Heiße Eisen in der Stahllogistik

Kaum ein US-Präsident hat die deutschen Stahlhersteller so sehr beschäftigt wie Donald Trump. Seine Ankündigung, Stahl mit Strafzöllen zu belegen, sorgte für Unruhe. Denn entgegen manchen Äußerungen muss die deutsche Stahlindustrie mit durchaus gravierenden Konsequenzen rechnen. Überflutung der Stahlmärkte droht "Diese Strafzölle bedrohen uns gewaltig", sagte Tobias Aldenhoff, Leiter Außenhandelspolitik bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl, auf dem 18. Branchenforum Stahl Mitte April in Dortmund. Die Wirtschaftsvereinigung ist der deutsche Interessenverband der Stahlindustrie. Unter anderem verteuern die Zölle den deutschen Stahl. Und immerhin sind die USA für die deutschen Hersteller der wichtigste Markt außerhalb der EU. 1,3 Millionen Tonnen Stahl gingen 2017 über den großen Teich in die USA. Das entspricht 22 Prozent aller Stahlexporte von Deutschland. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung, die der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (NRW) und das Cluster Logistik.NRW ausrichteten, war noch unklar, wie es nun mit den US-Strafzöllen auf Stahl aus der EU weitergeht. Zum 1. Mai ist die Ausnahmegenehmigung ausgelaufen. Laut Aldenhoff gibt es derzeit Signale, dass die Ausnahmen verlängert oder die Strafzölle für EU-Stahl komplett ausgesetzt werden. Eine Entscheidung darüber lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Selbst wenn Trump den EU-Stahl verschont: Die Wirtschaftsvereinigung befürchtet negative Folgen aufgrund der Strafzölle der USA gegenüber anderen Staaten. Neben dem weltgrößten Stahlproduzenten China sind davon auch Russland, die Türkei und Indien betroffen. Laut Aldenhoff umfassen diese Maßnahmen ein Volumen von insgesamt 13,6 Millionen Tonnen. "Dieser Stahl vagabundiert nun auf den Weltmärkten herum", sagte der Stahlexperte. Bedeutend für den EU-Markt sind vor allem Russland, die Türkei und Indien. Diese drei Länder exportieren auch große Mengen nach Europa, sodass Aldenhoff befürchtet: "Ein erheblicher Teil der umgeleiteten Mengen wird in den EU-Raum fließen. Damit droht ein Importanstieg von mehreren Millionen Tonnen." Welche Folgen das für die Stahllogistiker hat, ist noch ungewiss. Denn egal, woher der Stahl kommt, transportiert werden muss er. Allerdings kann es sein, dass künftig mehr Stahl aus den Seehäfen befördert werden muss und die deutschen Produzenten dann womöglich entsprechend weniger Aufträge an ihre Transportdienstleister weiterleiten können. Doch sind das Szenarien, die noch mit großer Unsicherheit behaftet sind. Gewissheit hingegen besteht bei den Speditionen, dass sie mit zahlreichen Behinderungen aufgrund renovierungsbedürftiger Straßen zu kämpfen haben. "Die Brücken in NRW machen Ihnen die meisten Sorgen", sagte Hendrik Schulte, Staatssekretär im Verkehrsministerium in NRW, zu den Stahllogistikern. "Uns auch", ergänzte Schulte. "Da brauche ich nichts zu beschönigen: Unsere Brücken in NRW sind in einem katastrophalen Zustand." Er untermauerte die These mit Erhebungen seines Ministeriums. Für 1119 Brücken erfolgt in NRW eine Berechnung, die den Zustand der Bauwerke erfassen soll. Bei 548 Brücken hat das Land die Analyse bereits abgeschlossen. Bei nur 172 Brücken ist keine Maßnahme erforderlich. 