Paket bringen - und was noch?

Sich mit Freunden im Café treffen und dort die online bestellten Schuhe anprobieren? Das könnte bald möglich sein. Arvato, Logistiktochter des Bertelsmann-Konzerns, will einen solchen Service in den kommenden Monaten zusammen mit einem namhaften Modeanbieter testen. Die Kunden können sich dann ihre online georderten Artikel zu einem Wunschtermin auch ins Café oder den Golfclub liefern lassen. Zu den dafür anfallenden Gebühren und dem Namen des Pilotversenders macht Arvato noch keine Angaben. Nur so viel ist von dem Fulfillment-Dienstleister zu hören: Sollten sich genug Kunden für den Service interessieren, wird er auch in Österreich, der Schweiz und den Benelux-Ländern ausgerollt. Solche Pilotprojekte zeigen: Im Internet shoppen und zwei Tage warten, bis der Paketbote vor der Tür steht, ist inzwischen ein Auslaufmodell. In Zukunft offerieren Onlinehändler der Kundschaft mehr als nur 08/15-Lieferungen. Sie setzen auf "disruptive Logistik" - eine Mischung aus Tempo und Innovation - um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Das sagt die Unternehmensberatung Oliver Wyman in einer Studie voraus (siehe Interview Seite 28). Demnach gehört zu den logistischen Zusatzleistungen bald die (kostenpflichtige) Wahl eines Lieferfensters (Fachwort: Pay per slot) sowie die Zustellung am Abend und am Wochenende - sogar am Sonntag, wenn es die gesetzlichen Regeln erlauben. Zudem sei eine flächendeckende Auslieferung am selben Tag "unausweichlich", meinen die Berater. Tatsächlich bieten immer mehr Distanzhändler Same-Day-Delivery an, meist mithilfe von Kurierdiensten. Der Uhrenshop Uhrzeit zum Beispiel verlangt dafür einen Zuschlag von sechs Euro auf die normalen Versandkosten, beim Elektronikmarkt Conrad sind es mindestens 32,50 Euro. Bislang können sich aber nur wenige Online-Shopper für die Blitzlieferung erwärmen: Bei einer Umfrage der Unternehmensberatung MRU im vergangenen Jahr gaben elf Prozent an, sich für eine Lieferung innerhalb von 90 Minuten zu interessieren. Glaubt man aber der Oliver-Wyman-Studie, werden sich die Vorlieben hier rasch ändern. Die Berater erwarten, dass auch in Deutschland bald Verhältnisse wie in Japan herrschen, wo die taggleiche Lieferung in allen Kernregionen des Landes schon selbstverständlich ist. Doch wie lässt sich die Blitzlieferung in den schon überfüllten deutschen Städten realisieren? "Um Same-Day zu ermöglichen, sind innovative Konzepte nötig. Die Lieferflotten müssen effizienter werden", sagt Geschäftsführungsmitglied Marcus Gropp, beim Kontraktlogistiker Fiege für E-Commerce-Kunden zuständig. Einige neue Ideen für die letzte Meile gibt es schon: So könnten in Zukunft eilige Lieferungen nicht nur vom Paketboten zugestellt werden, sondern von anderen Dienstleistern, die ebenfalls im Zustellbezirk unterwegs sind. "Man könnte die Zeitungsboten mit den KEP-Dienstleistern vernetzen", schlägt Gropp vor. Auch aufseiten der Onlinehändler werden Veränderungen nötig sein, um den Wunsch nach mehr Tempo zu erfüllen. Die Wyman-Studie geht davon aus, dass sich kleine und mittlere Anbieter zusammentun werden, um jenes dichte Netz aus Distributionszentren zu knüpfen, das für Same-Day nötig ist. Zahlungsbereitschaft ist da Ein zweiter Trend: Die Auslieferung der Internetbestellung wird mit weiteren Dienstleistungen angereichert. Diese Entwicklung ist schon voll im Gang. Wer beim Elektronikmarkt Saturn einen Fernseher ordert, kann ihn gegen einen Zuschlag von 30 Euro auch gleich anschließen lassen, Möbelversender wie Home24 schicken auf Wunsch einen Monteur mit. "Die Kunden nehmen solche Angebote gerne an und sind auch bereit dafür zu zahlen", weiß Fiege-Mann Gropp. Für einige Kunden bietet der Kontraktlogistiker schon Montage- und Aufbauleistungen an - zusammen mit Hermes. Experten erwarten, dass die Nachfrage nach diesen Services in den kommenden Jahren stark steigen wird, unter anderem deshalb, weil es mehr alte Menschen gibt, die nicht selbst Möbel aufbauen und Fernseher anschließen wollen oder können. Doch wie weit gehen die Zusatzdienstleistungen? "Entscheidend ist, dass die Leistung kostengünstig erbracht werden kann und sich standardisieren lässt", erklärt Ingmar Böckmann, Logistikexperte beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) in Berlin. Dass KEP-Dienstleister demnächst aus einer Hand umfangreiche Serviceleistungen erbringen, erwartet er also nicht. "Das ist eher etwas