Profitest MAN: Nochmals verjüngt

Das dürfte wohl die letzte Verjüngungskur gewesen sein. Natürlich nicht für den TGX an sich, aber für den MAN-eigenen D26-Sechszylinder. Schließlich sorgt das von der Konzernschwester Scania entwickelte Nachfolgeaggregat mittlerweile schon seit knapp einem Jahr in den Lkw-Modellen des schwedischen Herstellers für Vortrieb. Auch unter die Kabinen der TGS und TGX soll der VW-Einheitsmotor kommen, das wird sich aber noch bis 2024 hinziehen, teilt der Münchener Fahrzeugbauer auf Anfrage mit. Bis dahin behält der altgediente D26 seinen Job im Maschinenraum des Löwen. Was allerdings keinesfalls heißt, dass die MAN-Entwickler untätig geblieben wären! Vielmehr verpassten sie dem Aggregat noch mal ein größeres Update. Unter anderem sollen neue Leichtlaufkolben die innermotorische Reibung minimieren. Zusätzlich optimierten die Entwickler den Zylinderkopf hinsichtlich der Gasführung und gestalteten die Verbrennung mittels neuer Kolbenmulden-Geometrien effizienter. Beides soll die thermische Belastung des Gesamtsystems reduzieren. Aerodynamische Feinheiten Passend dazu erhielt der 12,4 Liter große Motor einen neuen, auf das neue Brennverfahren abgestimmten, einstufigen Turbolader. Mehr Effizienz verspricht MAN darüber hinaus bei den neuen Pumpen für das Motoröl und die Kühlflüssigkeit. Dabei arbeitet die Wasserpumpe zwar nicht mehr bedarfsgerecht gesteuert, soll aufgrund ihrer geringeren Durchflussmenge aber trotzdem wirtschaftliche Vorteile bieten. Optisch lassen sich die überarbeiteten TGX-Modelle übrigens durchaus von ihren Vorgängern unterscheiden. Und zwar an drei Merkmalen, die allesamt das Ziel verfolgen, den großen MAN windschlüpfriger zu gestalten. Den bislang klaffenden Spalt beim Übergang von den A-Säulen zur Windschutzscheibe glätten ab sofort zusätzliche Gummilippen. Das gleiche Material füllt neuerdings auch den Spalt zwischen Türen und Stoßfänger aus und findet sich als flexible Verlängerung am Ende der Seitenflaps und am Dachspoiler, um den Übergang zum Trailer zu verkürzen. Lohn aller Mühen ist laut MAN eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs um bis zu vier Prozent (drei Prozent Motor/ein Prozent Aerodynamik). Zum Beweis, dass sich die Verbesserungen in der Praxis tatsächlich auszahlen, schickt MAN mit dem TGX 18.480 GM sogleich den ersten Vertreter in den VR-Profi-Test. Dass der die "GM"-Kabine auf dem Rahmen trägt, ist alles andere als Zufall. Erstens greift laut MAN der Großteil der Kunden zu der mittelgroßen Fahrerhausvariante, vor allem ist der GM aber das aerodynamisch günstigste im TGX-Portfolio. Und der 480er-MAN tritt schließlich an, um neue Verbrauchsrekorde auf der Testrunde einzufahren. Der Großteil aller Fahrer/-innen dürfte zwar die GX-Großraumkabine favorisieren. Platz und Stauraumverhältnisse gehen aber auch im GM auf längeren Touren in Ordnung. Lob gebührt unserer Meinung nach dem Bedienkonzept des TGX, das bewusst auf ablenkende Touchscreens verzichtet und stattdessen auf den berührungsempfindlichen Dreh-Drück-Button rechts vom Fahrer setzt. Schon nach wenigen Minuten kommt man mit dessen Bedienung bestens zurecht. Beim Testfahrzeug handelt es sich noch um ein Vorserienfahrzeug der neuen Generation. Insofern gehen wir davon aus, dass MAN die deutlich zu vernehmenden Windgeräusche aus Richtung der linken A-Säule bei Autobahntempo bis zum Serienstart noch beseitigt. Noch einmal Hand anlegen sollten die Ingenieure auch am elektrischen Sonnenrollo, das ausgefahren Klappergeräusche von sich gab. Leiser wurde der TGX nicht Was nach dem Dreh des Zündschlüssels sofort auffällt: Am grundsätzlichen Charakter des D26 änderte das Update nichts, das Verbrennungsgeräusch des Reihensechsers klingt wie eh und je und