Scania V8 gegen Sechszylinder: Bruder-Kampf auf Schnee und Eis

In Kürze Optisch nahezu identisch, finden sich bei diesen beiden Scania umso deutlichere Unterschiede im Maschinenraum. Zwei Zylinder trennen die Test-Probanden, was für völlig verschiedene Charakteristiken sorgt. V8-Kult hin oder her, auch Scania-Kunden müssen wirtschaftlich arbeiten. Weshalb auch hier der Großteil der ausgelieferten Fahrzeuge von einem Sechszylinder-Diesel angetrieben werden. Und das nicht nur, seit man in Södertälje Ende 2021 den neu entwickelten "DC13 Super" nachlegte. Auf bis zu 560 PS bringt es der 12,7 Liter große Sechszylinder, womit er dem um 3,7 Liter hubraumstärkeren V8 recht nah auf die Pelle rückt. Aber natürlich hält man in Schweden den Achtzylinder nicht aus Hobby im Programm und hebt ihn tapfer über jede neue strengere Abgasnorm hinweg - mittlerweile längst als einziger europäischer Lkw-Hersteller. Abgesehen von den eigentlichen Leistungsdaten des Aggregats, genießt der prestigeträchtige Achtzylinder unter den Fans der Marke schließlich einen echten Kultstatus, was auch ein Verdienst eines langjährigen und geschickten Marketings ist. Doch stiehlt der "kleine" Super-Bruder dem V8 am Ende wirklich die Show oder bleibt Letzterer weiterhin ein Fels in der Brandung für souveräne Kraftentfaltung und entspanntes Fahren? Fragen, auf die dieses markeninterne Duell auf den winterlichen Straßen Norwegens Antworten liefern soll. 560 PS und 2800 Nm Drehmoment Der neue DC13-Sechszylinder tritt siegeswillig in der bereits erwähnten, stärksten Variante an. 560 PS und beeindruckende 2800 Newtonmeter Drehmoment ab frühen 900 Touren wirft er ins Rennen, das verspricht souveräne Power. Nur zur Einordnung: Der "kleine" Scania bietet damit bereits deutlich mehr Leistung, als mancher europäischer Wettbewerber überhaupt im Programm hat.Angesichts der aus deutscher Sicht beeindruckenden Kipper-Konfigurationen, in der die Testfahrzeuge antreten, werden wir diese Kraft auch brauchen: Bei den 6x4-Fahrgestellen folgt ein dreiachsiger Kippanhänger. Satte 50 Tonnen bringen die beiden Züge jeweils auf die Waage. Technische Daten Scania R 560 Super Scania R 590 V8 Motor Bauart Sechszylinder-Reihenmotor Achtzylinder-V-Motor Aufladung einstufiger Turbolader gleitgelagerter Single-Turbo Einspritzsystem Common Rail (Scania XPI) Common Rail (Scania XPI) Bohrung x Hub 130 x 160 mm 130 x 154 mm Verdichtung 23,0 : 1 22,0 : 1 Hubraum 12.740 cm3 16.400 cm3 Leistung Nennleistung 560 PS (412 kW) bei 1800/min 590 PS (434 kW) bei 1900/min Maximales Drehmoment 2800 Nm bei 900-1400/min 3050 Nm bei 925-1350/min Getriebe Typ Scania Opticruise G33CM Scania Opticruise G33CM Anzahl Gänge 12 Vorwärtsgänge + Overdrive im 12. Gang; 1 x Crawler, maximal 8 Rückwärtsgänge 12 Vorwärtsgänge + Overdrive im 12. Gang; 1 x Crawler, maximal 8 Rückwärtsgänge Norwegische Kipper-Konfiguration Wer sich übrigens über die auffällig langen Deichseln der Trailer wundert: Diese sind laut dem mitfahrenden Scania-Unterweiser weniger einer brückenschonenden Lastverteilung geschuldet, sondern dem Vorteil, dass die norwegischen Kipper-Fahrer ihren Zug auf diese Weise so einknicken können, dass das Abkippen der Fracht nach hinten auch funktioniert, ohne den Anhänger vorher umständlich abkuppeln zu müssen. In Skandinavien scheint auf den Baustellen deutlich mehr Raum für solche Manöver gegeben zu sein, als das bei uns meist der Fall ist . Seinen Anspruch als "V8-Schreck" unterstreicht der 560er-Super auf den topo-grafisch anspruchsvollen Straßen Norwegens. Wenn wir ganz ehrlich sind, braucht niemand noch mehr Leistung - selbst mit 50 Tonnen im Genick. Zu keinem Zeitpunkt entsteht