München. Nahezu jede zweite Minute am Tag kommt es in Deutschland zu einem sogenannten Wildunfall, bei dem ein Fahrzeug mit einem Wildtier kollidiert. Das zeigen die Statistiken des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und des Deutschen Jagdverbandes (DJV). Laut GDV nahm die Zahl der Unfälle mit Rehen, Wildschweinen und anderem Wild im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2014 um mehr als zehn Prozent auf knapp 263.000 zu. Im Durchschnitt zahlten die Versicherer pro Wildunfall 2485 Euro aus. Der so verursachte Schaden stieg im Vorjahresvergleich um 14 Prozent auf insgesamt über 653 Millionen Euro.
Doch die Schäden durch Wildunfälle sind nur allzu oft nicht nur materieller Art. Ganz abgesehen davon, dass nach Angaben des DJV Jahr für Jahr mehr als eine Million Wildtiere bei Kollisionen mit Kraftfahrzeugen sterben, bedeuten solche Unfälle vielfach auch ein Risiko für die beteiligten Kraftfahrer. Denn schon bei einem Zusammenstoß mit einem Fahrtempo von 60 Stundenkilometern bekommt etwa ein Wildschwein ein Aufprallgewicht von 3,5 Tonnen. So schwer ist im Vergleich ein Nashorn. Fährt ein Auto hingegen mit Tempo 60 einen Rothirsch an, entspricht dessen Aufprallgewicht dem eines ausgewachsenen Elefanten, nämlich rund fünf Tonnen. An diesen Zahlen wird deutlich, welch eine Gefahr für Autofahrer von Kollisionen mit Wildtieren ausgeht. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamts kommen bei Wildunfällen hierzulande jährlich rund 2500 Menschen zu Schaden – für jeweils zehn bis zwanzig endet ein solches Ereignis tödlich.
Jetzt besonders wachsam sein
Verkehrssicherheitsexperten raten dringend dazu, speziell im Frühjahr und im Herbst sowie in der Morgen- und Abenddämmerung, wenn viele Wildtierarten aktiv sind, besonders vorsichtig zu fahren – vor allem auf Straßen, die durch Waldstücke oder an Feld- und Waldrändern entlangführen. Zu dieser Zeit und an solchen Orten kommt es vermehrt zu Wildwechsel. Konkret sollten Kraftfahrer sicherheitshalber immer ihre Geschwindigkeit anpassen, also meist reduzieren.
Wildunfälle vermeiden
Was aber tun, wenn Wild plötzlich auf der Straße auftaucht? Wer mit Fernlicht unterwegs ist, sollte dieses sofort ausschalten, weil geblendete Tiere in der Regel stehen bleiben oder auf die Lichtquelle zulaufen. Statt der Lichthupe empfiehlt sich das Betätigen der Hupe, um zu versuchen, die Tiere zu verscheuchen. Auf gar keinen Fall sollten sich Fahrer zu riskanten Ausweichmanövern verleiten lassen. Bei einer unvermeidbaren Kollision sei ein kontrollierter Aufprall besser als unkontrolliertes Ausweichen, betont der ADAC. Insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten könnten andernfalls ein Ausbrechen des Fahrzeugs sowie ein Zusammenstoß mit einem anderen Verkehrsteilnehmer oder einem Baum drohen.
Unfallstelle sichern, Polizei benachrichtigen
Ist es zu einem Wildunfall gekommen, sollte der betroffene Verkehrsteilnehmer zunächst die Unfallstelle sichern, also das Warnblinklicht einschalten sowie das Warndreieck aufstellen, und die Polizei benachrichtigen. Bei Personenschäden ist den Verletzten entsprechend Hilfe zu leisten. Ein verletztes oder getötetes Tier sollte man dagegen nicht anfassen. Für das Bergen des Tieres ist der jeweilige Förster oder Jagdpächter zuständig. Von ihnen oder der Polizei sollte sich der Kraftfahrer möglichst auch eine Wildunfallbescheinigung zur Vorlage bei seiner Kfz-Versicherung ausstellen lassen. Wer zudem noch Fotos vom Unfallort, vom Tier und vom Fahrzeug macht, kann die Schadenbearbeitung durch seinen Versicherer beschleunigen. Bevor ein beschädigtes Fahrzeug repariert wird, sollte der Versicherer informiert werden.
Für Schäden am eigenen Fahrzeug, die durch Haarwild verursacht werden, kommt die Teilkaskoversicherung auf. Zu dieser Kategorie der Wildtiere zählen nach Paragraf 2 des Bundesjagdgesetzes unter anderem Schwarz- und Rotwild, Hasen und Murmeltiere sowie Füchse. Einige Versicherer haben laut GDV ihren Schutz inzwischen zusätzlich auf Unfälle mit Wirbeltieren ausgeweitet. Mit einer Vollkaskoversicherung wird man ebenfalls für Wildschäden entschädigt. Auf den Schadenfreiheitsrabatt wirkt sich ein Wildschaden nicht negativ aus. Allerdings zahlt die Teilkasko nicht für Schäden am Auto, die durch das Überfahren eines bereits toten Haarwildes hervorgerufen wurden. Auch wer einem Haarwild ausweicht und dabei sein Fahrzeug beschädigt, etwa weil er im Straßengraben landet, darf kein Geld von der Teilkaskoversicherung erwarten. Nur bei einem Vollkaskoschutz gibt es eine Entschädigung. (sno)