Stuttgart. Mehr Geld, eine lange Laufzeit und ein Kompromiss in der umstrittenen Arbeitszeitfrage: Nach einem erneuten Verhandlungsmarathon von 13 Stunden haben sich die Tarifparteien der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg auf einen Abschluss verständigt.
Das zähe Ringen bis zur sechsten Verhandlungsrunde hatte seinen Grund. Angesichts der zahlreichen geforderten Neuerungen mussten die Vertreter des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall und der IG Metall Baden-Württemberg an vielen Stellschrauben drehen, um schließlich jeweils mit Kompromissen leben zu können.
4,3 Prozent mehr Entgelt ab April
Eine Laufzeit von 27 Monaten, 4,3 Prozent mehr Geld, dazu jährliche Einmalzahlungen – das ist nur ein Teil des nun vorliegenden Pilotabschlusses. Die Beschäftigten können darüber hinaus künftig für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken. Im Gegenzug dürfen Betriebe dann mit mehr Beschäftigten als bisher 40-Stunden-Verträge abschließen. Darüber hinaus wurde über zahlreiche zusätzliche, weniger kostspielige Änderungen entschieden.
Die Vier vor dem Komma schmerze, sagte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf im Anschluss an die Verhandlungen. Immerhin habe man aber mit der langen Laufzeit von 27 Monaten für Planungssicherheit gesorgt. „Ich glaube, das neue Tarifsystem ist vernünftig ausbalanciert.“ Allerdings werde nicht nur die Höhe des Abschlusses, sondern auch seine Komplexität für viele Betriebe schwer zu tragen sein.
Flexibilisierung der Arbeitszeit möglich
„Wir haben um jedes Detail hart gerungen“, bilanzierte auch IG-Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger. Die Gewerkschaft hat durchgesetzt, dass die Beschäftigten zusätzlich zur Entgelt-Erhöhung von 4,3 Prozent ab April 2018 für die Monate Januar bis März 2018 eine Einmalzahlung von 100 Euro erhalten. Außerdem gibt es von 2019 an jährlich ein neues tarifliches Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseinkommens sowie einen Festbetrag von 400 Euro. Letzterer – das haben die Arbeitgeber durchgesetzt – kann in wirtschaftlich schweren Zeiten gesenkt oder gestrichen werden.
Einigung wurde auch im hart umkämpften Bereich der Arbeitszeit erzielt – mit dem Ergebnis, dass beide Parteien diesen Faktor künftig flexibler handhaben können. Auch ein besonders strittiger Punkt wurde schließlich geklärt: die Forderung der IG Metall, dass bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder im Falle solch einer Arbeitszeitreduzierung einen Zuschuss für entgangenen Lohn erhalten sollen. Sie können nun statt dem für alle vereinbarten tariflichen Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts acht freie Tage wählen.
Wie der Tarifabschluss sich in der Praxis bewährt, wollen die Tarifparteien in zwei Jahren prüfen, weil bisher nicht klar ist, wie viele Beschäftigte beispielsweise eine reduzierte Arbeitszeit von 28 Stunden oder Verträge über 40 Wochenstunden in Anspruch nehmen.
Neuer Tarifvertrag könnte bundesweit gelten
Kritische Töne kamen indes vom Arbeitgeberverband in Bayern. Zwar begrüße der Verband den Tarifabschluss, der den Unternehmen besonders lange Planungssicherheit verschaffe. Aber: „Wir hätten uns einen weniger komplexen Tarifvertrag gewünscht“, teilte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, Bertram Brossardt, mit.
Der Verband sprach sich für eine Übernahme des Vertrags in Bayern aus. Dort beginnen die Verhandlungen an diesem Donnerstag. Die Einigung in Baden-Württemberg gilt als Pilotabschluss für die deutschlandweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. In der Regel übernehmen die übrigen sechs Tarifbezirke den Abschluss des Pilotbezirks. (dpa/ag)