Kräftiger Preisschub

Das Coronavirus hinterlässt seine Spuren. Für die Transportbranche ist damit gleichzeitig eine Achterbahnfahrt verbunden, was die Nachfrage und die Preisentwicklung betrifft. Derzeit geht es bergauf, und zwar steil, wenn man den Aussagen aus dem Markt glauben darf. Sendungs-Tsunami im Stückgut Jochen Eschborn, Vorstand des europäischen Ladungsverbundes Elvis, beklagte im Juni einen massiven Laderaummangel in Deutschland. "Die Situation im deutschen Ladungsmarkt ist derzeit katastrophal", sagte er gegenüber der Verkehrs-Rundschau (VR) angesichts steigender Ladungsmengen und knapper Frachtraumkapazitäten. Beim DSLV (Bundesverband Spedition und Logistik ) war im Stückgut die Rede von einem "Sendungs-Tsunami". Auch die Nagel-Group vermeldete Ende Juni "sprunghaft angestiegene Auftragsvolumina in den vergangenen Wochen". Mit der Folge, dass "die Transportpreise derzeit in die Höhe schießen, nicht zuletzt wegen des Fahrermangels", lautete die Marktanalyse von Carsten Taucke, CEO der Nagel-Group. Und DB Schenker hat wegen eines zu großen Aufkommens im Stückgut sogar zeitweise einen Annahmestopp verhängt, damit das Netz voller Sendungen nicht reißt. Die Wende von der Corona-Krise hin zum Nachfrageschub erfolgte in kürzester Zeit ohne langen Anlauf. Daher war damit zu rechnen, dass auch der VR-Index als Indikator für die Entwicklung der Transportpreise im Straßengüterverkehr sich nach oben bewegt. Und so ist es gekommen: Die Frachtraten sind im zweiten Quartal 2021 kräftig um 1,99 Prozent gestiegen, von 127,31 Punkte im ersten Quartal auf 129,84 Punkte im zweiten Quartal. Der Anstieg um 1,99 Prozent ist der höchste seit dem dritten Quartal 2018. Damals hatten sich im Boom die Preise mit 2,06 Prozent minimal stärker verteuert. Damit ist das zweite Quartal 2021 das Quartal mit dem dritthöchsten Preisanstieg seit Bestehen des Index im Jahr 2005. Im dritten Quartal 2008 war der VR-Index mit 2,75 Prozent noch stärker in die Höhe geschnellt. Ein wichtiger Grund für den Preisanstieg ist die steigende Nachfrage. Nicht nur im Stückgut ist aufgrund der weiterhin regen Nachfrage im E-Commerce die Auftragslage hoch. Hinzu kommt, dass nun die Lockerungen der Pandemiebeschränkungen vor allem das Geschäft in der Gastronomie und Hotellerie ankurbeln. Dort gab es zudem keine Lagerbestände mehr, auf die zurückgegriffen werden konnte. Aber auch für den stationären Einzelhandel gelten kaum noch Beschränkungen. Die Händler füllen eifrig ihre Regale. Doch die anziehende Nachfrage ist nicht der einzige Grund für den Preisanstieg: Die Lkw-Kapazitäten können mit diesem Tempo nicht Schritt halten. Vor allem deshalb, weil ein Teil der Unternehmen diesem schnell um die Ecke gekommenen Boom noch nicht so recht traut und mit einem Aufstocken der Kapazitäten vorsichtig ist. Es wird genau geprüft, ob es sich lohnt, Fahrzeuge wieder in den Fuhrpark zu holen, die abgemeldet wurden. Aber selbst wenn sie sich dafür entschieden haben: Nicht wenigen Unternehmen fehlen die Lkw-Fahrer. Zum einen haben sich einige in der Krise verabschiedet. Aber das größere Problem ist der demografische Wandel, der sich mit steigender Nachfrage sofort wieder bemerkbar macht: Es scheiden deutlich mehr Lkw-Fahrer altersbedingt aus dem Markt aus, als neue angeworben werden können. Wie sehr sich die Konjunktur auf die Verfügbarkeit von Lkw-Fahrern bemerkbar macht, zeigt auch der Blick in die Arbeitslosenstatistik. Im März 2021 gab es noch 24293 arbeitslose Berufskraftfahrer. Zwei Monate später waren es nur noch 19390. Auch die Aussagen der Unternehmen im Corona-Wochenbericht des BAG (Bundesamt für Güterverkehr) sprechen eine deutliche Sprache: "Nahezu alle befragten Unternehmen thematisieren betriebliche Herausforderungen durch einen wahrgenommenen Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal und weiteren Fachkräften." Das Transportbarometer von Timocom zeigt gleichfalls, dass die Nachfrage derzeit sehr hoch ist und das Angebot entsprechend knapp (siehe Grafik Seite 21). Das Barometer gibt an, wie in dem