Brüssel. Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben mit zum Teil harscher Kritik, aber auch Lob die gestern von der EU-Kommission vorgestellten Überlegungen kommentiert, das aktuelle Einsparziel bei CO2-Emission von 20 Prozent bis 2020 auf 30 Prozent zu erhöhen.
"Ein einseitiges Heraufsetzen auf 30 Prozent, ohne dass wichtige Partnerländer weltweit mitziehen, kommt nicht in Betracht", sagte Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums. "Über eine 30-prozentige Reduktion der Treibhausgase nachzudenken ist vollkommen realitätsfern", polterte der Europaabgeordnete Herber Reul (CDU), Vorsitzender des Industrieausschusses im EU-Parlament.
Rebecca Harms, Europaparlamentarierin der Grünen, begrüßte dagegen den Vorstoß: "Eine starke Klimapolitik ist gut für die Wirtschaft und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze in Europa." "Eine CO2-Reduktion von 30 Prozent ist dringend nötig und ohne größere Anstrengungen möglich", so Jo Leinen (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament.
CO2-Verringerung um 20 Prozent soll 48 und nicht 70 Milliarden Euro pro Jahr kosten
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard hatte bei der Vorstellung eines neuen Berichts der EU-Kommission vorgerechnet, dass die CO2-Ziele der Union aufgrund der eingetretenen Wirtschaftskrise preiswerter zu erreichen sein werden, als ursprünglich gedacht. Nur noch 48 statt veranschlagter 70 Milliarden Euro würde die CO2-Verringerung um 20 Prozent pro Jahr kosten. Stecke sich die EU das 30 Prozent Ziel, würde das jedes Jahr 81 Milliarden Euro kosten. "Das ist keine Summe, die man aus dem Ärmel schüttelt", sagte Hedegaard. Aber sie sieht das Geld als Zukunftsinvestition gut angelegt. Ehrgeizige CO2-Vorgaben würden Innovationen fördern, Arbeitsplätze schaffen, Energieimporte um 40 Milliarden Euro reduzieren und Gesundheitskosten in Höhe von acht Milliarden Euro sparen.
Die dänische Kommissarin sagte aber auch, dass die Kommission das 30 Prozent Ziel nicht sofort fordere. "Die Frage, ob unser Reduktionsziel von 20 auf 30 Prozent angehoben werden soll, ist eine politische Entscheidung, die die leitenden Politiker zu gegebener Zeit treffen müssen", so die Dänin.
Bundeswirtschaftsminister Brüderle: Keine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft zulassen
Beobachter waren im Vorfeld davon ausgegangen, dass die Kommission gestern konkrete Forderungen für ihre neuen CO2-Ziele verkünden werde. Der deutsche Wirtschaftminister Rainer Brüderle zeigte sich über das Einlenken erleichtert. "In der jetzigen schwierigen Wirtschafts- und Finanzlage darf es keine zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft, insbesondere für die energieintensiven Industrien, geben", sagte Brüderle
"Es ist nicht nachvollziehbar, dass die EU-Kommission tatsächlich die Wirtschaftskrise als Begründung für noch ambitioniertere EU-Ziele heranzieht – nach dem Motto ‚wo weniger Wachstum ist, können auch mehr Emissionen eingespart werden", führte Hailer aus. Er könne im Namen der Verkehrswirtschaft nur davor warnen, die in dem Bericht vorgeschlagenen zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft, wie zum Beispiel eine neue CO2-Steuer, leichtfertig umzusetzen. "Die deutsche Verkehrswirtschaft hat immer noch mit massiven Ertragsausfällen zu kämpfen", so Hailer. Da die Unternehmen gleichzeitig sowieso schon intensiv in den Klimaschutz investierten, seien zusätzliche Belastungen derzeit und im europäischen Alleingang auf keinen Fall zu akzeptieren. (kw)