Berlin. Das am Mittwoch in Berlin vorgestellte „Innovationsprogramm Logistik 2030“ des Bundesverkehrsministeriums kommt bei den Wirtschaftsverbänden größtenteils gut an. Darin würden auch konkrete Maßnahmen aufgezeigt, um die logistischen Aufgabenstellungen in den nächsten zehn Jahren zu bewältigen, lobte der Handelsverband Deutschland (HDE) anschließend. Für zehn Bereiche beschreibt das Innovationsprogramm jeweils ein Szenario für das Jahr 2030 und listet Ziele auf.
Besonders positiv bewertet er, dass sein Vorschlag zur Nachtlogistik aufgenommen wurde. „Um den Kommunen ein Instrument an die Hand zu geben, besonders geräuscharmen Lkw auch nachts die Einfahrt in Innenstädte zu ermöglichen, soll ein Zertifizierungssystem entwickelt werden. E-Lkw können im Stadtverkehr quasi geräuschlos fahren“, sagte der HDE-Bereichsleiter Verkehrs- und Standortpolitik, Michael Reink. In Verbindung mit geräuscharmen Ladungsträgern, Kühlaggregaten und Flüsterasphalt an den Abladestellen könnten die Anlieferungen an geeigneten Standorten auch nachts erfolgen. Die Vorteile für den Stadtverkehr liegen laut dem HDE auf der Hand: weniger Lkw zu den Stoßzeiten, weniger zweite Reihe-Stopps, weniger Staus.
„Es muss jetzt darum gehen, die vorgestellten Maßnahmen zügig anzugehen“, betonte Reink weiter. Die Nachtlogistik sei in den Niederlanden bereits gelebte Praxis und auch in Deutschland durch das Fraunhofer Institut erprobt. „Daher sollte das Verkehrsministerium jetzt nicht zögern und gemeinsam mit dem Handel die nächsten Schritte zur Entwicklung eines entsprechenden Zertifikats für geräuscharme Logistik machen“, sagte der HDE-Vertreter.
BDI sieht Handlungsbedarf bei allen Verkehrsträgern
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte am Mittwoch ebenfalls eine schnelle Umsetzung vom Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gefordert, sonst In drohe der Logistikmotor vor allen durch viele regulatorische Hindernisse und bislang versäumtes politisches Handeln ins Stocken zu geraten. „So sind beispielsweise Lkw-Fahrer in Europa heute noch dazu verpflichtet, Transportdokumente in sämtlichen Sprachen der Länder, die sie durchfahren, in Papierform mitzuführen“, erklärte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer.
Handlungsbedarf sieht Lösch nicht nur auf der Straße: „Zwei von fünf Güterzügen sind heute verspätet, das ist nicht akzeptabel. Die Schiene muss zu den hohen Standards eng getakteter Logistikprozesse aufschließen, wenn sie eine bedeutendere Rolle übernehmen soll“, sagte er. Die Logistikdrehscheiben der deutschen See- und Flughäfen würden zudem durch im europäischen Vergleich nachteilige Regelungen bei der Luftfrachtsicherheit und der Einfuhrumsatzsteuer geschwächt. Und: „Die Effizienz der Binnenschifffahrt leidet unter der veralteten Infrastruktur.“ Zu niedrige Brücken, störanfällige Schleusen und nur schleppend umgesetzte flussbauliche Maßnahmen behindern aus Sicht des BDI einen reibungslosen Güterverkehr.
„Der Erfolg des europäischen Binnenmarkts basiert auf leistungsfähigen Logistikprozessen“, betonte Lösch. Für die deutsche Industrie seien sie ein zentraler Standortfaktor mit steigender Bedeutung. „Für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ambitionierte Klimaziele, müssen rasch die Rahmenbedingungen hergestellt werden, die Logistikprozesse intelligenter, effizienter und dadurch am Ende auch nachhaltiger zu machen.“
Radlogistikverband bemängelt fehlende Förderung
Ähnlich positives Feedback kam von dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) – allerdings auch genauso großer Druck: Der ZDS begrüßte das Innovationsprogramm Logistik 2030 und unterstützt die darin genannten Ziele. Aus seiner Sicht enthält das Programm viele Maßnahmen, die zu einer hohen Leistungsfähigkeit der Häfen und damit auch zur Sicherung des Logistikstandortes Deutschland beitragen werden. Damit die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen mit Blick auf die internationale Konkurrenz gestärkt werde, sei nun Tempo gefragt. „Notwendig sind aber aus Sicht des ZDS vor allem auch die Optimierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer sowie eine Verkürzung von Planungs- und Bauprozessen für Infrastrukturvorhaben“, hieß es.
Der Radlogistik Verband Deutschland begrüßte, dass das Innovationsprogramm Logistik 2030 das Potential der Radlogistik explizit erwähnt und Mikro-Depots fördern will. „Allerdings fehlen im Abschnitt ‚letzte Meile‘ konkrete Fördermaßnahmen für E-Lastenräder, wie sie zum Beispiel für autonomes Fahren und Drohnen vorgesehen sind“, teilte der Verband mit. So könne das von Bundesverkehrsminister Scheuer im Mai beim Nationalen Radverkehrskongress in Dresden ausgegebene Ziel von 20 Prozent urbanem Lieferverkehr auf Lastenrädern nicht erreicht werden. Unverständlich bleibt dem RLVD-Bundesvorsitzender Martin Schmidt darüber hinaus, wieso die für elektrische Lieferfahrzeuge geplante Sonderabschreibung von 50 Prozent nicht auch für E-Lastenräder gelten soll. (ag)
Kathrin Zabel