Wilhelmshaven. „Schlicktown” wird die Seehafenstadt Wilhelmshaven am Jadebusen gern genannt, wegen der großen Wattflächen ringsum. Schlick stört jedoch die Schifffahrt und blockiert die Häfen, muss also weg. Dafür rücken dann Baggerschiffe an und verklappen ihre Fracht später draußen in der Nordsee. „Können wir nicht besser mit den riesigen Mengen Baggersand einen Hafen bauen?”, grübelt 1993 ein kleiner Kreis von Wilhelmshavener Unternehmern. Damit wurde die Idee für den JadeWeserPort geboren. Deutschlands einziger Tiefwasserhafen wird in dieser Woche fünf Jahre alt.
Eine Wassertiefe von 18 Metern, kurze Revierfahrt von der Nordsee und keine Berührungsängste für dicke Pötte wie auf der Elbe: Der junge JadeWeserPort bietet einige Vorzüge. Frachter mit einem Tiefgang bis zu 16,5 Metern können unabhängig von den Gezeiten anlegen. Die 1725 Meter lange Kaje mit Umschlagbrücken in Rekordgröße bietet Platz für bis zu vier Schiffsriesen mit maximal je 18.000 Containern.
Aber einen durchschlagenden wirtschaftlichen Erfolg kann das am 21. September 2012 eröffnete und lange umstrittene Milliardenprojekt noch nicht vorweisen. Erst jetzt sehen die Macher in Wilhelmshaven nach fünf Jahren einen Aufwärtstrend - und kleine Fortschritte, die Stabilität und Wachstum bringen sollen.
Nur 76.000 TEU im ersten Jahr
Das Containertemrinal ist für einen Jahresumschlag von 2,7 Millionen Standardcontainern (TEU) ausgelegt. Im ersten Jahr wurden aber nur rund 76.000 TEU umgeschlagen, also gerade mal knapp drei Prozent dessen, was möglich sein könnte.
Das europaweit tätige Umschlagsunternehmen Eurogate mit Terminals auch in Hamburg und Bremerhaven verbucht für Wilhelmshaven 2016 einen Verlust von 20 Millionen Euro, vorübergehend gab es sogar Kurzarbeit. Immerhin kletterte der Umschlag auf rund 482.000 TEU. Im ersten Halbjahr 2017 wurden 232.200 TEU erreicht, rund neun Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Doch seit Mitte Mai zeigen die Zahlen wieder aufwärts: Nunmehr laufen zwei Reederei-Großallianzen, „2M” und „Ocean Alliance”, den Hafen regelmäßig an. Für Eurogate-Geschäftsführer Mikkel Andersen ein Durchbruch, denn jetzt sind acht Reedereien am Standort. Andersen will in den kommenden zwei Jahren die Belegschaft um etwa 200 auf bis zu 600 erhöhen: „Man muss klug wachsen, wir sind zufrieden mit vielen kleinen Fortschritten.”
Der Trend zeigt nach oben
Auch für Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) zeigt der Trend nach oben: 2018 soll beim Knacken der Umschlagmarke von einer Millionen TEU die Planung für eine zweite Ausbaustufe beginnen, kündigt der Minister an. Eine Autobahn führt direkt zum Hafen, durch den rund 20 regelmäßige Bahnverkehre rollen. „Die schlimmen Jahre
2013/14 sind vorbei, das waren Horrorzeiten”, erinnert sich Lies an den schleppenden Start. Als Ursachen für den lahmen Beginn galten die Finanz- und Schifffahrtskrise sowie Überkapazitäten. Dadurch gingen die früheren, allzu optimistische Wachstumsprognosen ins Leere.
Mit dem Bau sollte eigentlich schon 2006 begonnen werden, bedauert John H. Niemann, der zu den Gründungsvätern des Projekts gehört. Doch von der Idee 1993 bis zum ersten Spatenstich 2008 dauert es fast 15 Jahre. Viel zu lange für den umtriebigen Reeder, der an der ganzen Küste vernetzt ist und international für den Hafen wirbt. Zwar stieß man bei Planung, Finanzierung, politischer Unterstützung und schließlich dem Bau selbst immer wieder auf Probleme. Die Wilhelmshavener Initiatoren um Niemann ließen jedoch nicht locker.
Vorzeigeprojekt für die Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen
Allein sechs verschiedene Ministerpräsidenten in Hannover von Gerhard Schröder (SPD) über Christian Wulff (CDU) bis derzeit Stephan Weil (SPD) arbeiteten sich an dem Hafen ab. Er gilt als Vorzeigeprojekt für die Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen, nachdem Hamburg bald wieder ausgestiegen war.
Die Chronik der ersten Jahre listet Pleiten, Pech und Pannen auf. So hatte die Auftragsvergabe ein langes juristisches Nachspiel. Bauschäden an der Kaje und teure Reparaturarbeiten verzögerten die Eröffnung. Und Naturschützer entdeckten am Hafengelände die seltenen Rohrdommeln. Für die bedrohte Vogelart wurde eine teure Lärmschutzwand gebaut.
Tatort-Kulisse
Zwischendurch gab es auch kuriose Schlagzeilen. Eine Attraktion bei der Eröffnungsfeier 2012 etwa war das erste Schiff im neuen Hafen: Der Unglücksfrachter „Flaminia”, von dem nach einem Brand im Atlantik glühende Container geborgen wurden. Im Winter 2016 wurden an der Kaje zwei gestrandete Pottwale mit blutigen Schälmessern zerlegt. Das leere Hafengelände mit hohen Kränen und riesigen Parkflächen bot zudem die richtige Kulisse für den ARD-Tatort „Kaltstart”. Und weil so viel Platz ist, werden zwischendurch massenhaft Neuwagen oder Teile von Windkraftanlagen gelagert. (dpa)