Koalition einigt sich bei Arbeitsmarktreform

Nach monatelangem Streit haben sich Union und SPD beim geplanten Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zusammengerauft. "Wir haben eine Einigung", teilte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vergangene Woche nach einem Spitzentreffen der Koalition in Berlin mit. Der Weg sei nach der Zusammenkunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem SPD-Chef Sigmar Gabriel im Kanzleramt frei für die weitere Beratung des Gesetzentwurfs im Kabinett. Einen ersten Gesetzentwurf hatte Nahles bereits im vergangenen November vorgelegt. Wegen des Protests der Wirtschaft hatte sie diesen im Februar dieses Jahres deutlich entschärft. Der ursprünglich vorgesehene Kriterienkatalog, der definieren sollte, wann ein Werkvertrag vorliegt und wann nicht, ist zum Beispiel gestrichen worden. Diese Liste sollte acht mögliche Missbrauchstatbestände enthalten. Vor allem die CSU hatte danach aber immer noch Änderungswünsche angemeldet - in erster Linie bei den Regelungen für Leiharbeiter. Deshalb hat Nahles nochmals einige Punkte korrigiert. Übergangsfristen bei Leiharbeitereinsatz Wie ursprünglich geplant, sollen Leiharbeiter künftig höchstens 18 Monate in ein- und demselben Betrieb eingesetzt werden. Danach müssen sie fest übernommen werden oder sie müssen von der Zeitarbeitsfirma an ein anderes Unternehmen entliehen werden. In einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder aufgrund eines solchen Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber darüber hinausgehen. Auch Entleiherbetriebe ohne Tarifbindung sollen - das ist ein neu - ohne eine zeitliche Deckelung von den tarifvertraglichen Öffnungsklauseln für Betriebs- und Dienstvereinbarungen der Einsatzbranche Gebrauch machen können. Von der Höchstüberlassungsdauer von 24 Monaten dürften sie nur dann abweichen, so Nahles, wenn sie die tarifvertraglichen Regelungen der jeweiligen Branche übernehmen und dieser Branchentarifvertrag für Betriebsvereinbarungen eine abweichende Obergrenze ausdrücklich festlegt. Liegen zwischen zwei Einsätzen bei demselben Entleiher weniger als drei Monate, wird der erste Zeitraum der Überlassung künftig vollständig angerechnet. Im Gesetzentwurf von Februar war noch die Rede von sechs Monaten gewesen. Lockerungen bei der Equal Pay-Vorschrift Dem Einigungspapier zufolge machte die Arbeitsministerin in der Berliner Schlussrunde weitere Zugeständnisse: Bisher war vorgesehen, dass beim Anspruch von Leiharbeitern auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft (Equal Pay) nach neun Monaten auch Zeiten vor Inkrafttreten des Gesetzes mitgezählt werden. "Der Gesetzentwurf wird in der Weise geändert, dass nur Überlassungszeiten nach Inkrafttreten zählen", heißt es in dem Beschluss von Union und SPD. Das bedeutet, Entleiherbetriebe erhalten eine Übergangsfrist. Gewerkschaften und Arbeitgeber dürfen lediglich dann davon abweichend eine stufenweise Angleichung des Entgelts über 15 Monate hinweg vereinbaren, wenn in den Tarifverträgen der jeweiligen Einsatzbranche bereits Zuschläge für Leiharbeiter vereinbart sind. Die Zuschläge müssen dann aber bereits nach sechs Wochen Einsatzzeit gewährt werden. Die Unterbrechungszeiten zur Errechnung des Equal-Pay-Anspruchs von Leiharbeitern sollen ebenfalls von sechs auf drei Monate verkürzt werden. Nichts ändert sich an der gesetzlichen Klarstellung, dass der Ketten- oder Weiterverleih von Leiharbeitern durch den Entleiher verboten ist. Bei Zuwiderhandlung gilt nach wie vor künftig ein Arbeitsverhältnis des Leiharbeiters zu dem Einsatzunternehmen als zustande gekommen, bei dem die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Empfindliche Geldstrafen bei Verstößen Ein Kettenvertrag oder das Überschreiten der zulässigen Höchstüberlassungsdauer kostet gemäß Gesetzentwurf bis zu 30.000 Euro Strafe. Daran haben die Spitzenpolitiker nicht gerüttelt. Und wer sich nicht an das Equal-Pay-Gebot hält, dem droht demnach