Palette und Co.

Palette und Co. Eine Palette voll Tipps Ladungsträgermanagement klingt so sperrig, wie es sich in der Praxis oft anfühlt. Dabei lässt sich mit Palette und Co. viel Geld vernichten oder mit den richtigen Tipps auch sparen. Natürlich ist das Tischtuch zerschnitten, aber nicht durchgeschnitten“, sagte Martin Leibrandt, Geschäftsführer der Palettenorganisation Epal auf der VerkehrsRundschau-Fachkonferenz „Europaletten und andere Mehrwegtransportverpackungen professionell bewirtschaften“ in Neuss. Allerdings liege im Streit um die Zukunft des weißen Pools der Ball nun im Feld des Eisenbahnverbandes UIC (siehe VerkehrsRundschau 18 und 22/2013). Leibrandt bekräftigte, Epal-Europaletten könnten mit den Europaletten der UIC getauscht werden. Die UIC sieht das anders und behandelt die Epal-Paletten als Privatpaletten und damit als nicht mehr tauschfähig. Die UIC kennzeichnet die ihrer Meinung nach offiziellen Europaletten seit August mit dem Einbrand EUR und UIC im Oval, während die Epal seit diesem Zeitpunkt dieses Logo nicht mehr verwenden darf und die eigenen Paletten nur noch mit „EPAL“ im Oval kennzeichnet. Um sich für die Zukunft zu rüsten, hat die Epal jüngst eine RFID-Palette (Radiofrequenz Identifikation) und eine neue Halbpalette mit drei Metallkufen als Alternative zur „Euro 6“ präsentiert. Ihr Preis liegt zwischen 8,90 und 9,50 Euro. Die zwei verbauten RFID-Tags machen die normale Europalette um einen Euro teurer. Sie werden an der langen und der kurzen Seite in einer über den Mittelklotz eingefrästen Nut angebracht. „Wir sind technologiegläubig“, räumt Volker Lange, Leiter Verpackungs- und Handelslogistik am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) ein: „Daher schließe ich nicht aus, dass in drei bis fünf Jahren alle Paletten einen RFID-Tag haben“. Ob die Tags überall genutzt werden, sei etwas anderes. „Die Nutzung im offenen System ist schwierig“, räumt der Forscher ein. In geschlossenen Kreisläufen kann das aber gelingen und Mehrwert schaffen. So hatte die Gaffel-Brauerei die Kästen für den Handelskonzern Rewe mit RFID-Tags versehen, um herauszufinden, wie lange diese sich wo tummeln. Der ursprüngliche Verdacht: Die meiste Zeit verbleiben die Träger im Laden und beim Kunden, also außerhalb der eigenen Einflusssphäre. Das Ergebnis überraschte: 75 Prozent der Zeit waren die Kästen bei Gaffel und Rewe – also im unmittelbaren Zugriff. „Mit richtiger Logistik und Bewirtschaftung der Ladungsträger lassen sich da 30 Prozent einsparen“, so Lange zur Bedeutung von Transparenz über die verwendeten Ladungsträger. Bestände kennen heißt sparen können Die für viele logistische Anwendungen wichtige Pulkerfassung von getaggten Waren entwickelt sich in Richtung der von Praktikern geforderten 100-Prozent-Quote. „Mit der richtigen Antennentechnik und -anordnung schaffen wir schon Leseraten von über 99,5 Prozent“, berichtet Jochen Schneider vom Institut für Distributions‐ und Handelslogistik (IDH) von seiner Forschungsarbeit. Wer Palette und Co. effizient bewirtschaften will, muss deren Bestände führen, die Bedarfe planen und ihre Bewegungen steuern. „Gibt es an einer Stelle eine Black-Box, dann hilft das nicht weiter“, mahnt Fraunhofer-Mann Lange. Aus einem Projekt kennt er einen Fischhändler, der die Restaurantkette Nordsee beliefert hat und nach zwei Jahren wegen seiner Kunststoffboxen in Schwierigkeiten kam. Der Plan des Fischhändlers sah 20 Umläufe pro Jahr vor. Der Umschlag lag aber nur bei 5,6. „Das ist Faktor vier – auch bei den Beständen“, rechnet Lange vor. Paletten sind nur die Spitze des Eisbergs