Offene Posten? Na und!

Wim Liefers schläft wieder ruhig. Zermürbende Gespräche mit säumigen Zahlern gehören der Vergangenheit an. Die Außenstände des Transportunternehmers aus Visselhövede in der Lüneburger Heide beliefen sich auf durchschnittlich 60.000 Euro. Seine Kunden ließen sich mit dem Bezahlen Zeit. "Ich musste zum Teil über ein Vierteljahr auf mein Geld warten und mehrmals mahnen", erzählt der Kaufmann, der heute mit seinen fünf 40-Tonnern nur noch für solvente Verlader fährt. Liefers Unternehmen, die Hamm Cargo Transportologie, hatte zwar volle Auftragsbücher, aber kein Geld, um das laufende Geschäft zu finanzieren. Die Forderungen treibt ein anderer ein Auf die Bank konnte der Unternehmer nicht zählen: "Ohne weitere Sicherheiten war es unmöglich, die Kreditlinie nach oben zu schrauben." Heute ist er auf die Bankfinanzierung nicht mehr angewiesen. Ist ein Transport abgeschlossen, schreibt Liefers die Rechnung und erhält innerhalb eines Tages sein Geld. Der Sechs-Mann-Betrieb mit einem Jahresumsatz von rund 900.000 Euro verkauft seine Forderungen an ein Factoring-Unternehmen. Die Teba Kreditbank mit Sitz in Landau an der Isar, eine Tochter der Volks- und Raiffeisenbank, schreibt den Rechnungsbetrag abzüglich einer Gebühr in Höhe von 3,5 Prozent der Forderung umgehend dem Firmenkonto gut. Der Factor trägt dafür das Ausfallrisiko und kümmert sich um Mahnwesen und Inkasso. "Am Ende des Jahres erhalte ich 0,5 Prozent wieder zurück, wenn es keine Forderungsausfälle gab", berichtet Liefers. Für den Transporteur rechnet sich Factoring: "Ich kann mehr Aufträge abwickeln und Skonto ziehen, da ich meine Rechnungen zügig bezahle." Auf die Schnelle ist man wieder flüssig Besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen steigt das Interesse am Forderungsverkauf, weil dieser die Betriebsmittelfinanzierung gerade in Wachstumsphasen sichert. "Factoring sorgt für schnelle Liquidität und sichert Forderungsausfälle zu 100 Prozent ab", sagt Joachim Secker, Vorstandsvorsitzender der GE Capital Bank und Vorstandssprecher des Deutschen Factoring Verbands in Mainz. Mit Factoring machen Unternehmen ihre Außenstände umgehend zu Geld. Der Factor zahlt einen Vorschuss in Höhe von 80 bis 100 Prozent der Rechnungsbeträge. Die restliche Gutschrift abzüglich Kosten erfolgt, wenn der Schuldner bezahlt. Die Umsätze der Factoring-Branche bestätigen den Trend nach oben. 2013 erzielten die 24 Verbandsmitglieder ein Plus von 8,81 Prozent und verbuchten einen Umsatzrekord in Höhe von 171,29 Milliarden Euro. Auch die Zahl der Kunden stieg um knapp vier Prozent in 2013 und weitere vier Prozent im ersten Halbjahr 2014 auf 18.170 Unternehmen. Insgesamt betreuen die rund 50 Mitglieder der beiden Branchenverbände - Deutscher Factoring-Verband und Bundesverband Factoring für den Mittelstand - 21.840 Unternehmen. "Inzwischen gibt es für alle Unternehmensgrößen passende Angebote. Schon Betriebe, die wenige 100.000 Euro Umsatz erwirtschaften, können Factoring nutzen", berichtet Vorstandssprecher Secker. Selbst Speditionen und Transportunternehmen finden Finanziers, obwohl die in der Branche üblichen Verrechnungsgeschäfte - wenn Lkw-Fahrer bei den Auftraggebern tanken oder Paletten getauscht werden - den Forderungsverkauf behindern. Angebote vergleichen kann sich lohnen "Solche Gegenforderungen machen es für den Factor schwierig, die Rechnung auszuzahlen", weiß Manfred Gerold. Der unabhängige Berater aus dem bayerischen Zangberg hilft Firmen, den passenden Factoring-Anbieter zu finden. Wer seine Forderungen verkaufen möchte, sollte daher seinen Abwicklungsprozess umstellen. "Die Geschäftspartner verzichten vertraglich auf Gegenforderungen und Einreden, sodass die Rechnungssumme nicht nachträglich gemindert werden kann", empfiehlt Gerold. Einige Factoren reduzieren aber auch die Auszahlungsquote, wenn Verrechnungen erfolgen. "Transportunternehmen sollten Factoring-Anbieter auf diese Punkte hin abklopfen und sich Referenzkunden nennen lassen", empfiehlt Branchenkenner Secker. Es ist aber nicht leicht, den richtigen Finanzierungspartner zu finden. Nicht jeder Factor bietet den gewünschten Schutz vor