für eigene Anbieter wie das Berliner Start-Up Einfach-machen-lassen, die auf lokale Handwerker zurückgreifen", so Böckmann. Wie weit die Kombination aus Lieferung plus Dienstleistung gehen kann, zeigt der US-Versand Enjoy: Er verkauft hochwertige Unterhaltungselektronik und lässt sie von speziell geschulten Angestellten am selben Tag ausliefern. Sie bringen die Tablets, Digitalkameras oder Stereoanlagen nicht nur, sondern nehmen sich auch bis zu einer Stunde Zeit, um den Kunden die Bedienung zu erklären. Gründer des Unternehmens ist übrigens Ron Johnson, der zuvor für Apple das Filialnetz aufgebaut hat. Der dritte Trend: Der Paketbote nimmt auf Wunsch auch Sendungen mit. Er öffnet quasi eine Art Rückkanal, den verschiedene E-Commerce-Anbieter dann nutzen können. Was hier möglich wäre, hat Hermes schon im Jahr 2012 in einem Ideenwettbewerb ausloten lassen. Gewonnen hat dabei folgende Idee mit dem Namen Store-In: Verbraucher können dem Paketboten Kartons mitgeben, zum Beispiel mit alter Kleidung, für die kein Platz mehr in Keller oder Kleiderschrank ist. Der Karton wird dann im Lager des regulären KEP-Dienstleisters aufbewahrt, bis sich der Kunde ihn wieder zustellen lässt. Wie KEP-Dienstleister als Rückkanal fungieren können, zeigt das Unternehmen Shyp in den USA. Es hilft Menschen dabei, Dinge per Post zu versenden. Das funktioniert so: Zunächst macht der Kunde mit seinem Handy ein Foto vom Gegenstand, den er verschicken will; über eine spezielle App wird es an Shyp geschickt. 20 Minuten später steht ein (selbstständiger) Kurier vor der Tür, nimmt den Gegenstand mit und bringt ihn in eine Shyp-Niederlassung. Dort wird er von Profis verpackt und dann an KEP-Dienste übergeben. Wo sich seine Sendung befindet, kann der Kunde in der App jederzeit einsehen. Der Service kostet pauschal fünf US-Dollar pro Sendung und wird zum Beispiel von Ebay-Verkäufern gerne in Anspruch genommen; Shyp wächst nach eigenen Angaben sehr stark und ist in Großstädten wie New York, Los Angeles und San Francisco aktiv. Natürlich denken auch deutsche Logistiker darüber nach, den Boten zum Rückkanal aufzurüsten. Schon heute nimmt er Retouren mit - warum also nicht mehr? "Der Kontakt zum Endkunden ist für alle verlockend", räumt Fiege-Mann Gropp ein. Wäre es möglich, dass der Paketbote in Zukunft auch lose Sendungen mitnimmt, die nach dem Vorbild von Shyp später verpackt werden? Gropp ist skeptisch. "Der Platz im Wagen ist zu knapp; schon die Retouren mitzunehmen macht Probleme." Andere Experten weisen auf Haftungsfragen hin: Was passiert, wenn der zu verschickende Gegenstand auf dem Weg zum Fahrzeug oder während des Transports beschädigt wird? Insgesamt gehen Marktkenner davon aus, dass Paketboten auch in Zukunft nur Dinge mitnehmen, wenn der Service zur Lieferung gehört und Gewicht/Volumen des Gegenstands planbar sind, zum Beispiel die Mitnahme von Altgeräten. Die Serie Erfolg im E-CommercePrivatkunden- was das für die Logistik heißt- VR 26: Lebensmittel via Internet: Nische oder Milliardenmarkt?- VR 27: Welche Zusatzleistungen Endkunden in der Zustellung fordern Veranstaltungstipps Fachkonferenz "B2C: Logistikprozesse im Umbruch" Ob TV-Geräte, Kleidung, DIY-Artikel oder auch Lebensmittel - immer mehr Endverbraucher bestellen ihre Produkte im Internet und lassen sich diese nach Hause liefern. Welche neuen Anforderungen kommen damit auf Unternehmen in der Transport- und Logistikkette zu?Antworten liefert die VerkehrsRundschau-Fachkonferenz "B2C: Logistikprozesse im Umbruch" am 15. September 2015 in Düsseldorf. Referenten sind unter anderem:Michael Bargl, IDS LogistikUlrich Binnebößel, Handelsverband Deutschland (HDE)Sebastian Diehl, Lebensmittel-Onlineshop Emmas EnkelChristoph Frank, Amazon DeutschlandHans-Jörg Hager, UCSAndreas Froschmayer, DachserLars Peter, Arvato E-Commerce VerwaltungsgesellschaftRisto Pfalz, Creatrade HoldingMartin Rademaker, Fiege HoldingFrank Sportolari, UPS DeutschlandAm 16. September 2015 veranstaltet die VerkehrsRundschau das Seminar "Logistik im B2C E-Commerce: haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte" in Düsseldorf mit Rechtsanwalt Stephan Rieß, Prokurist, Geschäftsbereich Verkehr/Logistik der Schunck Group und Rechtsassessor Michael Grass, LL.M. Eur., Geschäftsbereich Verkehr/Logistik, Schunck Group.Alle Infos zu beiden Veranstaltungen unter www.verkehrsrundschau.de/events. eh

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