Mehr Dynamik an der Rampe

Wartezeiten an der Rampe sind nach wie vor keine Seltenheit in der Stahllogistik. Doch es gibt Lichtblicke: Verlader wie Thyssenkrupp Steel (TKS) oder Salzgitter bauen ihre Ladeprozesse um und flexibilisieren ihre Zeitfenstersteuerung. Häufig hapert es aber noch an der Vernetzung und Kooperation unter den Beteiligten. So lautet das Fazit einer VerkehrsRundschau-Umfrage unter Stahllogistikern und -erzeugern. "Zeitfenster helfen leider eher der Industrie bei der Personaleinteilung als dem Spediteur in seiner Fahrzeugeinsatz-Planung", kritisiert Dirk Michael Müller, Geschäftsführer des Duisburger Stahlspediteurs Rheinkraft International. Oft gebe es starken Andrang zu begehrten Zeiten. Selten sei das ideale Zeitfenster buchbar. Die Buchungsprozesse würden noch durch viele unterschiedliche Tools erschwert. Systeme externer Anbieter seien zudem kostenpflichtig. "Jeder denkt an sich" statt Kooperation Zu selten werde zudem die gesamte Supply Chain eines Unternehmens betrachtet. Kostenstellendenken und falsche Schnittstellen in der Organisation führen zu einem "Jeder denkt an sich"-Verhalten, so Müller. Probleme würden schlicht an den nächsten in der Kette exportiert. "Es entsteht der sogenannte Peitschenschlageffekt, und an der Rampe knallt es dann im wahrsten Sinne des Wortes", berichtet der Praktiker. Für den Spediteur entstünden außerdem zusätzliche Personalkosten, um die Systeme zu managen. Hinzu käme eine schlechtere Produktivität der Fahrzeuge, die sich aus unpassenden Zeitfenstern, Wartezeiten und der unkalkulierbaren Verkehrssituation ergebe. "Dies kann durchaus 30 Prozent ausmachen", so der Rheinkraft-CEO. Zwar beobachtet er aktuell aufgrund der schwächeren Konjunktur eine Beruhigung der Lage an der Rampe. "Weniger Volumen im Markt führt an vielen Stellen zu geringeren Wartezeiten", berichtet er. Dies der Einführung von Zeitfenstern zuzuschreiben, wäre aber nicht korrekt. "Die aktuelle Marktlage nährt vielmehr die Befürchtung, dass im Bereich der Verladung Personal eingespart wird und so zwangsläufig wieder längere Wartezeiten entstehen", erklärt Müller. Zeitfenstermanagement-Systeme haben Staus und stellenweise auch Chaos vor und auf den Werksgeländen erfolgreich reduziert - allerdings häufig sehr zulasten der Frachtführer, meint Marcus Hover, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL NRW). "Hat der Frachtführer zu wenig Vorlaufzeit, können oft nur Zeitfenster gebucht werden, die im Echtbetrieb kaum einen Bezug zu Sozialvorschriften, Staulagen und Dispositionsplänen haben", sagt er. Eine Flexibilisierung der Systeme sei dringend nötig. "Dies erfordert jedoch ein Umdenken der Verlader und Empfänger, verbunden mit Reorganisationen und Investitionen", so Hover. Konzerne setzen auf Kooperation Bei Stahlproduzenten ist die Botschaft angekommen: "Bei uns werden sämtliche Ladestellen mit einem Zeitfenstermanagement gesteuert", berichtet Bert Kloppert, Leiter Transport/Logistik bei TKS in Europa. Zusätzlich kümmert sich eine Stelle ausschließlich um die Ladestellensteuerung und das Rampenmanagement und sucht bei Problemen das Gespräch mit den Logistikern. "Grundsätzlich sehen wir keinen Unmut der Dienstleister. Doch weckt eine gesteuerte Ladestelle die Erwartung, zeitnah beladen zu werden. Sollte uns das nicht gelingen, bekommen wir das zu spüren", räumt Kloppert ein. Umgekehrt