind also nur indirekt betroffen. Transporte per LKW werden aber immer teurer, da der Anteil des Kraftstoffs an den Gesamtkosten mittlerweile schon 27 bis 30 Prozent ausmacht. Deshalb engagieren wir uns auch für kombinierte Verkehre mit der Bahn. Denn ich gehe davon aus, dass der Liter Diesel irgendwann über zwei Euro kosten wird. Hat der Mittelstand eine Chance im hartumkämpften Logistikmarkt? Die Konzentration nimmt zwar weiterhin zu, aber viele mittelständische Kunden setzen oftmals auch ganz bewusst auf mittelständische Logistikpartner. Die Logistikkonzerne haben dies erkannt und kooperieren deshalb immer häufiger mit mittelständischen Speditionen. Vieldiskutiert – Wartezeiten an den Rampen der Läger des Handels. Ein Problem für Sie? Ja, der Handel lässt uns teilweise lange warten. Und die Zeitfensterbuchungen bereiten uns viele Probleme. Durch die uns vorgegebenen Entladezeiten lassen sich immer häufiger keine wirtschaftlichen Rundläufe für die Fernverkehrszüge realisieren. So fahren wir beispielsweise nachmittags von Neumünster nach Hannover, dürfen am Folgetag aber erst um 16 Uhr abladen. Unser LKW steht dann den ganzen Tag da rum. Früher hat er morgens entladen und konnte wieder eine Rückladung annehmen. Die Zeitfenster machen das Geschäft für uns immer komplizierter und damit uninteressanter. Wie lässt sich das Problem lösen? (denkt nach) Der Handel nutzt seine starke Position so sehr aus, dass ich hier derzeit leider kaum Verbesserungen sehe. Was ist denn eine angemessene Wartezeit? Für eine LKW-Ladung sollte die Wartezeit, bis also die Entladung beginnt, nicht mehr als eine Stunde dauern. In der Realität sind es aber drei bis fünf Stunden. Haben Sie schon in Euro-6-Fahrzeuge investiert? Wir haben gerade noch mal fünf neue Mercedes Actros mit Euro 5 bekommen. Die nächsten Fahrzeuge werden wir aber wohl in Euro 6 bestellen. Die Kostenstruktur von Euro 6 war bisher nicht ganz eindeutig. Jetzt sehen wir etwas klarer, sodass wir nun in Euro 6 investieren werden. ❙❚■ Andre Kranke Interview Voigt Logistik Der Logistikdienstleister Voigt Logistik beschäftigt am Hauptsitz in Neumünster rund 300 Mitarbeiter. Außerdem ist das Schleswig-Holsteiner Unternehmen zu fünfzig Prozent an der Spedition Krüger + Voigt in Parchim in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt, wo noch einmal 200 Mitarbeiter angestellt sind. Des Weiteren ist Voigt Gesellschafter der NVAG Logistik in Niebüll, die sich um die Warenversorgung der Nordseeinseln Sylt, Föhr und Amrum kümmert. Voigt ist auch Mitbegründer des Stückgutnetzwerkes Unitrans, das 1989 von mehreren Mittelständlern ins Leben gerufen wurde. Über Unitrans ist Voigt auch mit dem DHL-Stückgutnetzwerk verbunden. Mit dem Bonner Post-Konzern hat die Spedition aus Neumünster außerdem die DHL-Voigt International für Stückgut und Ladungsverkehre innerhalb von Europa gegründet. Der Hauptumsatz der Voigt-Gruppe von etwa 85 Millionen Euro wird zu etwa 80 Prozent mit dem nationalen Stückgutnetz erzielt, wo täglich 40 nationale und 15 internationale Verkehre allein von Neumünster aus durchgeführt werden. Voigt verfügt am Stammsitz über einen Fuhrpark von 160 LKW der Marken Mercedes-Benz und MAN. Das zweite Standbein der Voigt-Gruppe ist der Bereich Ware-housing. Der Logistikdienstleister verfügt insgesamt über eine Lagerfläche von rund 85.000 Quadratmeter. Außerdem ist Voigt auch im Bereich Paket, Ladungsverkehre, See- und Luftfracht sowie Möbellogistik aktiv. In den vergangenen Jahren hat die Voigt-Gruppe ein starkes Wachstum erlebt. Der Umsatz hat sich in diesem Zeitraum etwa verdoppelt, getrieben vor allem durch Umsatzsteigerungen im internationalen Landverkehr sowie im Bereich Warehousing und Logistiklösungen. Zu den Hauptkunden zählen Industrie- und Handelsunternehmen wie Dräger, Lekkerland, Danfoss, ACO und Grundfos. ak Das Unternehmen Voigt-Zentrale in Neumünster Henning Voigt, geschäftsführender Gesellschafter der norddeutschen Voigt Logistik Interview Vita Henning Voigt Henning Voigt (51) ist geschäftsführender Gesellschafter des 1933 gegründeten Familienunternehmens Voigt Logistik. Der in Neumünster geborene gelernte Speditionskaufmann und Verkehrsfachwirt (DAV) ist 1985 in das väterliche Unternehmen eingetreten und übernahm im Jahr 1990 die Geschäftsführung. Henning Voigt ist Vater von zwei Kindern und in seiner Freizeit begeisterter Segler und Golfspieler. ak Zwei statt drei Laster Die Spedition Voigt organisiert auf Basis einer Ausnahmegenehmigung und dann im Rahmen des Feldversuchs seit 2009 jeden Tag mehrere Lang-LKW-Fahrten. Organisiert werden täglich zwei Touren von einem Kunden in Rendsburg zum Voigt-Logistikzentrum nach Neumünster sowie täglich zwei Touren von Stapelfeld nördlich von Hamburg nach Neumünster. Transportiert werden hier Handelsgüter und Baustoffe. Vor den Lang-LKW-Fahrten verkehrten jeweils drei statt nun zwei LKW pro Tag. Geplant ist außerdem eine Lang-LKW-Verbindung von Neumünster nach Hannover sowie eine Tour von einem Kunden in Lübeck in den Großraum Frankfurt/Main. Auch hier soll jeweils eine LKW-Tour pro Woche eingespart werden. Befördert werden sollen medizinische Geräte. Für diese zwei Verkehre stehen noch die Genehmigungen für die letzte Meile aus. Voigt geht aber von einer Aufnahme der Transporte noch in diesem Jahr aus. ak Lang-LKW der Spedition Voigt Lang-LKW-Pionier

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