Brüssel/Berlin. Sowohl die Fahrzeugindustrie als auch die Transportwirtschaft fordern von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dass er seinen Vorstoß für eine flächendeckende Pkw-Maut in der EU zurückzieht, und warnen vor einer Verzögerung bei der Reform der Eurovignetten-Richtlinie. „Die aktuelle Richtlinie sollte nicht auf weitere Fahrzeugklassen ausgedehnt werden", sagte ein Sprecher des Verbandes der europäischen Fahrzeughersteller (ACEA). Er fürchtet, dass Diskussionen über die neue Idee das laufende Gesetzgebungsverfahren, was bereits ein gemeinsames CO2-basiertes Gebührensystem für Lkw ab 2023 vorsieht, weiter in die Länge ziehen. Dadurch würden die Anreize für Transportunternehmen fehlen, in emissionsarme Technologien zu investieren.
„Ebenso können die ehrgeizigen CO2-Grenzwerte für Lkw, die für 2025 und 2030 gesetzt wurden, nur erreicht werden, wenn Fahrzeuge mit neuer Technologie die bevorzugte Option für Transportunternehmen werden“, sagte der Sprecher. Die CO2-basierte Lkw-Maut in Europa sei eine wichtige Voraussetzung, um neue und effizientere Lastwagen zu entwickeln und zu verkaufen. Die europäischen Lkw-Produzenten im ACEA verlangen bis spätestens zum Verkehrsministerrat im September einen Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Selbst wenn sich die Staaten einig seien, müssten sie sich noch mit dem EU-Parlament und der -Kommission verständigen, was bis Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Dezember dauern könnte.
Scheuer hatte überraschend in den Entwurf zur Reform der Eurovignetten-Richtlinie, die sich im Kern um die Lkw-Maut dreht, eine europäische Pflicht zu einer Pkw-Maut noch vor 2030 geschrieben. Die deutsche Bundesregierung plant laut Klimaschutzprogramm 2030 bereits, die Lkw-Maut in Deutschland maßgeblich am CO2-Ausstoß auszurichten. Die derzeit gültige Eurovignetten-Richtlinie der EU erlaubt es den Mitgliedstaaten allerdings noch nicht, auch den CO2-Ausstoß bei der Gebührenerhebung zu berücksichtigen. Bisher fließen nur das maximal zulässige Fahrzeuggewicht und der Luftschadstoff-Ausstoß – insbesondere Ruß und Stickoxide – in die Berechnung der Mautsätze ein.
Kritik kommt auch von BGL und Allianz pro Schiene
Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) äußerte die Sorge, dass bei einer Verzögerung der EU-Richtlinie, der Wettbewerb im Straßengüterverkehr verzerrt werden könnte. Denn in Deutschland gilt ab 2021 eine CO2-Abgabe, die Benzin und Diesel an den Tankstellen verteuern soll. Der BGL fürchtet, dass seine Mitglieder dann finanzielle Nachteile haben könnten gegenüber Transportunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten – insbesondere aus Osteuropa.
Die Allianz pro Schiene hält Scheuers Idee, EU-weit eine einheitliche Pkw-Maut verpflichtend einführen zu wollen, für „klimapolitisch brandgefährlich“. Der Bahnverband fürchtet, dass sie den für Deutschland bereits beschlossenen CO2-Aufschlag bei der Lkw-Maut ab dem Jahr 2023 behindern und somit kein Preisausgleich der zwischen der Straße und der Schiene, für die Güterbahnen schon EU-weit Trassenentgelte zahlen müssen, erfolgen könnte. „Kommt der CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut durch den irrlichternden Pkw-Mautvorstoß des Bundesverkehrsministers gar nicht oder später als geplant, wird die Benachteiligung der Güterbahnen bei der Maut zementiert und der Klimaschutz im Verkehr weiter ausgebremst“, so der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege. (ag)