unverändert ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 Euro. Gemäß dem bisherigen Gesetzentwurf ist zudem ausgeschlossen gewesen, dass Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden können. Die Arbeitsministerin will nach dem Treffen in Berlin aber klarstellen, dass sie weiter eingesetzt werden dürfen, wenn sie keine Aufgaben Streikender erledigen. Leiharbeiter dürften darüber hinaus anders als bislang vorgesehen nicht dazugezählt werden, wenn es darum geht, ob Schwellenwerte für Unternehmensmitbestimmung beziehungsweise Betriebsräte erreicht werden, hatte die CSU verlangt. Gemäß der Koalitionseinigung sollen sie erst ab sechs Monaten Entleihdauer dazugezählt werden. Regeln zu Werkverträgen bleiben gleich Bei den im Februar im Sinne der Wirtschaft entschärften Regelungen zu Werkverträgen bleibt es. Geplant ist eine allgemein formulierte Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese soll die bestehende Rechtsprechung zur Abgrenzung abhängiger und scheinselbstständiger Arbeit zusammenfassen und gesetzlich festschreiben. Der BGB-Paragraf soll lauten: "Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen". Überdies will Nahles die Vorratsverleiherlaubnis abschaffen. Sie erlaubt es Arbeitgebern bislang, Werkvertragsnehmer im Nachhinein als Leiharbeiter zu deklarieren. Den vermeintlichen Werkvertragsunternehmer und den Auftraggeber soll eine Verleiherlaubnis nicht mehr schützen. Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nimmt der Gesetzgeber dann ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeiter und dem Entleiher an. Das heißt, das ursprünglich fremde Personal geht auf das Unternehmen, das dieses regelwidrig einsetzt, über. Dem Leiharbeiter stehen somit für den Rest der Vertragslaufzeit dieselben tariflichen Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen zu wie der Stammbelegschaft. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verträge www.verkehrsrundschau.de/dossiers Bewertung Das halten Verkehrsverbände vom aktuellen Gesetzentwurf - Detlef Neufang, Justiziar des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), betrachtet die nun getroffene Einigung kritisch. Erst wenn der finale Entwurf vorliege, sei absehbar, was auf die Wirtschaft im Detail zukomme, warnt der Rechtsanwalt. "Die von der Bundesarbeitsministerin genannten Eckpunkte des Gesetzesvorhabens lassen vermuten, dass die Arbeitgeber weitere bürokratische Hürden erwarten." Unternehmen, die bisher nicht tarifgebunden sind, müssten sich etwa an die jeweiligen Branchentarifverträge anlehnen, um die Ausnahmen bei der Leiharbeit in Anspruch nehmen zu können. In diesem Zusammenhang würden diejenigen ohne Betriebsrat zudem gezwungen, sich zu organisieren. "Das ist vermutlich mit einem gewissen Aufwand und höheren Personalkosten verbunden", sagt Neufang. In Verbindung mit den Bußgeldern, die bei Verstößen gegen die neuen Vorschriften drohen, sieht er die zunehmende Regulierung des Arbeitsmarktes kritisch."Es wird zu prüfen sein, ob die Bundesregierung der Wirtschaft nicht die Flexibilität nimmt, die sie benötigt, um Spitzen abdecken zu können und somit im internationalen Wettbewerb zu bestehen", so der Experte des Verladerverbandes.- Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) hält die vereinbarten Änderungen für weitgehend vertretbar. Die Streichung des bisherigen Kriterienkatalogs zu Werkverträgen sei sehr wichtig. Die Regelungen zur Leiharbeit führten hingegen dazu, dass viele Betriebe eine befristete Arbeitnehmerüberlassung wirtschaftlich und organisatorisch nicht mehr angemessen nutzen könnten. Abzulehnen sei vor allem die vorgesehene Equal-Pay-Vorschrift, von der nur durch Tarifvertrag abgewichen werden kann. Dies werde im Ergebnis zu auch für Arbeitnehmer ineffektiven Rotationen führen. Die vorgesehene Höchstüberlassungsdauer sei deutlich zu kurz bemessen für die Umsetzung komplexer Logistikprojekte, erklärt Huster. ag

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