Hamburg/Hannover. Der Umschlag im Hamburger Hafen brummt und die Containerflut soll in den kommenden Jahren weiter wachsen. Damit Hamburg seinen zweiten Platz nach Rotterdam und vor Antwerpen im Buhlen um die immer größeren Schiffe sichern kann, ist eine erneute Elbvertiefung nötig. Der Start der Baggerarbeiten hängt nur noch vom grünen Licht aus Niedersachsen ab – in Hannover aber will man die dafür gesetzte Frist bis zu diesem Samstag verstreichen lassen. Die Deichsicherheit und die Wasserqualität für den Obstanbau bieten noch Diskussionsstoff – und in zehn Monaten ist Landtagswahl. Mit einer Blockade des Bauvorhabens aber rechnet niemand.
„Es ist nicht Aufgabe einer niedersächsischen Landesregierung, die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs zu verhindern“, brachte Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) kürzlich die Haltung der Landesregierung auf den Punkt. Wie Schleswig-Holstein auch profitiert Niedersachsen enorm von einem prosperierenden Hamburger Hafen – auch wenn das Land mit dem in August in Betrieb gehenden JadeWeserPort in Wilhelmshaven selber über einen Hafen mit Gewicht verfügt. Statt immer weiterer Eingriffe in die Natur zugunsten des Hamburger Hafens plädieren die Grünen für eine Arbeitsteilung und einen Verbund der norddeutschen Häfen im Norden – Experten sehen das skeptisch.
„Es macht preislich einen großen Unterschied aus, ob man die Güter von Hamburg, Bremerhaven oder Wilhelmshaven zu ihrem Ziel transportiert“, erläutert Sönke Maatsch vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Zusätzliche Kilometer per Lastwagen schlügen für die Transporteure kräftig zu Buche, während es für die Tarife der Reedereien einerlei sei, welchen der Häfen sie anlaufen. Der kürzeste Weg für Lastwagen, Bahn oder Binnenschiff entscheide zumeist über die Wahl des Hafens. Hamburg sei das Einfallstor unter anderem für Berlin, den Osten und Bayern, Bremerhaven und künftig auch Wilhelmshaven bedienten das nördliche Ruhrgebiet - das westliche Ruhrgebiet sei auf Rotterdam und Antwerpen ausgerichtet.
Dass Niedersachsen die Bedenken gegen die Elbvertiefung wie zuvor auch Schleswig-Holstein nicht auf die leichte Schulter nimmt, hat seine Berechtigung. Sensible Bereiche und schützenswerte Tiere seien betroffen, hatte bereits die EU festgestellt, die aber dem öffentlichen Interesse den Vorrang einräumte und grünes Licht für das Vorhaben gab. Häfen und Nebenflüsse entlang der Unterelbe können verschlicken, fürchten die Gegner. Der Fluss werde schneller fließen, was bei Hochwasser zu einer Gefährdung der Deiche führen könne und die Obst-Anbaugebiete könnten versalzen, lauten die Sorgen.
Wenn das letzte Tauziehen um die Elbvertiefung in Niedersachsen andauert, dann geht es wie zuvor in Schleswig-Holstein auch um Ausgleichsmaßnahmen und deren Finanzierung. „Sorgfalt geht vor Eile“, hatte Niedersachsens neuer Umweltminister Stefan Birkner (FDP) denn auch immer wieder betont. Hinter den Kulissen aber ist in Hannover klar: Irgendwann in den nächsten Wochen will man zu einer positiven Entscheidung kommen.
Die Sorge vieler, dass eine nächste Elbvertiefung wegen immer größerer Schiffe schon in absehbarer Zeit erneut geplant werden muss, teilt Schifffahrtsexperte Maatsch nicht unbedingt. So arbeite die Reederei Maersk an einem neuen Schiffskonzept, das erstmals berücksichtige, dass die Häfen mit immer größeren Schiffe Probleme bekommen. Ein Zuwachs an Kapazität solle durch breitere Schiffe erreicht werden - dass diese nicht mehr so schnell fahrenden könnten, sei bei steigenden Ölpreisen das geringere Problem.
Fakten zur Elbvertiefung
Die Elbe zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands. Für die Schifffahrt bedeutsam ist vor allem das rund 130 Kilometer lange Stück zwischen der Nordsee und Hamburg, wo Europas zweitgrößter Hafen liegt. Dort wurden allein 2011 rund 9 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen, mit weiterem Wachstum wird gerechnet. Die Elbe wurde bereits sechsmal den Anforderungen der Schifffahrt angepasst, zuletzt 1999. Diesmal will Hamburg den Fluss so ausbaggern, dass auf ihm Schiffe mit einem Tiefgang von 13,5 Meter unabhängig von Ebbe und Flut fahren können. Tideabhängig soll die Elbe für Schiffe mit einem Tiefgang von maximal 14,5 Metern passierbar gemacht werden.
Die Kosten dafür werden auf rund 400 Millionen Euro geschätzt, wobei einen Großteil davon der Bund als zuständiges Organ für Bundeswasserstraßen übernimmt. Gegen die Elbvertiefung wehren sich zahlreiche Umweltverbände, Organisationen und Gruppierungen. Die Kritik richtet sich vor allem gegen erwartete massive Umweltschäden.
it der jetzt anstehenden Vertiefung werden voraussichtlich 38 Millionen Kubikmeter Baggergut anfallen. Der weitaus größte Teil davon soll verbaut werden, um in der Elbmündung mit Unterwasserwällen die Versandung der Fahrrinne zu verringern. Maximal 12 Millionen Kubikmeter dürfen in der Elbmündung verklappt, also ins Wasser gekippt werden. (dpa)