Li-Ion verleiht Flügel

Das Label "Made in China" hat hierzulande noch ein Imageproblem. Dagegen geht die Zhejiang Hangcha Imp. & Exp. Co. LTD, Nummer zwei im chinesischen Flurförderzeugmarkt, in die Offensive und zeigt seit 2016 in Deutschland Flagge. Die spannende Frage: Kann der "Chinesische Drache" im Haifischbecken europäischer Premiummarken punkten? BHT, der deutsche Vertriebspartner aus Herborn, hatte uns einen Lithium-Ionen-Elektrogabelstapler aus der neuen XC-Serie zum Profi-Test reserviert. Ort der Begegnung ist die Europazentrale in Flörsheim am Main. Dort erwartet uns ein grün gepulverter 3,5-Tonnen-Elektro-Vierradstapler mit Triplex-Hubgerüst im neuen "Crossover"-Style. Der Stapler ist ausschließlich mit Li-Ionen-Batterien zu haben und wurde explizit für die Technik designt. Den Wegfall des kastenförmigen Batterietrogs nutzten die Konstrukteure für eine geschmeidige Formgebung, ohne Ecken und Kanten. Erster Eindruck: Der kleine (Test-)Drache kann zwar weder Feuer speien noch fliegen, die Lithium-Ionen-Technik verleiht ihm aber offensichtlich Flügel. In puncto Fahr- und Hubgeschwindigkeit sowie Steigfähigkeit ist er auf dem Niveau von verbrennungsmotorisch angetriebenen Gabelstaplern, die ja bekanntlich bislang die Gewichtsklasse ab 2,5 Tonnen dominieren. Batteriefertigung in Thüringen geplant Seine Energie schöpft er aus einer 80 V/ 542 Ah, 43,36 kW Lithium-Ionen-Batterie, die bei Hangcha in Hangzhou City in der chinesischen Provinz Zhejiang von CATL produziert wird. Derzeit planen die Chinesen auch eine Batteriefertigung in Thüringen. Die Lithium-Eisen-Phosphat-Batteriezellen sind schnellladefähig - bis zu 50 Prozent der Kapazität sind in 30 Minuten rückladbar. Zwischenladungen sollten spätestens nach fünf Arbeitsstunden erfolgen. Eine Vollladung dauert zwei Stunden. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn die nötige Netzleistung und Unterverteilung für das mobile Hochleistungsladegerät bereitstehen. Die Steckdose für den Ladestecker ist hinter einer Abdeckklappe auf der rechten Staplerseite leicht zugänglich. Eine integrierte Batterieheizung ermöglicht den Einsatz des Staplers bei niedrigen Temperaturen. Für einen niedrigen Schwerpunkt sitzt die Batterie in der Fahrzeugmitte, ganz unten, und ist natürlich wartungsfrei. Trotzdem gibt es einen seitlichen Zugang mit Stahltür für ein problemloses Batteriehandling. Eine Besonderheit entdecken wir beim Einstieg. Der Fahrer erreicht seinen Arbeitsplatz von beiden Seiten über rutschsichere und gut einsehbare, 46 Zentimeter hohe Trittstufen. Ein ausreichend großer Haltegriff aus Metall unterstützt ihn dabei. Dieser Haltebügel fehlt jedoch rechts. Auch wenn der Einstieg auf dieser Seite durch die Armlehne mit den Fingertip-Bedienelementen eingeschränkt ist, gewährt die offene Trittstufe bessere Sicht auf die Fahrbahn rechts. Fahrersitz und Armlehne schwingen als Einheit im Takt und verhindern so Stöße auf das Schultergelenk. Die Kombination stammt von Grammer und wurde über ein Joint Venture in China produziert. Der relativ glatte Kunstlederbezug kommt bei den Fahrern allerdings nicht so gut an. Die Armlehne bietet Raum für Fahrerutensilien. Der Fußraum ist angeschrägt und mit einer Gummimatte ausgelegt. Der Servicetechniker hat leichten Zugang zu den Komponenten darunter. Bei der Anordnung der Pedalerie gibt es allerdings Handlungsbedarf. Der Anstellwinkel des Fahrpedals ist zu steil, wodurch das Sprunggelenk des Fahrers stark belastet wird. Die neigbare Lenksäule der Hydrauliklenkung lässt immerhin genügend Beinfreiheit und stört nicht beim Ein- und Aussteigen. Jedoch ist die Kopffreiheit unter dem Schutzfach begrenzt, denn der Stapler ist Container-fähig. Bauartbedingt ist auch die Sicht durch den Triplex-Hubmast etwas eingeschränkt. Zwischen den Mastprofilen messen wir ein Sichtfenster von 40 Zentimetern. Bei Prüfung der Maststabilität, auf 4,50 Metern Höhe, sind bei Seitenschieberbewegungen mit Last aber keine besorgniserregenden Pendelbewegungen spürbar. Der Seitenschieber stammt übrigens aus einem Joint-Venture mit Cascade. Abgesichert durch ein Dämpferelement, lassen sich Haube und Fahrersitz nach hinten öffnen. Die Komponenten sind nun frei zugänglich. Wir entdecken Steuerung und Bordelektronik vom italienischen Hersteller Immotion. Daneben finden wir einen AC-Motor von Schabmüller ("Made in Germany") mit einer Leistung von 25,5 kW. Angeflanscht daran ist eine Hydraulikpumpe