Duisburg. Während die Luftfracht in der Corona-Krise boomt, wird in der Seefracht mit hohen Verlusten gerechnet. Auch im internationalen Straßentransport läuft noch längst nicht alles rund. So lautet das Fazit einer Video-Konferenz der Union Europäischer Handelskammern (UECC), die von der Niederrheinischen IHK Duisburg moderiert wurde. Die UECC ist ein Zusammenschluss von IHK aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Sie vertritt die Interessen von Unternehmen im Einzugsgebiet von Rhein, Rhône, Donau und Alpen.
„So etwas wie die Corona-Krise hat es in der Seefracht noch nicht gegeben“, sagte Hans-Michael Dietmar, Vizepräsident der Schenker AG Deutschland und seit 37 Jahren in der Seefracht tätig. „Alle Reedereien haben angesichts der Globalisierung sehr stark investiert und neue Schiffe bestellt“, berichtete er. Nahezu die Hälfte dieser Kapazitäten liege jetzt im Hafen an der Kette: „Das ist extrem schädlich.“
Verluste wie während der Finanzkrise 2009
Dennoch gelingt es den Reedereien, so Dietmar, die Raten einigermaßen stabil halten, denn die Schiffe seien zu 95 bis 97 Prozent ausgelastet. „Es entwickelt sich eine Jagd auf freie Ladefläche.“ Doch das werde Verluste nicht verhindern, ist er überzeugt. Er geht davon aus, dass die Verluste mit rund 20 Milliarden US-Dollar für die Branche etwa so hoch liegen werden wie während der Finanzkrise.
Schenker selbst verzeichne in dieser Woche 37 Prozent weniger Transportkapazität als noch vor einem Jahr. „Das entspricht 270.000 Containern“, sagte Dietmar. Um Kapazität in den Markt zu bringen und Zeit zu gewinnen, nehmen die Containerschiffe derzeit die Route über das Kap der Guten Hoffnung und nicht über den Suezkanal. Gleichzeitig werde auch auf „Slow Steaming“ gesetzt.
Europäische Seehäfen sind verstopft
Dietmar warnt nach dem Abflauen der Pandemie vor einer Welle von Containern aus China. „Das wird die Seehäfen in Europa verstopfen. Darauf sollten sich die Kunden einstellen“, sagte er. Das werde eine Weile so bleiben. Besonders betroffen davon seien die Textil- und die Autoindustrie. Die Läger seien nach wie vor voll. Er hofft auf eine Normalisierung ab Mitte Mai. Doch sei nicht klar, ob und wie sich eine weitere Infektionswelle in China auswirken werde. „Wir sprechen über ein fragiles Gebilde. Es ist noch nicht vorbei“, meinte Dietmar.
Im Hafen von Rotterdam trifft die Wirkung der Corona-Krise mit einigen Wochen Verzögerung ein, berichtete Sanne Maris, Advisor External Affairs Deutschland für den Port of Rotterdam. „Die Schiffe benötigen für die Strecke aus China rund fünf Wochen. Daher erwarten wir die großen Auswirkungen erst ab April“, sagte sie. Gerade beim Containertransport werde sich das stark bemerkbar machen.
Auf das Jahr 2020 gesehen erwarte der Hafen Rotterdam einen Rückgang des Frachtaufkommens von zehn bis 20 Prozent. 50 bis 60 Prozent weniger beobachtet Maris bei den Ro-Ro-Verkehren in Europa. Sie begründete dies mit dem Lockdown in einigen Ländern. „Die Corona-Krise hat Folgen und bedeutet Einschränkungen für alle Gütergruppen“, sagte sie. Exportprodukte blieben stehen. Güter und Rohstoffe wie Beispiel Kohle und Erze müssten gelagert werden. Ölprodukte etwa müssten mangels Lagerkapazitäten bereits auf Schiffen vor der Küste gelagert werden.
Einheitliche EU-Regeln für Güterverkehr nötig
„Durch den Lockwown in China wegen der Virusepidemie im Anschluss an das chinesische Neujahr hat sich dort einiges an Waren aufgestaut, die jetzt alle hier eintreffen“, bestätigte Daniel Kohl, Senior Executive Advisor der luxemburgischen Spedition Arthur Welter. Das spüre das Unternehmen vor allem im Bereich der Luftfracht. Der auf Frachtflüge spezialisierte Flughafen in Luxemburg erlebe gerade einen regelrechten Boom. Was das übrige Geschäft anbelange, ändere sich die Situation „fast stündlich“.
Es herrsche allgemein Unsicherheit, auch wegen der Intransparenz, welche Regeln und Ausnahmen nun in welchem Land und welcher Region gelten. „Als internationaler Spediteur sind wir aber auf offene Grenzen angewiesen“, so Kohl. Verspätungen gebe es im ganzen Prozess, die die Disponenten in große Schwierigkeiten bringen. „Die EU ist hier gefordert, klarere Regelungen durchzusetzen“, betonte Kohl.
Wirrwarr an Be- und Entladestellen
Ähnliche Probleme mit unterschiedlichen Regelungen der Länder hat auch die Spedition Unitcargo aus Österreich, die 2004 von Davor Sertic in Wien gegründet worden ist und heute rund 600 Lkw pro Woche bewegt und 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr erzielt. „An den Be- und Entladestellen gibt es die verschiedensten Regelungen“, monierte Sertic und forderte vor allem einheitliche Regeln für den Pandemie-Fall. Zu Beginn der Krise habe das Unternehmen mit Staus an den Grenzen und Lieferverzögerungen kämpfen müssen. Rückladungen zu bekommen, sei sehr schwierig. Zum Teil seien auch Fahrer unter Quarantäne gestellt worden, so in Rumänien, da der Fahrer aus Italien gekommen sei. „Einige Fahrer weigerten sich daraufhin, in bestimmte Länder zu fahren“, berichtete Sertic.
Frei Korridore für den Lkw-Verkehr
Jetzt wünscht er sich vor allem einen freien Korridor für den Lkw-Verkehr in Europa und hofft auf die Umsetzung der Leitlinien der EU-Kommission zu sogenannten Green Lanes in allen Ländern. Erst vergangene Woche hatte die Brüsseler Behörde weitere Vorschläge für eine Entlastung aller Verkehrsträger in der Corona-Krise gemacht. Darin enthalten sind viele Maßnahmen, die auf nationalstaatlicher Ebene bereits unabgestimmt eingeleitet worden waren, um Engpässe zu verhindern.
Gleichzeitig machte Sertic sich für mehr Lkw-Parkplätze stark: „Es hat sich gezeigt, dass die Fahrerkabine zu den sichersten Arbeitsplätze der Welt zählt“, meinte er. Das sollte allen zu denken geben, die Fahrer in Hotels übernachten lassen wollten. „All das könnte den Fahrerberuf wieder attraktiv machen“, sagte er. (gra)