Hamburg. Die Bilder des gestrandeten Containerschiffs „CSCL Indian Ocean” gingen im Februar 2016 um die Welt. Nach einem Ruderausfall war der 400 Meter lange Ozeanriese 25 Kilometer vor dem Hamburger Hafen auf Grund gelaufen und hatte sich im Elbschlick festgefahren. Fast eine Woche und eine besonders hohe Flut brauchten die Bergungsexperten, um das Schiff mit zwölf Schleppern zurück in die Fahrrinne zu bugsieren. Tausende Tonnen Treibstoff und Ballastwasser wurden aus dem Schiff gepumpt, um seinen Tiefgang zu reduzieren.
Die Havarie endete glimpflich, weder Mensch noch Umwelt kamen zu Schaden. Doch es hätte auch leicht anders kommen können, wenn das Schiff die Fahrrinne blockiert und damit den Hamburger Hafen lahmgelegt hätte oder gar Schäden am Rumpf aufgetreten wären, die einen Ölaustritt zur Folge gehabt hätten. „Die Zusammenarbeit der HPA mit dem Havariekommando in Cuxhaven und der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) hat gut funktioniert”, heißt es bei der Hamburg Port Authority. Die Hafenbehörde habe Amtshilfe geleistet. Regelmäßig kommen Expertenrunden aus den Behörden, von Hafen- und Elblotsen zusammen, um über Vorfälle im Revier und die mögliche Anpassung von Regelungen zu beraten.
Wahrscheinlichkeit für Unfälle nimmt zu
Die Wahrscheinlichkeit für solche Unfälle ist seit der Havarie der „CSCL Indian Ocean” nicht geringer geworden, sondern eher gewachsen. Im vergangenen Jahr steuerten allein 102 Containerriesen mit mehr als 18.000 Standardcontainern (TEU) Fassungsvermögen den Hamburger Hafen an. Dazu kommen 533 ebenfalls sehr große Schiffe zwischen 10.000 und
18.000 TEU. Das bedeutet rein rechnerisch: Jeden Tag kommen fast zwei supergroße oder große Containerfrachter die Elbe hinauf. Und zwei andere fahren wieder zurück in Richtung Elbmündung. Macht vier Schiffe pro Tag in zwei schmalen Tidenfenstern, die potenziell ein besonders großes Unfallrisiko darstellen.
Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) hat nach der Havarie den Unfall analysiert und einige Empfehlungen ausgesprochen. Dabei ging es zum einen um die Schifftechnik. „Die Reederei hat sofort reagiert und auf der 'CSCL Indian Ocean' und ihren Schwesterschiffen die kritischen Teile auswechseln lassen”, sagt Dirk Dietrich, der bei der BSU für die Untersuchung des Unfalls verantwortlich war. Allerdings stießen nicht alle seine Sicherheitsempfehlungen auf offene Ohren. So lehnte es das Bundesverkehrsministerium ab, die Vorschriften für die Überwachung der Ruderanlage zu verschärfen und einen entsprechenden Vorstoß auf internationaler Ebene vorzunehmen.
In einem weiteren Vorschlag an das Verkehrsministerium mahnt die BSU an, die bestehenden Vorsorgekonzepte für die Havarien von Großschiffen ständig weiter zu entwickeln. „Insbesondere das Löschen von Containern aus einer überdurchschnittlichen Höhe”, heißt es in dem BSU-Bericht. Für den Fall, dass die „CSCL Indian Ocean” auch noch um einen Teil ihrer Containerladung hätte erleichtert werden müssen, war das der kritische Punkt: Es gibt an der gesamten deutschen Küste keinen Schwimmkran, der Container von einem havarierten Großfrachter heben könnte. Dietrich hofft, dass es beim nächsten großen Unfall auch ohne solches Großgerät geht. „In der Regel wird ein Schiff nur mit einem Teil seines Rumpfes aufliegen. Den bekommt man mit Leichtern und Baggern wieder frei. Und im Notfall könnte man auch darüber nachdenken, mit Hubschraubern die obersten Container herunter zu holen.”
Schwere Sicherheitslücke
Das sieht der Schifffahrtsexperte Ulrich Malchow ganz anders, der seit Jahren das Fehlen eines ausreichenden Schwimmkrans an der deutschen Küste als schwere Sicherheitslücke moniert. „Die Gefahr ist real, das zeigen diverse Havarien in Hamburg und anderen Häfen in den vergangenen Jahren. Die 'CSCL Indian Ocean' hätte um ein Haar fatale Auswirkungen gehab”», sagt er. Auch beim Havariekommando in Cuxhaven ist man sich dieses Problems bewusst, ohne jedoch Abhilfe zu erwarten. Es wäre für eine private Firma zu teuer, einen Bergungskran zu unterhalten, der bei einer Auslage von 15 Metern mindestens 60 Meter hoch heben kann. Denkbar wäre ein ähnliches Konzept wie bei den Notfallschleppern an den deutschen Küsten, für die der Bund rund um die Uhr bezahlt, auch wenn sie selten zum Einsatz kommen.
Malchow bietet sein eigenes Projekt an, um die Sicherheitslage zu verbessern: Die „Port Feeder Barge”, ein selbstfahrender Ponton mit eigenem Kran für die Umladung und den Transport von Containern im Hamburger Hafen. Eine solche kommerziell eingesetzte Barge könnte soweit ertüchtigt werden, dass sie im Notfall auch als Bergungskran an großen Schiffen eingesetzt werden könnte. Mit diesem Vorschlag ist er in Berlin und Cuxhaven bislang allerdings auf taube Ohren gestoßen: „Dort wird im Havariefall lieber gebetet, als rechtzeitig vorzusorgen.” (dpa)