Berlin. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will es Großstädten ermöglichen, bei kritischen Wetterlagen Dieselautos aus ihren Zentren fernzuhalten. Kommunen sollen nach einem entsprechenden Verordnungsentwurf auf dreierlei Weise eigenständig Fahrverbote verhängen können, um den Ausstoß von Stickstoffdioxid (NO2) zu verringern, das in hoher Konzentration als Atemgift wirken kann.
Laut dem Entwurf sollen die Kommunen zum einen Plaketten ausgeben können, so dass nur noch Fahrzeuge mit hinreichend umweltfreundlichen Diesel- oder Benzinmotoren in eine Verbotszone fahren dürfen. Weiter könnte die Zufahrt zu bestimmten Straßen für alle Dieselwagen gesperrt oder nur neueren Modellen erlaubt werden. Oder die Städte lassen an geraden Datumstagen nur Autos mit geraden Kfz-Endziffern herein, während an ungeraden Tagen Autos mit ungeraden Ziffern einfahren.
Entscheidung über neue Schilder
Bereits zuvor war ein ähnliches Instrument einer „blauen Plakette” diskutiert worden. Einige Länder wollten diese auch übernehmen. Doch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnte die Plakette ab. Nun liegt der Verordnungsentwurf im Verkehrsministerium, dort muss über neue Schilder entschieden werden, berichtete der „Spiegel” am Samstag.
Hendricks erklärte dazu: „Mit diesem Vorschlag geben wir den Städten neue Möglichkeiten zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger an die Hand. Wir machen damit auch klar, dass es Sache der Städte und Kommunen ist zu entscheiden, ob sie Maßnahmen ergreifen und wenn ja, welche.” Damit folge ihr Ministerium dem Wunsch zahlreicher Städte und aller Landesumweltminister. Im Juni 2015 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil Stickoxid-Grenzwerte an vielen Messstellen der Hauptverkehrsstraßen im Jahresdurchschnitt übertroffen worden waren.
Hofreiter: „Gesundheit der Menschen muss Vorrang haben”
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte: „Es offenbart das ganze Versagen der Bundesregierung seit vielen Jahren, dass jetzt - auf Druck der Bundesländer - partielle Fahrverbote vorbereitet werden. Diese Maßnahmen sind wichtig, um uns alle vor giften Abgasen zu schützen.” Längst seien die Probleme bekannt. „Die Gesundheit der Menschen muss Vorrang haben, die Stickoxidwerte in den Städten müssen runter.” Die Industrie brauche klare Signale für eine Verkehrswende.
Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup kritisierte: „Verkehrsminister Dobrindt hat viel zu lange tatenlos zugesehen, wie die Autohersteller sich davor drücken, saubere Autos zu bauen. Jetzt darf Dobrindt den Kommunen zumindest nicht weiter beim Kampf gegen die Folgen seiner Politik im Wege stehen.” (dpa)