von Casappa aus Italien. Der AC-Fahrmotor (16,5 kW, ebenfalls von Schabmüller) treibt die beiden Superelastik-Räder der Vorderachse an. Integriert sind klassische Trommelbremsen, die leider nicht wartungsfrei sind. Die Parkbremse wirkt mechanisch und wird über einen Hebel am Cockpit aktiviert. Nach Herstellerangaben optimiert und verstärkt wurde die Hinterachse. Höhere Kippsicherheit soll die progressive Erhöhung der Wankfederrate bewirken. Wenderadius von 2270 Millimetern Die Lenkung arbeitet präzise. Mit viereinhalb Lenkrad-Umdrehungen ermöglicht sie einen Wenderadius von 2270 Millimetern. An der rechten A-Säule informiert ein gut lesbares Farbdisplay über wichtige Betriebsparameter. Sehr zur Freude unserer Testfahrer lassen sich dort auch drei verschiedene Betriebsmodi vorwählen. Wir vermissen aber eine Uhr im Display, die in der Praxis zur Dokumentation bestimmter Ladevorgänge vorteilhaft ist. Die Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit bei Kurvenfahrt ist Serienausstattung. Im Power-Modus beschleunigt der Stapler aus dem Stand sehr gut. Die Verzögerung über die Motorbremse ist sehr sanft. Betriebsbremse bei der Lastaufnahme Für ungeübte Fahrer ist das ein Sicherheitsaspekt, der jedoch negative Auswirkungen auf die Umschlagleistung hat. Aufgrund der flotten Fahrweise unserer routinierten Testpiloten kommt beim schnellen Annähern an die Laderampe oder bei der Lastaufnahme auch schon mal die Betriebsbremse zum Einsatz. Für ein flüssiges Reversieren sollte hier elektronisch nachjustiert werden. Laut Hersteller meistert der Stapler Steigungen bis 20 Prozent. Negativ bewerten wir das Fahrverhalten an der Schräge. Nach einer kurzen Haltezeit rollt der Stapler zurück. Auch hier muss die Abstimmung verbessert werden. Ähnlich verhält es sich bei der Lenkhydraulik. Da wäre eine Erhöhung der Pumpendrehzahl vorteilhaft, um für schnelle Lenkbewegungen genügend Öldruck zur Verfügung zu haben. In den engen Kurven unseres Testparcours macht das Fahrzeug aber einen stabilen und sicheren Eindruck. Die Hubgeschwindigkeit mit Last empfinden unsere Testfahrer als respektabel (370 mm/s). Beim Absenken der Last lässt das Gerät allerdings Umschlagzeit liegen. Bei der Beleuchtung setzt Hangcha auf energiesparende LED-Technik. Neben einer Warnleuchte am rückwärtigen Fahrerschutzdach sorgt ein Blue-Spot für Sicherheit. Dank IPX4-Spritzwasserschutz trotzt der Stapler nicht nur jeder Witterung, sondern auch der Säuberung mittels Hochdruckreiniger. China-Drache im europäischen Kleid Fazit: Die Chinesen haben mit der XC-Serie den Gabelstapler nicht neu erfunden - aber mit aktueller Li-Ionen-Technik und ansprechendem Design den europäischen Geschmack getroffen. Wenn es dem deutschen Importeur gelingt, die nötigen Anpassungen vorzunehmen, dann wird aus dem kleinen grünen Drachen ein brauchbarer Gabelstapler mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Teststapler bewegt in einer Acht-Stunden-Schicht immerhin 880 Paletten - 56 (6,8 Prozent) mehr als im Eco-Modus. Dabei klettert der Energieverbrauch um 8,78 Prozent. Unsere Testfahrer bewerten den Li-Ionen-Stapler mit der Gesamtnote 2,5 (befriedigend). Das Testfahrzeug Hangcha XC Series Der Elektro-Vierrad-Frontstapler "Hangcha XC Series" hat eine Tragfähigkeit von 3,5 Tonnen bei einem Lastschwerpunkt von 500 Millimetern. Er wird aus einer 80-Volt-Lithium-Ionen-Batterie mit 43,36 kW Leistung und 542 Ah Kapazität gespeist. Ausgestattet ist das Fahrzeug mit einem Triplex-Hubmast mit Freihubzylinder und Superelastik-Reifen. Das Urteil der Testfahrer Dieter (60), 37 Jahre Staplererfahrung, derzeit im Bereich Lebensmittel-Logistik:"Design und Verarbeitung haben mich positiv überrascht. Der Mix mit bewährten europäischen Komponenten lässt hohe Zuverlässigkeit erwarten. An der Abstimmung muss jedoch nachjustiert werden."Uwe (43), 20 Jahre Staplererfahrung, aktuell in der Baustoffindustrie beschäftigt:"Der neue Li-Ion-Stapler ist kein Game Changer - aber mit ein paar Abstimmungen ein brauchbarer Ergänzungsspieler. Ganz vorne im Pflichtenheft sollte unbedingt die Rampenfunktion stehen."Heinz (53), 25 Jahre Staplererfahrung, derzeit in der Baustoffindustrie:"Dank der Li-Ion-Technik entfallen Batteriewechsel und die Batterielogistik. Die Batterie ist wartungsfrei. Als Fahrer muss ich nur noch das Ladegerät anstecken. Vermisst habe ich die Frontscheibe für draußen."

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