setzt der Konzern auf die Kooperation der Dienstleister. Sollte ein Logistiker das gebuchte Zeitfenster nicht pünktlich erreichen, wird eine Umbuchung erwartet. Daran hapert es noch: "Die Situation ist für uns nicht zufriedenstellend", urteilt Kloppert. Abhilfe schaffen soll ein dynamisches Zeitfenstermanagementsystem. Mit dem Vorsatz "in fünf Minuten rein, in einer Stunde raus" forciert das Unternehmen die Digitalisierung in der Güterabfertigung an Toren und Ladestellen im "Tor-Projekt". Künftig soll ein Tracking-and-Tracing-System die Lkw schon im Zulauf erfassen und vorhersagen, wann welches Fahrzeug das Werk erreicht. Gegebenenfalls können Zeitfenster getauscht oder Lkw an alternative Tore geführt werden. Voraussetzung ist, dass jeder Lkw an ein Telematiksystem angeschlossen ist. Eingeführt werden auch eine App zur Werksnavigation, eine digitale Kennzeichenerkennung sowie Terminals für die Selbstabfertigung. Kloppert räumt ein, dass es noch hier und da hakt. Doch leiste das Unternehmen Hilfe bei der Handhabung der neuen Technik. "Es läuft immer besser", berichtet Müller von Rheinkraft von seinen Erfahrungen. Auch TKS-Konkurrent Salzgitter setzt seit Jahren auf ein "Versandsteuerungssystem". Speditionen können online eigenverantwortlich freie Zeitfenster buchen und ändern. "Unsere Gebietsspediteure haben in der Vergangenheit immer wieder reklamiert, dass das System zu starr sei", heißt es bei Salzgitter. Darauf habe man reagiert. Eigene Spielräume besser nutzen Heute sind die Dienstleister aufgefordert, "eigene Optimierungsspielräume" zu nutzen. So können sie beispielsweise nicht mehr nur die Zeitfenster, sondern auch den Ladetag festlegen. Dennoch beobachtet Salzgitter aktuell zunehmende Probleme der Speditionen, die Zeitfenster einzuhalten. "Es gibt vereinzelt noch zu lange Warte- und Standzeiten", räumt das Unternehmen ein. Das liege häufig an der Logistikinfrastruktur des Unternehmens, die in ihrer Entwicklung nicht an allen Stellen mit der Steigerung des Versandvolumens Schritt gehalten habe, heißt es. Konkrete Beispiele nennt das Unternehmen dazu aber nicht. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stahllogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Die Zeitfenstersteuerung an der Rampe ist und bleibt eine große Herausforderung in der Stahllogistik. Eine umfassende Flexibilisierung bleibt dabei die wichtige Aufgabe von Verladern und Logistikdienstleistern, um Wartezeiten und Staus und damit Chaos an der Rampe zu vermeiden. Hinter den Kulissen: Rheinkraft International Rheinkraft International (RKI) mit Sitz in Duisburg wurde 1962 als Rheinische Kraftwagen Speditionsgesellschaft gegründet und war viele Jahre Werksspedition von Thyssen. Seit 2003 firmieren die Duisburger unter Rheinkraft International und gehörten zwischenzeitlich zur belgischen Bahn. Thyssen Krupp ist heute noch einer der größten Kunden neben anderen Stahlherstellern, Stahlrohrproduzenten, Stahlhändlern und Stahl-Servicecentern.Geschäftsführer Dirk Michael Müller erwarb das Unternehmen 2013 gemeinsam mit einem Partner im Rahmen eines Management-Buy-outs (MBO). Heute zählt RKI 340 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von 90 Millionen Euro. Bewegt werden jährlich rund 17 Millionen Tonnen Rohstoffe sowie Halb- und Fertigprodukte für die Stahlindustrie. gr

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