Berlin. Beim vorigen Mal saß er noch auf der anderen Seite des Verhandlungstisches: Norbert Hansen (56), Ex-Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet und inzwischen Personalvorstand der Deutschen Bahn. An diesem Mittwoch tritt er seinen Kollegen von einst als Widerpart gegenüber. In Berlin beginnt die Tarifrunde 2009 für rund 150.000 Beschäftigte des bundeseigenen Konzerns. Verhandeln muss Hansen zum einen mit seinem langjährigen Tarifexperten Alexander Kirchner (52), der seit November an der Transnet-Spitze steht. Und die Lokführergewerkschaft GDL, die der Bahn 2007/2008 einen beispiellosen Kampf lieferte, führt nun der damalige Vize Claus Weselsky (49) in die Gespräche im Zeichen der Wirtschaftskrise. Die Erinnerung ist auch bei Millionen Fahrgästen noch wach: Erst nach neun quälend langen Monaten mit Streiks, immer neuen Ultimaten und vor Gericht hatte sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im März 2008 mit der Bahn geeinigt. Die Verständigung von damals macht die Ausgangslage nun übersichtlicher, die Rollen sind klar verteilt. Nach dem Vorbild des Brandenburger Tores in Berlin ist die GDL unter einem gemeinsamen Dach mit allgemeinen Regelungen jetzt für die Säule der 20.000 Lokführer allein zuständig. Die beiden großen Gewerkschaften Transnet und GDBA kümmern sich um fünf andere Säulen für alle übrigen 130.000 tariflich gebundenen Mitarbeiter. Die Verhandlungen müssen deshalb nicht leichter werden. Denn die Positionen von Konzern und Gewerkschaften liegen meilenweit auseinander, und auch in dieser Runde könnten sich die Gewerkschaften wieder aneinander reiben. Eine Verständigung untereinander haben die Gewerkschaften bislang nicht vorgesehen. Ein Schlichtungsabkommen, das den Konflikt in heiklen Phasen besser beherrschbar machen würde, git es ebenfalls nicht. Die Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA sowie die GDL verhandeln denn auch zunächst getrennt mit der Bahn. Überraschenderweise geht die GDL diesmal mit einer geringeren Forderung von 6,5 Prozent ins Tarifrennen, nachdem es beim vorigen Mal zwischenzeitlich bis zu 30 Prozent sein sollten. Transnet und GDBA verlangen nun 10 Prozent für zwölf Monate. "Ein taktischer Trick" der Konkurrenz sei das, mehr nicht, meint Transnet-Chef Kirchner. Sonst will er sich von der GDL nicht düpieren lassen. Die Wiederholung des damaligen Tarifkonfliktes "werden wir nicht zulassen", sagt Kirchner. "Wir müssen so lange verhandeln, bis ein Gesamtergebnis da ist." Einig sind sich die Gewerkschaften darin, dass auch die schwierigen Arbeitsbedingungen mit Wechselschichten und Dienstbeginn in der Nacht verbessert werden sollen. Bei der Bahn hält man sich vor dem Auftakt lieber bedeckt. Noch ist nicht klar, wann Hansen seinem früheren Mitstreiter Kirchner ein Angebot vorlegen wird. Kirchner sieht angesichts glänzender Zahlen wie dem jüngsten Neun-Monats-Gewinn 2008 von rund zwei Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern einen Anspruch der Eisenbahner auf eine ordentliche Gehaltserhöhung. "Wenn die Bahn auf die vermeintliche Krise verweist, womöglich eine Nullrunde fordert und sich in Verhandlungen nicht bewegt, ist ein Streik unausweichlich." Die Bahn verweist auf Gegenwart und nahe Zukunft. Da sieht es angesichts der Konjunkturschwäche zumindest im Güterverkehr nach einem Einbruch aus. Schon vor Weihnachten hatte Bahnchef Hartmut Mehdorn gewarnt: "Wer mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren zu hohe Lohnsteigerungen fordert, riskiert Arbeitsplätze." Einer der Protagonisten des Tarifkampfes 2008 ist diesmal nicht dabei: Die knorrige Reizfigur Manfred Schell (65). Der inzwischen pensionierte Boss der GDL, der sich mit Mehdorn leidenschaftlich duellierte, bleibt aber nicht völlig stumm. Im Februar, wenn die Verhandlungen richtig in Fahrt kommen dürften, erscheint seine Autobiografie "Die Lok zieht die Bahn". (dpa) Einen Rückblick auf den Tarifstreit zwischen Bahn und GDL im vergangenen Jahr finden Sie am Ende dieser Seite in unserer Bildergalerie.
Hintergrund: Auf der anderen Seite - Bahn-Personalchef Hansen vor harter Tarifrunde
Der Ex-Vorsitzende der Gewerkschaft Transnet tritt seinen Kollegen von einst gegenüber. / Mit Bildergalerie