ist leider auch weiterhin gut in der GM-Kabine des Testfahrzeugs hörbar. Die unserer Meinung nach dringend erforderlichen Maßnahmen, um den MAN innen endlich leiser zu machen, fielen scheinbar wieder einmal dem Rotstift zum Opfer. Vor allem bei niedrigen Drehzahlen unterhalb von 1000 Touren entwickelt der D26 laute Brummgeräusche, zu denen sich dann auch Vibrationen gesellen - wirklich wohl scheint sich der 12,4 Liter große Motor am unteren Ende des grünen Drehzahlbereichs nicht mehr zu fühlen. Beim Blick auf die Papierwerte durchaus überraschend, da das maximale Drehmoment bereits ab frühen 930 Touren anliegt. Folgerichtig setzt die Steuerungselektronik, erst recht in Verbindung mit der langen 2,31er-Hinterachsübersetzung des Testfahrzeugs, intensiv auf den Drehzahlkeller und leitet steigungsbedingte Rückschaltungen meist bei knapp 950 Touren ein. "Spar-Waffe" Drehmoment-Reduzierung Hier dürfte dem Motor das bezogen auf die vorherige Motorengeneration um 50 Newtonmeter erhöhte Drehmoment zugutekommen, wirklich spürbar ist das hinter dem Steuer allerdings nicht. Wobei die maximalen 2450 Newtonmeter längst nicht an jeder Stelle der Testrunde so zupacken dürfen, wie sie könnten. Zumindest nicht, wenn man, wie wir, im "Efficiency+"-Modus inklusive der dynamischen Drehmoment-Reduzierung fährt - eine weitere MAN-Waffe beim Kampf um eine möglichst günstige Dieselrechnung. Diese beschneidet das Drehmoment grundsätzlich auf 2100 Newtonmeter und gibt das volle Moment nur dann frei, wenn sich durch den Einsatz der 2450 Newtonmeter eine steigungsbedingte Rückschaltung vermeiden lässt. Weitere Spartechnik an Bord Vor allem wenn Terminfracht drückt, dürfte dieses Eco-System an den Nerven des Fahrers zehren, dem nicht wenige per Wechsel in ein anderes Fahrprogramm begegnen werden. Das ist über den Drehregler am rechten Lenkstockhebel nämlich jederzeit möglich - sofern die Fuhrparkleitung die alternativen Fahrprogramme nicht extra von MAN hat sperren lassen ... Sollte das der Fall sein, an dieser Stelle eine Beruhigung: Anders als früher legt der TGX nun auch mit aktivierter Drehmoment-Reduzierung noch ein passables Tempo vor. Denn auch hier führte MAN noch einmal eine Feinjustierung durch. Wie das eben angesprochene System erfordert auch die dynamische Segelfunktion Gewöhnung, für die MAN auf ebener Strecke Sparpotenzial verspricht. Dafür beschleunigt der TGX um drei km/h über das eingestellte Tempomattempo, um dann die Rollenergie der Fuhre im Freilaufmodus hinunter bis auf 83 km/h auszunutzen. Anschließend wird wieder beschleunigt, um das Spiel von vorne zu starten. Ähnliche Systeme kommen beispielsweise auch bei Scania und Volvo Trucks zum Einsatz, nur nimmt man hinter den Lenkrädern der Schweden aufgrund der deutlich besseren Geräuschdämmung deutlich weniger Notiz vom Treiben der Elektronik. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit raten wir klar dazu, die Sparsysteme des Löwen bei ihrem Job nicht zu behindern. Das mag zwar an der einen oder anderen Stelle vom Fahrer starke Nerven sowie ein paar Sekunden Zeitverlust bedeuten, die Elektronik trägt aber ihren Teil dazu bei, dass der MAN zum selteneren Gast an der Tankstelle wird. Denn der 480er-TGX benötigt auf unserer wie bei jedem VR-Profi-Test mit dem redaktionseigenen Referenzfahrzeug abgeglichenen Testfahrt überraschend niedrige 21,3 l/100 km und legt damit einen deutlichen neuen Verbrauchsrekord vor. Die neuen TGX sind schon bestellbar Der D26 gehört also längst noch nicht zum alten Eisen. Wer sich einen - oder mehrere - der neuen MAN sichern möchte, der kann seine Bestellung bereits aufgeben. Aufgrund der bekannten Lieferschwierigkeiten, mit denen nicht nur MAN aktuell zu kämpfen hat, dürften die ersten neuen TGX aber