jeweiligen Monat das Verhältnis zwischen angebotener Fracht und angebotenem Laderaum ist. Während im Corona-Jahr in vielen Monaten die Werte häufig unter der 50 Prozent-Marke blieben und damit mehr Laderaum als Fracht zur Verfügung stand, wandelte sich das Bild 2021. Die Kurve übersteigt dabei das Niveau aus dem Vor-Coronajahr (2019) deutlich. Bleibt die Nachfrage auf so hohem Niveau oder sollte sie noch weiter anziehen (zu den Erwartungen siehe auch Kasten Seite 21), dürfte sich der Fahrerengpass weiter verschärfen. Zurück zu den Preisen: Die Frachtraten haben also einen Sprung nach oben gemacht. Das bestätigen auch die Zahlen vom Transport Market Monitor (siehe Grafik Seite 20). Der Indikator ist im zweiten Quartal in die Höhe geschossen. Diese starke Veränderung lässt sich damit begründen, dass hier ausschließlich Spotmarkt-Preise berücksichtigt werden. Der Spotmarkt wiederum reagiert unmittelbar auf Kapazitätsveränderungen, in diesem Fall auf Knappheiten. Steht kaum Kapazität zur Verfügung, steigen an der Börse die Preise für Laderaum prompt und spürbar in die Höhe. Deutlich steigende Kosten für Diesel Aus Sicht der Logistikdienstleister ist es positiv, dass die Frachtraten gestiegen sind und sie jetzt mehr Geld für den Transport bekommen. Doch auch die Auftraggeber müssen sich nicht grämen. Dazu reicht der Blick zurück: Mit 129,84 Punkten im zweiten Quartal 2021 ist der Vor-Coronawert aus dem ersten Quartal 2020 mit 129,55 Punkte nur knapp übersprungen. Die Verlader haben also in diesem Zeitraum von geringen Frachtraten profitiert. Und vom bisherigen Höchstwert aus dem zweiten Quartal 2019 (132,09 Punkte) sind die Frachtraten noch immer ein gutes Stück entfernt. Es kommt hinzu, dass die Kosten für die Dienstleister steigen. Wer Fahrer gewinnen und halten möchte, muss tiefer in die Tasche greifen. Und Kraftstoff hat sich gleichfalls verteuert. Betrug der Dieselpreis bei Abgabe an Großverbraucher im Mai 2020 noch 79,62 Euro je Hektoliter, müssen die Dienstleister ein Jahr später 103,95 Euro hinblättern - ein Anstieg um mehr als 30 Prozent. Geht man davon aus, dass die Kosten für Treibstoff im Fernverkehr etwa 25 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, sind diese somit innerhalb eines Jahres um 8,5 Prozent gestiegen - während im gleichen Zeitraum (Q 2/2020 zu Q 2/2021) sich die Frachtraten nur um drei Prozent verteuert haben. Damit lässt sich auch erklären, dass trotz des jüngsten Preisanstiegs viele Transportdienstleister mit ihrer derzeitigen finanziellen Lage nicht zufrieden sind. In Kürze Ein regelrechter Boom ist im Transportmarkt zu beobachten. Mit den Mengen steigen auch die Frachtraten an. Doch von einer Entspannung für die Transportdienstleister kann trotzdem keine Rede sein. Erhebungsmethodik und Teilnehmer Was man zum VerkehrsRundschau-Index wissen muss Seit 2005 lässt die VerkehrsRundschau (VR) von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut die Frachtraten im Straßengüterverkehr erheben. Damit ist der VR-Index der älteste Preisindex für Lkw-Transporte in Deutschland. Zur Methodik und Erscheinungsweise Im zweiten Quartal 2021 haben 90 Unternehmen bei der Befragung mitgemacht, etwas mehr Dienstleister als Verlader. Von den Dienstleistern haben 35,0 Prozent 20 und weniger Mitarbeiter. Bei den Verladern geben 76,6 Prozent an, mehr als 100 Mitarbeiter zu haben. Sie sind also durchschnittlich größer als die Dienstleister. Bei der Abfrage der Frachtraten sind nur Transporte berücksichtigt worden, deren Güter palettierbar sind und keine besondere Handhabung erfordern. Folgende Kriterien nehmen Einfluss auf die Preisgestaltung: - Entfernungen - Sendungsgrößen - Quell- und Zielraum - Transporte innerhalb von und zwischen Ballungsgebieten - Art des Vertragsverhältnisses zwischen Verlader und Transporteur - keine langfristigen Kontrakte - Preisbildung der Aufträge ohne Annahme einer Rückfracht Der Index erscheint vierteljährlich. Die Daten werden erhoben vom Marktforschungsinstitut Kynetec. cd

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