Berlin/Frankfurt. Große Teile der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin gehen an den Branchen-Primus Lufthansa. Beide Unternehmen wollten am Donnerstag in Berlin einen entsprechenden Kaufvertrag unterzeichnen, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Donnerstag in Berlin ankündigte. Das Geschäft steht aber noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Überprüfung.
Nicht zu einem Abschluss führten hingegen bislang Verhandlungen mit der britischen Gesellschaft Easyjet, die ebenfalls bis zu 30 Maschinen samt Verkehrsrechten und Besatzungen übernehmen sollte. Die Verhandlungen würden noch an diesem Donnerstag fortgesetzt, sagte ein Sprecher der Air Berlin. Ob die Berliner nun auch den Kaufinteressenten Condor wieder an den Tisch holen, blieb zunächst offen.
8000 Mitarbeiter müssen neu verteilt werden
Spohr hatte bekräftigt, dass sein Unternehmen von Air Berlin voraussichtlich 81 Flugzeuge übernehmen, 3000 Mitarbeiter einstellen und dafür in Summe 1,5 Milliarden Euro investieren werde. Die Beschäftigten der nicht insolventen Teilgesellschaften Niki und LG Walter werden Konzernkreisen zufolge direkt übernommen, die übrigen rund 1500 Stellen sollen über Neueinstellungen bei der Lufthansa-Tochter Eurowings besetzt werden. Darauf könnten sich auch Air-Berlin-Mitarbeiter bewerben.
Air Berlin hatte mitgeteilt, die Airline sehe gute Chancen, dass etwa 80 Prozent der 8000 Mitarbeiter bei anderen Unternehmen einen neuen Arbeitsplatz erhalten könnten. Für die Air Berlin Technik läuft ein getrenntes Verkaufsverfahren. Die Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit hatten Sozialpläne und kollektive Übergangsregeln für die Beschäftigten verlangt.
Kartellrechtler erwarten strenge Prüfung der Übernahme
Aus Spohrs Sicht muss das Aus für Air Berlin die Ticketpreise nicht nach oben treiben. „Denn der Wettbewerb wird sich in Europa und auch weltweit verschärfen“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wir gehen von weiter sinkenden Preisen aus.“ Im Konzern werde man sich mit der Tochter Eurowings selbst Konkurrenz machen. „Da wo es bisher nur Lufthansa und Air Berlin gab, wie beispielsweise zwischen München und Köln, kommen nun Eurowings-Flüge als Ersatz für Air Berlin hinzu.“
Experten bleiben skeptisch. „Konzerne werden aus kartellrechtlicher Sicht als ein Unternehmen angesehen“, sagte der Düsseldorfer Kartellrechtler Martin Gramsch von der Kanzlei Simmons & Simmons der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Luftverkehrsberater Gerald Wissel erwartet eine vertiefte kartellrechtliche Überprüfung der EU-Kommission. Dabei würden die Marktverhältnisse auf einzelnen Strecken überprüft. Es könne dann gut sein, dass Lufthansa Start- und Landerechte (Slots) auf einzelnen Verbindungen freigeben müsse.
Übergang nicht ohne „Ruckeleien“
Falls Easyjet aus dem Bieterrennen aussteige, werde die kartellrechtliche Genehmigung für Lufthansa noch schwieriger zu bekommen sein, sagte Wissel. Auch Anwalt Gramsch sieht zusätzliche Probleme, weil die EU-Kommission letztlich immer den Gesamtmarkt im Blick haben müsse. „Das Wegfallen eines weiteren Bieters ist schlecht für die Marktstruktur.“
Lufthansa rechnet mit einer Übergangszeit von sechs bis neun Monaten. Sie werde nicht ohne „Ruckeleien» verlaufen, meinte Spohr. Man habe Piloten aus dem Urlaub zurückgeholt und fliege innerhalb Deutschlands auch mit Jumbo-Jets, um alle Passagiere aufnehmen zu können. Tausende Mitarbeiter müssten eingestellt werden, zugleich sei der Übergang der Air-Berlin-Flugzeuge beim Luftfahrbundesamt aufwendig.
Tickets verfallen voraussichtlich ab Ende Oktober
Air Berlin wird voraussichtlich ab Ende Oktober generell nicht mehr unter eigener Flugnummer fliegen, wie es in einem Brief der Firmenleitung an die Mitarbeiter vom Montag hieß. Der insolventen Gesellschaft sei ein eigenwirtschaftlicher Verkehr unter dem Airline-Code AB „nach gegenwärtigem Erkenntnisstand spätestens ab dem 28. Oktober nicht mehr möglich“. Tickets für spätere Flüge verlieren ihre Gültigkeit. Der Flugverkehr der nicht insolventen Töchter Niki und LG Walter soll weitergeführt werden.
Air Berlin –nach Lufthansa bisher die zweitgrößte deutsche Fluglinie – hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Der Flugbetrieb seitdem war nur durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro gesichert. (dpa/jt)