nicht vor Mitte kommenden Jahres auf den Kundenhöfen parken. Mehr zum Thema unter #MANTrucksServices www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Mit der neuesten Generation des D26 steigen auch dessen Leistungsdaten leicht an. Und zwar jeweils um zehn PS und 50 Newtonmeter Drehmoment, bezogen auf die Vorgängerversion. Wählen kann der Kunde somit zwischen 440 PS (2250 Nm), 480 PS (2450 Nm) und 520 PS (2650 Nm). Test mit Referenz-Lkw Der redaktionseigene Mercedes-Benz Actros 1845 mit beladenem Curtainsider von Schmitz Cargobull sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die VR- Testrunde unter guten Wetterbedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Testtag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug schlechtere oder bessere Bedingungen hatte, was sich entsprechend zurückrechnen lässt. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (MAN D26), Common-Rail-Einspritzung, einstufiger Single- Turbolader, vier Ventile pro Zylinder, Euro 6e mit SCR-Kat, Abgasrückführung, Partikelfilter; Hubraum: 12.419 cm3, Leistung: 480 PS (353 kW) bei 1800/min, max. Drehmom.: 2450 Nm bei 930–1350/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe „ZF Traxon“ (Tip-Matic 12.26 DD), synchronisiertes Dreigang- Grundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge, 2 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,31 Fahrwerk HA: Typ: MAN HY-1344, 13,0-t-Hypoidachse, einfach untersetzt, Vierbalg-Luftfederung; VA: gekröpfte 7,5-t-Starrachse mit Stabilisator, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluftbremsanlage, Scheibenbremsen, EVBec-Motorbremse: 305 kW (415 PS) bei 2400/min, Option: Retarder (im Testfahrzeug verbaut) Maße & Gewichte Radstand: 3600 mm; L x B x H: 6007 x 2500 x 3854 mm; Leergewicht: 7200 kg (ohne Fahrer), inklusive 400 l Diesel; 60 l AdBlue Verbräuche (inkl. AdBlue-Anteil) und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (32 t)A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 20,61 84,64 Autobahn hügelig (32 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 22,88 83,80 Autobahn Rolletappe (32 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 21,70 83,60 Landstraße (32 t)Langenbruck – Dasing 19,74 62,19 Autobahn leicht (32 t)A 8 Dasing – A 99 AS M-Ludwigsfeld 19,85 84,99 Durchschnitt 21,27 79,95 Bergwertung Autobahn (Kindinger Berg, A 9)Zeit: 3,45 min, Vmin 67 km/h, Gang:11 bei 1080/min Bewertung MAN TGX 18.480 GM Motor/Antrieb (max. 140) 119 Getriebe/Kupplung (max. 140) 122 Bremsen (max. 120) 104 Lenkung (max. 40) 34 Pedale (max. 20) 16 Fahrverhalten (max. 60) 51 Sicht (max. 50) 46 Klima/Lüftung (max. 50) 41 Sitze (max. 40) 33 Armaturen/Instrumente (max. 50) 45 Scheibenwischer (max. 30) 24 Fahrerhaus (max. 240) 201 Gesamtwertung (max. 980) 836 Testurteil + sehr niedriger Testverbrauch, übersichtliches und intuitives Bedienkonzept, fahraktives, aber trotzdem komfortables Fahrwerk, zielgenaue Lenkung, gutes Spiegelersatzsystem - vergleichsweise hohe Geräuschkulisse im Innenraum, bei niedrigen Drehzahlen neigt der D26-Motor zu Vibrationen und Brummgeräuschen, Drehmoment-Reduzierung kostet Temperament Fazit Zum Ende sparsamer denn je Obwohl das Ende des D26 abzusehen ist, fährt MAN mit diesem Motor noch einmal auf Angriff! Zusammen mit den aerodynamischen Maßnahmen an der TGX-Kabine präsentiert sich das Aggregat im Verkehrs-Rundschau-Test sparsam wie nie. Dazu trägt sicher auch die Drehmoment-Reduzierung ihren Teil bei, die wir bei der Testfahrt aktiviert haben. An dieser dürften sich die Geister scheiden, dem Mann/der Frau hinter dem Lenkrad wird sie weniger gefallen, der Fuhrparkleitung dagegen umso mehr.jan.burgdorf@springernature.com

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