Forderungsausfällen (beispielsweise im Ausland), nicht jeder Anbieter kauft Forderungen aus der Transportbranche auf oder übernimmt das Debitorenmanagement, wenn Spediteure viele Kunden - mit zum Teil kleinen Rechnungsbeträgen - beliefern. Der Prüfungs- und Verwaltungsaufwand wäre zu hoch. Ähnlich komplex wie das Leistungsangebot sind die Konditionen. Diese setzen sich meist aus einer Gebühr für die in Anspruch genommene Dienstleistung sowie einem Zins für die Vorfinanzierung der Rechnungsbeträge zusammen. Die Spanne ist groß. Die Factoring-Gebühr reicht von 0,1 bis zu 1,5 Prozent des angekauften Forderungsvolumens. Der Zins entspricht banküblichen Konditionen und liegt - je nach Risiko - bei ein bis fünf Prozentpunkten über dem Refinanzierungssatz der Banken, dem Drei-Monats-Euribor. Dieser beträgt derzeit 0,050 Prozent (Stand: 10. Februar 2015). Bei kleinen Unternehmen berechnen die Institute oft eine pauschale Gebühr auf die verkauften Außenstände. Die individuellen Konditionen hängen stark von der Bonität des Unternehmens und seiner Kunden, der Anzahl und Höhe der Rechnungsposten, den eingeräumten Zahlungszielen sowie den Forderungslaufzeiten und -ausfällen in der Vergangenheit ab. Ein Kostenvergleich lohnt sich. "Zwischen den Konditionen liegen Welten", weiß Gerold. Wichtig ist auch die Auszahlungsquote Neben dem Preis spielt aber auch die Auszahlungsquote und die tägliche Abwicklung eine große Rolle. "Meist laufen die Rechnungen über eine IT-Schnittstelle direkt ins System des Factors. Automatisch entsteht ein Guthaben auf dem Abrechnungskonto des Kunden, über das dieser im Rahmen des eingeräumten Limits sofort verfügen kann", erläutert Secker. Kleinere Betriebe verkaufen häufig alle Forderungen. Es ist aber auch möglich, Factoring so flexibel zu nutzen wie einen Kontokorrentkredit. Je nach Bedarf nehmen Unternehmen mal mehr, mal weniger Linie in Anspruch - reichen also entsprechend mehr oder weniger Rechnungen zur Auszahlung ein. Transportunternehmer Wim Liefers aus Visselhövede profitiert von der engen Zusammenarbeit mit der Teba Kreditbank. Bei größeren Beträgen über 1500 Euro fragt er über die Internetseite des Factors die Kreditwürdigkeit seines Kunden ab. "Innerhalb eines Tages erfahre ich das Versicherungslimit", berichtet der Unternehmensinhaber. Er lehnt daraufhin auch Aufträge ab: "Ich fahre nicht für Kunden, die nicht solvent sind." Zusätzliche Services schaffen Mehrwert Factoring-Experte Gerold empfiehlt dieses Frühwarnsystem allen Transporteuren und Spediteuren. "Es gibt einige schwarze Schafe in der Branche und bei den geringen Margen können Forderungsausfälle schnell existenzbedrohend sein", weiß der Berater. Unternehmer Liefers praktiziert das stille Factoring. Nur wenn Kunden nicht pünktlich zahlen, erfahren sie von der Forderungsabtretung. Dann mahnt der Factor - nach vorheriger Rücksprache mit Liefers - säumige Schuldner an. Der Unternehmer macht jedoch kein Geheimnis daraus, dass er seine Forderungen zu Geld macht. "Verlader, die Factoring verbieten, sind schlechte Zahler", weiß er inzwischen. Forderungsverkauf Das sind die gängigen Varianten Full-Service-Factoring: Neben der Vorfinanzierung des Umsatzes kümmert sich der Factor um das Debitorenmanagement und sichert Forderungsausfälle ab.Inhouse- oder Bulk-Factoring: Der Kunde nutzt die Finanzierung und Risikoabsicherung durch den Factor, wickelt aber Mahnwesen und Inkasso selbst ab.Fälligkeits-Factoring: Der Factor sichert Forderungsausfälle ab und übernimmt die Debitorenbuchhaltung. Das Unternehmen verzichtet aber auf die Vorfinanzierung des Umsatzes.Echtes/unechtes Factoring: Beim echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallrisiko. Beim unechten ist kein Delkredereschutz vereinbart.Offenes/stilles Factoring: Bei der offenen Variante sind die Kunden über den Forderungsverkauf informiert und zahlen direkt an den Factor. Beim stillen Factoring erfahren sie nichts von der Forderungsabtretung, sofern sie Rechnungen pünktlich begleichen. Zahlungsempfänger bleibt das Unternehmen, das die Gelder an den Factor weiterleitet. sadh

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