Kooperation der Kooperationen

Der deutsche Stückgutmarkt ist um eine organisatorische Variante reicher. Die beiden Mittelstandsnetzwerke 24-Plus Systemverkehre und Online Systemlogistik haben sich zu einer "Kooperation der Kooperationen" entschlossen. Unterstützung in Notsituationen Das bedeutet: Beide Kooperationen werden weiterhin unabhängig voneinander unter ihrem Markennamen am Markt auftreten. Sie werden aber gemeinsam nach Synergien suchen und sich gegenseitig bei Notsituationen wie dem Ausscheiden von Partnern oder temporärer Überlastung von Standorten unterstützen. Details soll ein gemeinsamer Lenkungsausschuss ausarbeiten, der dann die Zusammenarbeit steuert. Gerade der Aspekt der Netzwerkstabilität spielt für die Mittelstandskooperationen eine wichtige Rolle. Das musste zuletzt insbesondere die Online Systemlogistik erfahren. Durch den Wechsel der Spedition Hartmann zum 1. Januar 2015 von Online zum Konkurrenten Cargoline fällt für Online ein wichtiger Partner und Gesellschafter weg. Hartmann schließt bei Cargoline wiederum die Lücke, die der Verkauf der Bielefelder Spedition Kunze an Hellmann Worldwide, einem Mitglied der System Alliance, gerissen hatte. Zwar hat Online mittlerweile die Hartmann-Vakanz durch die Neuaufnahme der Hämmerling Group Logistic in Paderborn, der KS-Logistic & Services in Schwerte sowie der Westfalen-Logistic Park in Lemgo geschlossen. Aber der Schutz vor solch unliebsamen Überraschungen spielte dennoch bei den Kooperationsgesprächen offenbar eine wichtige Rolle. "Die langfristige Wahrung der Netzwerksicherheit ist ein zentraler Punkt unserer Zusammenarbeit", sagt Online-Geschäftsführerin Sandra Bugiel. "Durch den Konzentrationsprozess im Stückgutgeschäft wird es für alle Netze immer schwieriger, qualifizierten Ersatz für ausscheidende Partner zu finden", betont auch 24-Plus-Geschäftsführer Peter Baumann. Künftig könnten die Mitglieder beider Kooperationen beispielsweise bei der Insolvenz eines Mitgliedes auf die Speditionen des jeweils anderen Netzes ausweichen. Keine Notgemeinschaft Als reine Notgemeinschaft sehen die beiden Mittelstandskooperationen ihre Allianz jedoch nicht. "Die Zusammenarbeit ist langfristig und strategisch angelegt", betont Sandra Bugiel. "Es gibt viele Bereiche, in denen nicht jeder das Rad neu erfinden muss", sagt Olaf Bienek, geschäftsführender Gesellschafter der Kunzendorf Spedition, Berlin, und Aufsichtsratsvorsitzender von 24-Plus gegenüber der VerkehrsRundschau. Dazu zählt Bienek unter anderem die Entwicklung von IT-Systemen. Als weitere Synergie sieht er die Nutzung der Europapartner der jeweils anderen Kooperation. Dies verbessere die Qualität bei Europaverkehren und stärke gleichzeitig die Beziehung zu den ausländischen Partnern. Einig sind sich Bienek und Bugiel in einer Aussage. "Eine Fusion der beiden Kooperationen ist nicht geplant", versichern sie. Beleuchten wollen die beiden Kooperationen zudem die Entwicklung gemeinsamer Produkte und eine mögliche Zusammenarbeit bei den Regionalhubs. Durch Mengenbündelungen könnten beide Stückgutnetze durch gemeinsam angesteuerte und betriebene Regionalhubs ihre Effizienz steigern, die Auslastung verbessern und die Kosten senken. Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, wollen die Partner nach einer Sondierungsphase zudem Qualitätsmanagement und operative Prozesse angleichen. Ein neuer Trend im Stückgutmarkt Während Vertreter von Online und 24-Plus die gemeinsamen mittelständischen Wurzeln und ein ähnliches Kooperationsverständnis hervorheben, sehen externe Experten auch einige Unterschiede, die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit haben könnten. So wickelt 24-Plus 80 Prozent seiner jährlich mehr als sieben Millionen Sendungen im Direktverkehr ab und zieht nur 20 Prozent über Hubs. Bei Online (2,55 Millionen Sendungen) ist es genau umgekehrt. 85 Prozent der Sendungen werden über die Hubs gezogen. Nur 15 Prozent der Sendungen gehen über Direktverkehre an die Empfangsspeditionen. Online ist zudem zentraler organisiert: Nur vier Gesellschafter stehen den 33 Gesellschaftern von 24-Plus entgegen (siehe auch Übersicht rechts). Stückgutexperten sehen in der Zusammenarbeit dennoch den Vorboten eines Trends im Stückgutmarkt. Gerade die Mittelstandskooperationen werden sich in Zukunft anders aufstellen müssen, meint der selbstständige Unternehmensberater Knut Heymann, M&A-Spezialist und seit vielen Jahren Fachmann für den Stückgutmarkt. Grund dafür sei die schlechte Ertragslage beim Stückgut. Dies habe dazu geführt, dass sich in einigen Regionen die Zahl der Anbieter durch Insolvenzen und Übernahmen drastisch reduziert hat. Als Beispiel nennt Heymann den Großraum München, wo es immer schwieriger geworden sei, einen unabhängigen Empfangsspediteur zu finden, der die erforderlichen Qualitätsanforderungen erfüllt. Ein Ausweg aus solchen Situationen sei die gemeinsame Nutzung eines leistungsstarken Platzhirsches. Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die so vernetzten Kooperationen erhalten in der Region den Zugang zu einem leistungsfähigen Nahverkehrsnetz - und der Platzhirsch kann aufgrund gesunder Sendungsstrukturen und einer gewissen Alleinstellung mit dem Stückgut gutes Geld verdienen. Bisher wird mit schlecht ausgelasteten Nahverkehren mit geringer Stoppdichte bares Geld verbrannt. In der Praxis hat das Auflockern enger Kooperationsgrenzen längst eingesetzt. "Die Spediteure haben angefangen, Kooperationen anders zu denken", sagt Heymann. Im Osten Deutschlands gibt es zumindest eine Spedition, für die die angestammte Kooperation nicht der Kunde mit den meisten Sendungen ist. Eine kooperationsfremde Spedition liefert mehr Stückgut zur Verteilung in der Region an. Heymann hält solche Vorgehensweisen für zeitgemäß. Es gehe für jede einzelne Spedition darum, ihre Kostenstrukturen zu optimieren - beispielsweise durch die Organisation paariger Verkehre. Dazu sei zuweilen das Aufweichen allzu starrer Strukturen nötig. Als weitere Möglichkeiten der Kooperation von Kooperationen sieht Heymann die gemeinsame Nutzung von Hubs und den Aufbau gemeinsamer Fernverkehre, um den Anteil von Direktfahrten zu steigern.

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