Die steigenden Energiepreise machen nicht nur die Unternehmen im Straßengüterverkehr zu schaffen. Jetzt meldet sich auch der europäische Schienengüterverkehrsverband ERFA zu Wort. „Ohne Unterstützung in dieser extremen Situation, die sich unserer Kontrolle entzieht, ist es schwer vorstellbar, wie wir verhindern können, dass Betreiber den Markt verlassen“, sagt ERFA-Präsident Dirk Stahl, selbst Chef der Schweizer Privatbahn BLS Cargo.
Vor allem kleineren und mittleren Bahnen sind konkursgefährdet
Die hohen Strompreise könnten nach Aussage des Verbandes fatale Folgen für den Gesamtmarkt haben. Sie hätten das Potential, nicht nur die Verkehrsverlagerung umzukehren, sondern auch die Zusammensetzung des europäischen Schienengüterverkehrs grundlegend zu verändern. „Vielen kleineren und mittleren Eisenbahnunternehmen droht das Ausscheiden aus dem Markt oder sogar der Konkurs, je nachdem, wie sich die Energiepreispolitik entwickelt“, heißt es in einer Mitteilung der ERFA. In der ERFA sind Güterbahnen und Unternehmen des Schienengüterverkehrssektors (Operateure, Speditionen, Waggonhalter, etc.) organisiert.
In einigen Mitgliedsstaaten hätten sich die Energiepreise in den letzten Monaten verzehnfacht. Doch müssten jetzt Schienengüterverkehrsunternehmen, die nicht genügend Energie für 2022 und 2023 eingekauft haben, die Energieversorgung sicherstellen müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. In vielen Fällen, insbesondere für kleinere Betreiber, sei der Abschluss solcher Vereinbarungen keine praktikable Option. Entweder müssten dann die Kosten an die Kunden weitergegeben werden oder, falls dies nicht möglich ist, müssten die Betreiber den Markt verlassen oder in einigen Fällen sogar in Konkurs gehen, befürchtet die ERFA.
„Die Situation wird in den nächsten Monaten kritisch“
Der Verband sieht die reale Gefahr einer Marktkonsolidierung, die durch steigende Energiepreise ausgelöst wird. Dies könnte in Ländern ausgeprägter sein, in denen die etablierten Betreiber einen günstigeren Zugang zu Finanzierungen über Holding-Organisationen oder direkte Einkaufsbedingungen von etablierten Energieversorgern haben als die Herausforderer.
„Die Situation wird in den nächsten Monaten kritisch, und es ist wichtig, dass auf europäischer und nationaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden“, forderte Stahl. Daher richtet der Verband an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten den Appell, Maßnahmen zu ergreifen, um die Energiepreise im Sektor Schienengüterverkehr kurzfristig zu begrenzen. Als Teil einer längerfristigen Lösung werde es notwendig sein, einen nachhaltigen Preismechanismus für Energie im Schienengüterverkehr zu finden. „Die ERFA unterstützt nachdrücklich eine Obergrenze für die Energiepreise im Schienengüterverkehr und die Anerkennung des Schienengüterverkehrs als strategische Dienstleistung“, sagte ERFA-Generalsekretär Conor Feighan.
UIRR: Nachteile im Vergleich zum Lkw
In dieser Woche hatte sich auch die UIRR kritisch zu Wort gemeldet. Die Internationale Vereinigung für den Kombinierten Verkehr Schiene-Straße mit Sitz in Brüssel hatte die Politik aufgerufen, dringend für regulierte Bahnstrompreise zu sorgen. „Die Europäische Kommission sollte den Mitgliedstaaten ausdrücklich vorschlagen, dass die Akteure des Kombinierten Verkehrs zu einer volatilen Verbrauchergruppe erklärt werden, die einen regulierten Strompreis verdient. Der intermodale Güterverkehr sollte mit Blick auf seine herausragende sozio-ökonomische Leistung von den explosiven Strompreiserhöhungen angemessen abgeschirmt werden“, sagte der UIRR-Präsident Ralf-Charley Schultze.
Die UIRR wies in diesem Zusammenhang auch auf die Wettbewerbsbedingungen zur Straße hin. „Die Preise für Bahnstrom sind in der gesamten Europäischen Union je nach Mitgliedstaat um 300 bis 1000 Prozent gestiegen“, heißt es in einer Mitteilung. Demgegenüber hätte die Internationale Straßenverkehrsunion (IRU) vor kurzem bestätigt hat, dass der Preis für Dieselkraftstoff vor Steuern, der im Fernverkehr verwendet wird, seit Januar dieses Jahres nur um 69 Prozent gestiegen sei. (cd)