Hamburg/Bremerhaven. Der Betreiber des japanischen Atomkraftwerks in Fukushima, Tepco, hat gestern zehn Millionen Liter radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer abpumpen lassen. Das kontaminierte Wasser sei 100 Mal stärker verstrahlt als rechtlich zulässig, teilte das Unternehmen laut einem Bericht von focus.de mit. Die deutsche Fischindustrie, die vermehrt in pazifischen Meeresgebieten fangen lässt, ist alarmiert.
Alaska-Seelachs könnte gefährdet sein
Das Tiefkühlkost-Unternehmen Frosta ist nicht direkt berührt, weil es keine Rohwaren aus Japan bezieht. „Indirekt sind wir aber durch das Fischfanggebiet FAO61 (Nordwestpazifik) betroffen", sagte Jürgen Marggraf, Frosta-Vorstandsmitglied, der VerkehrsRundschau. Im Seegebiet Nordwestpazifik werde Alaska-Seelachs gefangen, der Hauptfisch der Deutschen. Im selben Fischgebiet läge auch Japan. „Niemand weiß, was an Radioaktivität im Wasser vor Japan und weiter nördlich drin ist", gibt Marggraf zu bedenken.
Frosta führt eigene Radioaktivitäts-Messungen durch
Um die Verbraucher vor möglicherweise kontaminiertem Fisch zu schützen, hat Frosta eigene Radioaktivitäts-Messungen bei verschiedenen Fischsorten aus unterschiedlichen Fanggebieten von einem akkreditierten Labor durchführen lassen. Die untersuchten Fische stammen aus der Fangzeit vor der radioaktiven Katastrophe in Japan und wurden bereits vor dem 10. März aus dem Wasser gezogen. Frosta führe die Messungen durch, um bei künftigen Kontaminations-Untersuchungen den „Nullstand" an Radioaktivität zu kennen, sagte Marggraf. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden bereits letzte Woche auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht. In keiner der untersuchten Fischsorten konnte eine Kontamination nachgewiesen werden.
Wie der Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels mitteilte, haben auch weitere Unternehmen ihre Fisch- und Seafoodvorräte von akkreditierten Laboratorien auf Radioaktivität untersuchen lassen. Es bestehe keine Verzehrgefahr bei Fischen, die vor der Atomkatastrophe gefangen wurden, teilte der Verband mit. Somit kann der Fisch, der sich bereits im Handel in Deutschland befindet, unbedenklich verzehrt werden.
Bei Fischereierzeugnissen, die nach dem Unglück gefangen wurden oder in Zukunft noch werden, will sich Frosta allerdings nicht ausschließlich auf staatliche Radioaktivitäts-Kontrollen verlassen. Wie Jürgen Marggraf der VerkehrsRundschau sagte, sieht sich das Unternehmen als dritte Kontrollinstanz – neben den staatlichen Messungen des jeweiligen Absender- und des Empfängerlandes Deutschland, die bei Importen ohnehin Gesundheitszeugnisse ausstellen müssen. Zu diesem Zweck habe Frosta Geigerzähler bestellt. „Damit kann man nur erste qualitative Messungen durchführen und wenn Auffälligkeiten auftreten, wird der Fisch an ein Labor geschickt und auf Cäsium gemessen", erklärt Marggraf.
Die Informationspolitik des Unternehmens sieht auch vor, Fischfanggebiete auszuweisen. „Jeder will schließlich wissen, was er kauft." Marggraf rechnet aber nicht damit, dass man tatsächlich etwas finden werde. „Wenn es bei den Veterinären gemessen wird, dürfte bei uns nichts auftauchen." Aber je nachdem, wo gemessen werde, sei es manchmal besser, noch einmal selbst zu messen.
Iglo lässt repräsentative Stichprobe untersuchen
Die VerkehrsRundschau fragte auch beim Nahrungsmittelunternehmen Iglo nach, ob das Unternehmen ebenfalls in dem von Frosta als überwachungsbedürftig eingeschätzten Fischfanggebiet FAO61 fischen lasse. Iglo beantwortete die Frage ausweichend, indem Fischfanggebiete genannt wurden, die sowohl in FAO61 (Nordwestpazifik) als auch im unmittelbar angrenzenden FAO67 (Nordostpazifik) liegen. Das Unternehmen bezeichnete seine Fischfanggebiete lediglich als „Tausende von Kilometern von der Unglücksstelle entfernt."
Tatsächlich erstreckt sich alleine das Fischgebiet Nordwestpazifik mehrere tausend Kilomenter von Süden nach Norden, etwa von Vietnam bis nördlich in die Beringsee und ist somit sehr weit von Japan entfernt. Sinje Pangritz, Junior Kommunikationskoordinatorin bei Iglo, sagte: „Daher erwarten wir keine Probleme mit der Sicherheit." Trotz dieser Aussagen lässt Iglo „eine repräsentative Stichprobe" seines Fisches durch das Johann Heinrich von Thünen-Institut in Hamburg auf Radioaktivität untersuchen.
Eine Fanggebietskarte des Bundeverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels gibt im Internet Auskunft darüber, in welchem Ozean die bedeutendsten Seefische für den deutschen Markt gefangen werden. Anhand dieser Karte können Verbraucher die auf den Lebensmittelverpackungen ausgewiesenen Fanggebiete nachvollziehen. (jko)