Positiv - mit viel Kritik

Ganz im Sinne des demnächst scheidenden und für die Sache stets streitbaren Hauptgeschäftsführers Karlheinz Schmidt widmete sich Verbandspräsident Adalbert Wandt bei der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt "den Brennpunkten im Gewerbe", wie er es in seinem Eingangsstatement nannte. "Wir fahren auf Verschleiß", so Wandts nüchterne Analyse. "Es wird nicht ausreichen, eine bundeseigene Fernstraßengesellschaft mit dem Management der Fernstraßen zu beauftragen und 'ein paar Ingenieure' einzustellen, um voranzukommen", so der BGL-Präsident. "Wenn wir nicht den Ballast abwerfen, werden wir feststellen, dass die Infrastruktur weiter verfällt, weil sich in den Köpfen zu wenig ändert." In seinem Anschluss-Statement erläuterte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zumindest, dass er eine Expertenkommission für Planbeschleunigungen ins Leben gerufen hat. "Das brauchen wir dringend. Da darf es keine Denkverbote geben. Ich hoffe, dass ich Ihnen im Frühjahr 2017 erste Ergebnisse präsentieren kann." Dobrint versprach zudem: "Jede Sanierungsmaßnahme, die eine Brücke bekommt, wird durchgeführt". Und im Sinne beschleunigter Baumaßnahmen meinte der Minister: "Wir haben uns jetzt auf einen Klageweg reduziert." Die "Transport-Nation" nur auf Platz 4 Ein großer Kritikpunkt des BGL ist neben den zu langwierigen Bauprojekten das Sozialdumping im Straßengüterverkehr. So mahnt der Verband an, dass der Anteil deutscher Lkw gemäß Mautstatistik des Bundesamtes für Güterverkehr von 65,6 Prozent im Jahr 2009 auf aktuell 59,2 Prozent gesunken sei. "Erstmals verdrängten die rumänischen Lkw die der ehemaligen 'Fuhrleute Europas aus den Niederlanden von Platz drei", so die Auswertung des BGL. Die Ursachen sieht der Verband vor allem in immer mehr Fuhrparks, die im Ausland zugelassen, jedoch dauerhaft in Deutschland stationiert sind und auch von hier aus disponiert werden. "Die Fahrer dieser Fuhrparks stammen aus Mittel- und Osteuropa und werden zu dortigen Konditionen bezahlt", so Schmidt. Als Maßnahmen gegen dieses Sozialdumping schlägt der BGL vor, das Halten auf Autobahnparkplätzen auf Ruhezeiten und Pausen zu begrenzen. Adalbert Wandt fordert sogar noch drastischere Maßnahmen: "Da beim Umflaggen ganzer Fuhrparks in Billiglohnländer die innerhalb der EU grundsätzlich erlaubte Dienstleistungsfreiheit für Sozialdumping missbraucht wird, fordern wir eine EU-Regelung, die eine Anwendung des Sozial- und Arbeitsrechtes desjenigen Landes bestimmt, in dem das Fahrpersonal dauerhaft oder überwiegend Dienstleistungen erbringt. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Prinzip schon durch seine Rechtsprechung anerkannt", gab sich der BGL-Präsident überzeugt. Internationale Regeln nötig Zum Thema Sozialdumping führte Dobrindt aus, dass er ein gemeinschaftliches Auftreten der EU-Kernländer für dringend geboten halte. "Dass wir aktuell auf nationale Regelungen zurückgreifen, ist nicht optimal". Er verstieg sich allerdings auch zur Aussage, dass "die Verbringung der Ruhezeiten in Fahrerhäusern europaweit verboten werden muss". Hauptgeschäftsführer Schmidt hatte dazu schon öfter klargestellt, dass die mit Umsetzung einer solchen Regelung entstehenden Container-Siedlungen nicht der Weisheit letzter Schluss sein könnten... Lang-Lkw: "smarter Übergang" Mit der zu Ende gehenden Testphase beim Lang-Lkw bot sich für BGL und Verkehrsministerium ein weiteres Themenfeld. Der BGL begrüßte ausdrücklich, dass sich jetzt mit Rheinland-Pfalz ein weiteres wichtiges Bundesland am Versuch beteilige. "Wir wünschen uns jetzt einen smarten Übergang vom Feldversuch zum Regelbetrieb, bei einem Thema, das bislang von ideologischen Positionen bestimmt und das jetzt durch die Realität bestätigt wurde", argumentierte BGL-Präsident Wandt. Bundesverkehrsminister Dobrindt erläuterte, dass die Inhalte des demnächst veröffentlichten Berichts der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eindeutig seien: "Es gibt keine Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße. Es gibt keine Überbeanspruchung der Infrastruktur. Und bei den beteiligten Unternehmen verzeichnen wir 25 Prozent weniger Verbrauch und damit 25 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber dem Standard-Lkw!" Zum Thema Emissionen trumpfte der BGL mit einem weiteren Statement auf: Der Lkw hänge das Binnenschiff bei Feinstaub- und Stickoxid-Ausstoß ab. Nach neuesten Daten des Umweltbundesamtes (UBA) habe der Lkw das bisher als weniger umweltbelastend geltende Binnenschiff bei dem Emissionen abgehängt", so der BGL. Pro Tonnenkilometer emittiere das Binnenschiff durchschnittlich 26 Prozent mehr Stickoxide und doppelt so viel Feinstaub wie der Lkw. Bezieht man jetzt noch die weiteren Ausführungen des UBA mit ein, dass auch 2050 immer noch gut 60 Prozent des Güterverkehrs über die Straße laufen werden, hat der BGL allen Grund, positiv in die Zukunft zu blicken - trotz aller geäußerten Kritik des Verbandes. Hinweis: In der nächsten Ausgabe der VerkehrsRundschau (48/2016) lesen Sie ein Interview mit dem scheidenden BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BGL www.verkehrsrundschau.de/dossiers Digitalisierung Vieles falsch verstanden Alexander Dobrindt nutze die BGL-Mitgliederversammlung einmal mehr, um für seine Ideen der Digitalisierung zu werben:"Digitalisierung - da ist viel Falsches im Raum. Ich trete gegen die an, die glauben, Digitalisierung reduziere den Transport. Wer schreibt 'Terrabite statt Container', hat nichts verstanden. Genau das Gegenteil wird eintreten. Es werden noch mehr Produkte auf die Straße kommen - weil die Leute mehr kaufen, weil wir mehr Bevölkerung bekommen, weil wir mehr Produktvielfalt bekommen. Daten kann man transportieren über Glasfasernetze - aber nicht Produkte."Interssant auch, dass Dobrindt beim BGL die "Rolle rückwärts" machte. Hat er vor Wochen noch propagiert, dass wir bald keine Fahrer mehr brauchen, sagte er in Frankfurt jetzt genau das Gegenteil ... gg

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