Mit ganz anderen Bestandsproblemen befasst sich Alex Kotsiwos, Geschäftsführer von SSD Safe Services Deutschland: „Oft ist der Palettendiebstahl die Grundlage für den Diebstahl weiterer Sendungen“, weiß Ex-Polizist Kotsiwos. Frei nach dem Motto: Wieso soll ich nicht auch gleich die Ware auf der Palette nehmen? Auch hier ist Controlling Trumpf – als Vorsichtsmaßnahme: Kein Ladungsträger darf ohne Buchung oder Dokumentation umgeschlagen werden – auch nicht als sogenannte Ladehilfe. Als Belege dienen Lademittelkonten, Rollkarten, Palettenscheine und Inventurunterlagen. „Vor allem bei Palettenscheinen wird gerne getrickst“, berichtet Kotsiwos. Stempel, Unterschrift und besonders die Zahlen in Klarschrift seien daher unerlässlich. Dass Paletten verschwinden, muss nicht immer mit krimineller Energie zu tun haben. „Mitunter ist es einfach Schludrigkeit. Zum Beispiel, wenn Fahrer zehn Paletten ohne Unterschrift abgeben“, sagt Joachim Feldmann. Das Problem hat der Geschäftsführer der Feldmann Spedition durch das Zusammenspiel von Fahrerschulung, Telematik und Speditionssoftware in den Griff bekommen. „Die Fahrer müssen wissen, welchen Wert Ladungsträger haben und lernen, vor Ort Anzahl und Qualität zu prüfen.“ Da bei Feldmann allen Aufträgen in der Speditionssoftware von LIS die Ladungsträger gleich zugeordnet werden, gelangen diese Informationen mit dem Auftrag über das Telematiksystem direkt zum Fahrer. Entdeckt der an der Ladestelle Abweichungen, kann er das umgehend über das Telematiksystem korrigieren und die Daten schlagen in der Disposition auf. Nicht immer geht beim Tausch gleich die ganze Palette verloren, manchmal ist es nur die Qualität der Palette, die auf der Strecke bleibt. Das lässt sich mit den richtigen Formulierungen in den Verträgen vermeiden oder zumindest für einen eventuellen Streit rechtssicher verankern. Der Palettentausch ist normalerweise weder Gegenstand eines Speditions-/Frachtvertrages noch eines Kaufvertrages. Sollen Paletten getauscht werden, muss das auf der Lieferebene, also im Kaufvertrag, und auf der Transportebene vereinbart werden – mit dem gleichen Inhalt. „Ich rate zu einer Tauschvereinbarung, sonst ist die Palette Teil der Ware und wird mitverkauft“, rät Hubert Valder, Justiziar beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Wichtig dabei ist es, auch die Qualität der zu tauschenden Paletten zu regeln. „Ohne Detailabsprache werden gebrauchsfähige Paletten mittlerer Art und Güte geschuldet“, sagt Anwalt Valder. Bei der neuen Qualitätsklassifizierung für Europaletten seien das Paletten der Klasse C: gebrauchsfähig für Transport und Lagerung, aber nicht mehr Maschinen-, Fördertechnik- und Hochregallager tauglich. Wer Letzteres will, muss in die Tauschvereinbarung aufnehmen, dass Paletten der Klasse A oder B geschuldet werden. Palettenqualität 2.0 Diese vor zwei Jahren eingeführten neuen Qualitätsklassen (siehe VerkehrsRundschau 40/2011) stoßen derzeit vor allem beim Handel auf wenig Gegenliebe. „Uns haben die Anwender klar gesagt: Mit der Klasse C können wir so nicht leben, das wird viel zu teuer“, berichtet Sebastian Krug, Projektmanager bei der Standardisierungsorganisation GS1 Germany. Eine überarbeitete Fassung der neuen Qualitätsklassifizierung soll noch in diesem Jahr vorliegen. In Klasse C fallen dann auch noch Paletten mit an den Klötzen angebrochenen oder abgesplitterten Brettern und bis zu zwei sichtbaren Nagelschäften. Bislang galten solche Paletten als nicht tauschfähig und mussten repariert werden. ❙❚■ Serge Voigt

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