49 Brücken müssen verstärkt werden, bei 247 ist ein Ersatzneubau erforderlich und bei 80 eine Verstärkung und ein Ersatzneubau. Als Grund gab der Staatssekretär zum einen eine Überalterung der Brücken an. Die meisten seien vor 1985 gebaut worden. Damals habe man schlechtere Materialien verbaut, und die Brücken seien auch für deutlich weniger Verkehr ausgelegt worden als den, den sie heute ertragen müssten. Vor allem der Lkw-Verkehr habe den Bauten zugesetzt. "Ein Lkw entspricht der Belastung von 80.000 Pkw", sagte Schulte, der auch Bauingenieur ist. Die Bahn als Alternative? Der Staatssekretär kündigte an, 2018 und 2019 wie schon im Jahr 2017 1,3 Milliarden Euro für die Ertüchtigung der Straßen zu investieren. "Außerdem werden wir 70 zusätzliche Ingenieure für den Straßenbau einstellen", sagte er. Seit Bestehen des Landes Nordrhein-Westfalen seien noch nie so viele Brückengewerke in Arbeit gewesen wie derzeit, verdeutlichte Schulte die Aktivitäten seiner Regierung. Während sich also die Schwerlasttransporteure auf der Straße schwertun, noch geeignete Route zu finden, sieht es bei der Bahn schon bei den Rahmenbedingungen besser aus. Laut Marcel de la Haye, Geschäftsführer der Dortmunder Eisenbahn, einer Tochter der Captrain, beträgt die Radsatzlast pro Achse bei der gängigen Streckenklasse D4 22,5 Tonnen. Bei vier Achsen und abzüglich des Gewichts des Waggons von 20 Tonnen kann ein Waggon 70 Tonnen mitnehmen. Die Bahn kann also durchaus eine Alternative für die Straße sein. Das bestätigt auch Holger Kost, Geschäftsführer der Spedition Friedrich Kerkemeier. 1600 Waggons hat das Unternehmen allein im letzten Jahr empfangen, die Ware entladen und dann weiterbefördert. Aber es gibt auch bei der Bahn Infrastrukturprobleme: "Eingehend wächst das Geschäft mit der Bahn. Aber hin zu den Kunden wird es immer schwieriger, weil immer weniger einen Gleisanschluss haben", sagte der Spediteur. Zudem wolle der Empfänger keine große Mengen geliefert bekommen, sondern nur so viel, wie er gerade für die Produktion braucht. De la Haye bestätigte, dass die Zustellung auf der letzten Meile auch bei der Bahn enorm wichtig sei und kostenintensiv sein könne. Deshalb sei ein Gleisanschluss ein ganz wichtiger Vorteil. Gravierende Probleme in Form von maroden Brücken oder Gleisen nimmt er auf dem Netz, auf dem die Dortmunder Eisenbahn fährt, noch nicht wahr. "Aber veraltete Brücken gibt es auch im Schienennetz. Das führt zu Langsamfahrstellen, weshalb wir die DB Netz auch immer wieder auf das Thema hinweisen", sagte de la Haye. Mehr zum Thema im Dossier Schwertransport www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vemags NRW macht sich für eine Digitalisierung stark Das Portal Vermags (Verfahrensmanagement für Großraum und Schwertransporte) ist ein ständiger Diskussionspunkt bei den Stahllogistiker, da die Abläufe, um eine Genehmigung zu erhalten, zum Teil kompliziert seien und die Verfahren lange dauern. Laut Staatssekretär Hendrik Schulte hätte sich die Anzahl der Anhörungen in NRW zwischen 2011 und 2017 von jährlich 102.525 auf 193.647 fast verdoppelt."Dennoch schaffen wir es, dass das Prozedere für eine Genehmigung nicht länger dauert als zwei Wochen", sagte Schulte. Diese Aussage gelte aber nur für NRW, nicht für Verfahren in anderen Bundesländern. Zudem würde sich sein Land für eine Digitalisierung die Prozesse bei Vemags einsetzen. Damit sei das Ziel verbunden, den Aufwand für die Genehmigung zu verringern und so das Antragsverfahren zu beschleunigen. cd