das Gefühl, untermotorisiert unterwegs zu sein. Den längsten und steilsten Berg auf der norwegischen Nationalstraße absolviert der Sechszylinder souverän mit 50 km/h bei unaufgeregten 1400 Touren. Dabei gibt sich der Reihensechser soundtechnisch zurückhaltend, reagiert aber jederzeit willig auf Gaspedal-Befehle. Das macht ihn klar zum überzeugenden Vertreter der Vernunft. Da drängt sich die Frage auf, was der V8 eigentlich noch besser können soll? Er tritt in der mittleren Version mit 590 PS an, sein nomineller Leistungsvorteil ist damit nicht besonders groß. Anders beim Drehmoment, wo der Achtender mit seinen 3050 Newtonmetern schon einen deutlicheren Vorsprung geltend macht. Papierwerte, die mit dem Dreh am Zündschlüssel in den Hintergrund rücken. Denn schon im Leerlauf lässt der V8 keinen Zweifel über seine Berufung aufkommen - abgesehen von souveräner Kraftentfaltung: Emotionen transportieren. Dafür haben die Scania-Sounddesigner den Klang der acht Töpfe in den vergangenen Jahrzehnten zur Perfektion getrieben. Dem kehligen Grollen kann sich kaum ein fahrzeugbegeisterter Zuhörer entziehen und er klingt nicht nur für die Fans der Marke wie Musik in den Ohren. So hofft man direkt, die Steuerungselektronik der Opticruise-Schaltbox möge den Drehzahlbereich oberhalb von 1500 Touren möglichst oft freigeben - was mit 50 Tonnen Gesamtgewicht auch tatsächlich öfter der Fall ist. Erst dann nämlich entfaltet sich das V8-Klangspiel in seiner vollen Dramatik, was der Person hinter dem Lenkrad das akustische Gefühl vermittelt, die Power dieses Scania sei nahezu unendlich. Da wir aber eben nicht im Topmodell mit 770 PS, sondern "nur" im 590er sitzen, bewegt sich das Leistungsplus, rein rational gesehen, eher im vernachlässigbaren Bereich. Den erwähnten Berg überwindet der V8 mit Tempo 55 km/h bei 1500 Touren, also gerade einmal um fünf km/h schneller. 800 Touren: Für den V8 kein Problem Was dagegen auf ebener Strecke auffällt: Der volumige V8 ist und bleibt der Meister des Drehzahlkellers. Den beherrscht der "Super"-Sechszylinder zwar auch, er nutzt den Bereich unterhalb von 1000/min aber meist nur im Overdrive-Modus der zwölften Fahrstufe. Der wird vorrangig in leichten Gefällen aktiv, wodurch das in beiden Scania verbaute G33-Getriebe den letzten Tropfen Diesel sparen will. Beim V8 erreicht die Nadel des Drehzahlmessers dagegen sogar beim Beschleunigen regelmäßig die 800-Touren-Marke. Und das, ohne dass das 16,4 Liter große Aggregat in irgendeiner Weise angestrengt wirken, geschweige denn störende Vibrationen entwickeln würde. Was der V8 aber entwickelt, sind Emotionen. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum Scania seinen Achtzylinder weiter im Programm hält - Stichwort Fahrermangel. Tolle Fahrzeuge helfen, tolle Fahrerinnen und Fahrer langfristig ans Unternehmen zu binden, und der V8 steht bei der Fahrerschaft eben hoch im Kurs. Das ist manchem Transportunternehmen mehr wert als der letzte Tropfen Spriteinsparung. Wer darauf Wert legt, kommt bei Scania am "Super"-Sechszylinder nicht vorbei, hier hat der V8 klar das Nachsehen. Zusätzlich verbessert der "Sechser" die Gewichtsbilanz des Greifs um 350 Kilogramm und dürfte zusätzlich in der Anschaffung ein paar Euro sparen, auch wenn Scania hier keine konkreten Zahlen nennen möchte. Und mal ehrlich: 560 Pferdestärken sind ebenfalls ein Brett! Noch gar nicht so lange her, dass man mit solch einer Power der absolute König auf europäischen Autobahnen war. Wenn nur der Sound nicht so brav wäre... Mehr zum Thema finden Sie unter #ScaniaTrucks www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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